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Na, Anjutka, da hast Du mal was Schönes angerichtet! Sie wird Dir schon geben: Dein ganzes Leben lang wirst Du daran denken!" ,, Vielleicht muß ihre Mutter den Schaden ersezen?" " Selbstverständlich! Wer die Schuld hat, muß den Schaden

erfeßen."

Mit offenem Munde, mit vor Schred erweiterten Pupillen hört Anjutka zu, während dicke Thränen ihr in den Augen stehen. Plöblich als alle fich noch um den Tisch drängen, legt sie hastig ihre Säume auf dem Bänkchen zusammen und schleicht leise aus dem Zimmer.

Und unsere Arbeit? Soll die sich etwa von selbst machen? Ist das Verstand, was?" erinnert sich zuerst die älteste Arbeiterin. Katta, Nadja, macht mir den Tisch zum Plätten rein! Bringt' ne Tasse Wasser und ein nasses, reines Handtuch! Seht nach dem Plätteisen, daß es bald glühend wird! Aber etwas fir 1" Sie erteilt ihre Befehle und breitet die Rotunde auf dem Tisch aus.

Einige Minuten später ist alles fertig, und die Arbeiterin be­ginnt ihr Wert. Nachdem sie die Enden des nassen Handtuchs zwei Lehrmädchen zu halten gegeben hat, die es ganz straff über der Rotunde anziehen müssen, führt sie das glühende Eisen über das Handtuch und verfolgt ängstlich die Wirkung des sich entwickelnden Dampfes auf die verdorbenen Stellen im Plüsch. Als nach zwei bis drei Touren des Eisens über das Hand­tuch letzteres trocken geworden ist, feuchten die Lehrmädchen es wieder reichlich an, wechseln das Plätteisen gegen ein heißeres um, und alle drei setzen die Arbeit fort, bis die ganze Rotunde bearbeitet ist. Als Lisa zwei Stunden später den Plüschmantel einem Lehr mädchen umhängt und sorgfältig das Resultat ihrer Bemühungen prüft, erhellen sich ihre Büge.

" Na seht mal, Herrschaften! Nicht wahr, schon viel beffer? Jest find die verdorbenen Stellen kaum noch zu bemerken Na, Anjutla, freu' Dich! Geh schnell, rufe Henriette Ludwigowna! Dir wird nichts passieren!... Wo ist sie denn?" fragt plöglich Lisa, als fie Anjutka nicht in der Arbeitsstube erblickt.

" Ja vo stedt fie eigentlich? Die ganze Zeit, während wir plätteten, habe ich sie nicht gesehen."

Hat jemand Anjutka fortgeschickt?

" Nein, ich glaube nicht. Sie hat hier die Säume genäht, da liegt ja noch ihre Arbeit! Wahrscheinlich ist sie hinausgegangen und wird gleich wieder kommen."

Dann lauf Du, Manka, in den Laden nach Madame. Sie möchte unfre Arbeit sehen kommen," sagt die älteste Arbeiterin.

Gott   sei Dant, daß es noch so abgegangen ist!" seufzt Eascha. Wirklich, viel besser geworden! Kaum noch zu sehen! Ich habe mich aber nicht schlecht erschreckt Hab' ich denn Zeit, auf das Lehrmädchen aufzupassen, wenn einem hier das Feuer auf den Nägeln brennt... Man vergißt alles..."

Still I Madame kommt!"

" Na also. wie ist's? Beigt mal I hat's geholfen?" fragt eilig eintretend die Brinzipalin.

" Ja, ich glaube, es geht. Seh'n Sie doch!"

" Hm hm! Es geht. Aber Sie müssen noch einmal plätten. So fann ich mich noch nicht entschließen, es abzuschicken. Besonders hier im Rücken, an der mittleren Naht, ist noch ziemlich viel zu sehen, da muß noch einmal geplättet werden; auch vorne, wo der Kragen endigt, bis ganz nach unten am Saum der Rotunde, da ist auch noch stark zu sehen," sagt, mit den Fingern auf die bezeichneten Stellen weisend, die Prinzipalin. Na, Anjutka, noch glücklich ab­gelaufen!. Wo ist sie denn?"

"

Einen Augenblid rausgegangen." Beeilen Sie sich, beeilen Sie sich.... Machen Sie schnell 1" Und die Arbeiterin beginnt ihr Wert von neuem. " Herr Gott im Himmel! Solch' ein Unglück 1. Ein Unglück Wo ist Madame? Ach mein armer Kopf!.." brüllt aus voller Kehle die Köchin durch die geöffnete Thür der Arbeitsstube.

Die ganze dicke Figur ist in Aufruhr. Ihre Haube ist auf die Seite gerückt, und ein Büschel rötlichen Haares fällt ihr auf die Stirn. Die runden, kleinen Augen scheinen aus den Höhlen heraus­zuquellen.

reicht nicht bis zu den Knien und läßt die blaugewordenen mageren Beine sehen. Traurig blickt ihr fast noch findliches Gefichtchen, von spärlichen blonden Haaren umrahmit.

Bolizei ist noch nicht da, nur der älteste Hausknecht geht schlveren Schritts im Stall hin und her, ohne jemand zu erlauben, den Körper zu berühren, und selbst nur von Zeit zu Zeit ängstlich hinblickend. " Der Polizeilieutenant! Schußleute kommen! Polizei kommt 1" geht es durch die Menge, welche Plaß macht.

Nach Aufnahme des Protokolls, zu welchem alle Arbeiterinnen mit Madame an der Spige antreten müssen, wird der Körper der Selbstmörderin abgenommen und auf eine breite Bank gelegt.

Wird sie lange hier bleiben? Wann holt man die Leiche ab, Herr Lieutenant?" fragt bittend Madame.

Gleich, gleich, Frau Flitschkin. Ich habe schon nach dem Wagen geschickt," sagt angenehm lächelnd der etwas gedenhafte Lieutenant. " Ich verliere einen ganzen Tag Arbeit, und die Zeit ist vor dem Fest sehr kostbar, wie Sie ja wiffen."

War das Mädchen eine Waise? Hat sie keine Verwandten?" " Da! Da ist die Mutter! Macht Plazz! Ach wie vergrämt fie aussieht 1" flüstert's in der Menge.

Laut jammernd fällt eine reinlich gekleidete, ältliche Frau vor der Selbstmörderin nieder. Lange bemüht sich der Lieutenant ver­gebens, fie von der Leiche fortzubringen, um mit ihr das Protokoll aufzunehmen.

Kinderfrau  ... Ich bin Kinderfrau beim Direktor der fran­ zösischen   Bank," antwortet sie unter Thränen. Ach Du mein armes Waisenkind, warum hast Du mich verla- affen?! Du warst mein einziger Trost! Mein armes Vögelchen, mein armes Vögelchen! Ins Unglück haben sie mein Töchterchen gestürzt, das arme Wurm! Ach, ach, ach 1" schluchat fie, sich vor der Leiche auf der Erde windend. Laß sein, Tantchen, laß sein! Da ist nichts mehr zu machen. Die Leiche muß fortgeschafft werden!" versucht ein Schutzman sie in die Höhe zu richten. Was? Fortschaffen? Wohin? Abwaschen muß man sie 1" sagt die Frau erschreckt, am ganzen Leibe zitternd.

Nein, Mütterchen! Jezt kommt sie erst nach der Anatomie; wenn Du fie von da rausbekommst, kannst Du sie begraben, wie Du willst." Ich werd's, ich werd's Meine Herrschaft wird für mich ein­treten Richt fortbringen... nicht 1" beginnt sie von neuem zu schreien.

Hier bleiben? Auf keinen Fall! Was fällt Ihnen ein? Ich habe' ne Arbeitsstube, ich erlaube nicht, daß sie hier bleibt! Schon genug Unruhe ohnedies 1" bemerkt Madame streng, indem sie den Lieutenant anblickt.

Angefaßt! Da ist weiter nichts zu reden! Wenn sie's erwirkt, die Papiere bekommt, mag sie die Tochter begraben," bemerkt an­treibend der Lieutenant.

Und ohne auf das Schreien des Weibes zu achten, tragen die Schuyleute den Leichnam in den Wagen.

Langsam zerstreut sich die Menge. Einigen stehen die Thränen in den Augen; andern thut es leid, daß das Schauspiel schon zu Ende ist, daß man von neuem zu der Arbeit zurückkehren muß. Traurig gehen die Arbeiterinnen, eine nach der andern, in die schon ganz dunkle Werkstatt. Viele von ihnen weinen aufrichtige Thränen; jede sieht im Geiste die eignen Lehrjahre, da sie auch mehr als eins mal hat zum Strick greifen wollen.

Wieder ergießen die Lampen ihr gelbliches Licht, wieder hämmern die Nähmaschinen ihren rhythmischen Takt. Und wieder werden die Arbeiterinnen bis in die späte Nacht hinein arbeiten, bis zur voll­ständigen Erschöpfung aller ihrer Kräfte.

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Kleines Feuilleton.

ck. Wik und Humor der Kinder. Ueber Kinderwiz" bringt die New Liberal Review" einen Artikel von Dr. Maonamara, der zu diesem anziehenden Thema eine Reihe neuer Beispiele bringt. Was? Was ist denn los? Brennt's?" fahren die Arbeiterinnen So erzählt er folgendes: Als Mrs. B. Mrs. A. besucht und von ihr von ihren Pläten in die Höhe und stürzen in die Küche. mit überschwenglicher Verzückung empfangen worden ist, macht sich Was giebt's hier? Wohin, wohin wollen Sie?" erklingt die der kleine Tommy A. an Mrs. B. heran und fragt:" Wohnen Sie zornige Stimme der eintretenden Prinzipalin.

in einem hübschen Zimmer?"" Was für eine merkwürdige Frage,

" Madame, Madame! Schnell, schnell! Im Stall. die Anwarum fragst Du danach?" erwidert Mrs. B. Tommy antwortet: jutta, Anjutka hat sich aufgehängt!"

Was? Hat sich aufgehängt?! Gott  , solch eine Strafe!" " Ich gehe in den Stall nach Kohlen, und da hängt sie Winkel, schon ganz blau!"

im Anjutta hat sich aufgehängt? Anjutta? Die Wermste!" ertönt es aus der Mitte der Arbeiterinnen, die sich auf einen Haufen zu fammendrängen.

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Als Sie den Garten herauffamen, sagte Mama, daß Ihr Zimmer besser als Ihre Gesellschaft wäre." Folgende Definition einer Lüge war wahrscheinlich die Frucht einer guten Erfahrung: Gine Schändlichkeit in den Augen Gottes, aber eine augenblickliche Hilfe in den Zeiten der Not." In der Vogelkunde find Stadtfinder teine Sachverständigen, aber es ist doch zu viel, wenn fie erklären, daß unsre gefiederten Freunde" Engel" und" Rote Indianer". find. Einige Kinder wissen jedoch etwas über Vögel, wie folgende Anekdote zeigt:" Als der Lehrer zum zweitenmal die Geschichte von Jakobs Traum durchnimmt, fragt ein Knabe: Warum gingen die Engel die Leiter empor, da sie doch Flügel haben?" Der durch diese Frage in die Enge getriebene Lehrer fragt nun: Kann einer von Euch die Frage vielleicht be­antworten?" Darauf meldet sich ein andrer und sagt: Weil sie Im Stall, unter einem alten, berrosteten Nagel, hängt Anjutka, in der Mauserung waren". Wer hat die Welt geschaffen?" fragte mit den Füßen beinahe den Boden berührend. Das turze Rödchenleinst ein Juspettor in einer Klasse sehr kleiner Knaben.

" Das ist der Rotunde wegen, nur darum! Hat Furcht be­fommen! Ja, wie soll sie auch nicht Furcht bekommen, wenn Madame ihr so bange macht! Und wir alle find auch schuld! Stehen bei der Rotunde: ach! und oh! Hätte noch' ne ganz andre als Anjutka Furcht bekommen! Und sie war immer so schnell eingeschüchtert, so leicht verlegt!"

Die Aermfte!"