Anlerhaltungsblall des vorwärts »k. 249. Sonntag, den 22. Dezember. 1901 (Nachdruck verdaten.) v) Dev Fluvschütz. Roman von Alfred Bock . Die Sache kam vor den Direktor. Der machte nicht viel Auf- Hebens davon und sagte:Schwalb, Sie sind ein begabter Mensch. Sie müssen sich aber nicht einbilden, daß hier eine Extrawurst für Sie gebraten wird. Sie sind Ihrem Klassen- lehrer Gehorsam schuldig. Versäumen Sic weiter den Unter- richt, so mach' ich kurzen Prozeß mit Ihnen und weise Sie aus der Anstalt aus." Das war klar und deutlich gesprochen. Und weil der Direktor manierlich war, ließ Jakob fünf gerade sein und ging zu dem Fliegenschmidt zurück. Doch hatte er sich vorgenommen, wenn der Krippenbisser ihm wieder was aufmutzen that, sollten ihn keine zehn Pferde mehr in die Fachtlasse bringen. Was der Schasskopp zeichnete und kleckste. hatte er wahrhaftig und Gott schon vergesien. War er Johanni des Unterrichts ledig, konnte es ihm daheim nicht fehlen. Zwar blieb er in Eschenrod nicht hängen. Unter das Bauern- Volk paßte er nicht mehr. In Frankfurt wollte er seßhaft werden. Das war eine wunderschöne Stadt, und Geld war dort, o je! wie Heu. Da lebte ntan wie im Schlaraffenland. Er hatte große Rosinen im Sack und baute Luftschlösser, ein wahrer Staat!'s Nettchen hörte aufmerksam zu. Der Protz, wußte sie. war in sie verschossen. Sie dachte nun, wie man ihn ausbeuteln könne, um ihni hinterdrein eine Nase zu drehen. Der Gimpel ging ihr schnell auf den Leim. Sie vertraute ihm, wie elend sie sei. Sie müsse den Leuten freundlich thun und bis in die Nacht die Kellnerin spielen. Sie habe bessere Tage gesehen. Jetzt halte der Vater sie furchtbar knapp und gönne ihr kaum das bißchen Putz. Ja, wenn man so glücklich sei wie der Herr Schwalb und auf des Vaters Geldsack poche. Seufzend ließ sie sich neben ihm nieder und duldete, daß er den Arm um sie schlang. Jhin rieselte es glühendheiß durch die Adern. ..Herzig Mädchen," wisperte er,ich thu' alles für Dich." Er zog sie näher an sich heran.Schätzi, Sonntag geh'n wir zusammen aus." Sie willigte ein. Er war ganz toll. Das schöne Mädchen, um das sie alle mit begehrlichen Blicken herumschwänzelten, war sein Schatz. Gleich kaufte er ihr eine Korallenbrosche, ein paar Tage später ein Ohrgehänge. Kaum, daß er den Sonntag erwarten konnte. Sie wollten sich in der Kommuni- kationsstraße treffen. Er wartete und wartete, sie blieb aus. Der Vater hatte sie festgehalten. Sie vertröstete ihn auf den nächsten Sonntag. Da kam denn wieder etwas dazwischen. Sie lockte ihm allerlei Geschenke heraus und hielt ihn Woche für Woche hin. Unterdessen lief er in seiner Liebesglut wie behext herum, versäumte Arbeit und Unterricht und ließ sich mit feilen Dirnen ein. Aschermittwoch war's, um die Frühstückszeit, daß Jakob mit katzenjämmerlichem Gesicht in die Wirtschaft zu seinem Schätzt" kam. Vorn im Lokal saßen ein paar Professio nisten, knappertcu ihren Limburger und tranken Vier dazu. Ein fcingekleidetcr Herr, den glänzenden Cylinder im Nacken, hatte sich über den Schenktisch gebeugt und tuschelte dem dahinter sitzenden Nettchen ins Ohr. Das war ihr offenbar so interessant, daß sie den eintretenden Jakob gar nicht be- merkte. Dieser wandte sich unruhig an die Handwerksleute. Wer ist denn der Herr dahinten?" Dat is der Nettche seiner, de Schwalenbach," flüsterten sie ihm zu.Sie wissen et doch, der den: Scheuer jeholfe hat wie er im Dreck drin saß." Von einer großen Wut erfaßt, schlug Jakob mit seinem Nohrstock auf den Tisch und schrie: Ein Glas Bier!" Das Pärchen am Schenktisch fuhr auseinander. Herr Schnialenbach drückte den goldenen Kneifer auf den Nasen- sattel und sagte, den Ankömmling musternd: De Lümmel hat noch de Fasselabend im Kopp I" Jakob ging herausfordernd aus ihn zu. Wen meinen Sic dann mit dem Lümmel?" Wer fragt," fuhr ihn der Geschniegelte an.Sie haben sich hier anständig zu benemme." Jakob trat das Blut ins Gesicht. Seit wann haben Sie mich denn Anstand zu lernen?" Der Herr wies nach der Thür. Enus mit Siel Sie sind ja besoffe." Was sagen Sie, Sie Affekunges!" Jakob packte den Nebenbuhler am Rock. Dieser entschlüpfte ihm und flüchtete hinter den Schenktisch. Jetzt legte sich das Nettchen ins Mittel. Herr Schwalb, ich verbitten nier hier die rohe Späss'." Jakob schwang sich mit einem Satz auf den Tisch. Halt Du doch Dein Maul, Du falsche Ärott. Dem Lapps da tränk ich den Lümmel ein." Klatsch! traf den Stutzer ein Schlag ins Gesicht, daß ihm das Blut gleich aus der Nase schoß. Der Getroffene schrie Zeter und Mordio. Da eilten die Handwerksleute herbei, rissen den Jakob vom Schenktisch her- unter und traktierten ihn mit den Fäusten. Waart, Luskirl, de kommst ins Kachöttche. Enus, enus!" Er flog in Wahrbett zur Thüre hinaus und schlug der Länge nach ans den Bürgersteig. Passanten halfen ihm auf die Beine. Zuerst war er willens, in die Kneipe zurückzu- kehren, dann besann er sich eines anderen und rannte fort. Als er zehn Minuten darauf sein Quartier in der Kasernenstraße erreichte, fand er zwei Briefe vor; der eine kam voni Direktor der Kimstgewerbeschule, der ihn wegen fortgesetzter Versäumnis des Unterrichts aus der Anstalt >vies, der andre war von seinem Vater, der Geld zu schicken versprach, aber jede fernere Unterstützung verweigerte. Jakob ivarf sich auf sein Bett. Noch kochte die Wut in ihm über die eben erlittene Schmach. All' die Zeit her hatte das Nettchen seinen Uz mit ihn: gehabt, hatte ihm die Mark- stücke abgeluchst. Daß er so ein Dummerjan gewesen wart Dazu»och der Schinipf, sich von ihrem Buhlen anranzen zu lassen. Zwar hatte er dem Zieraff eine ins Gesicht geflatscht. Was machte sich die Scherbe! daraus. Die lachte sich ins Fäustchen, wie er den Handwerkern in die Kluppen fiel und seine Prügel krag. Er zerknüllte die Bettdecke. Die Hinter- listige hätte er abmurksen können. So übel hatte ihm noch keine mitgespielt. Nun kam auch alles Unglück zusammen. Der Direktor schloß ihn vom Unterricht aus, der Vater zog die Hand von ihm ab. Was jetzt? Er wälzte sich beunruhigt hin und her. Ja, wenn die Mutter noch lebte. Da hätte er eine Für- sprecherin gehabt. Daheim am letzten Michelstag war's, daß sie ihn aufs Gewissen fragte:Jakob, was bist Du Deinen Hausleut schuldig und sonst etwan in Düsseldorf ?"Ei hundert Mark," schwindelte er ihr selbigmal vor, denn alles in allem macht' es nur sechzig aus. Etz zog sie ans dem Bettsack einen schweren Strumpf hervor und zählte dreiund- dreißig blanke Thaler und ein Markstück auf den Tisch. Wie er das Geld einstrich, liefen ihr die Thränen über die Backen.Jakob," sprach sie,ich geb's ja gern, wann's auch nicht recht ist, daß Dein Vater nix davon weiß. Die Sünd' muß ich halt auf mich nehmen. No bitt' ich Dich um alles in der Welt, bleib doch von den Weibsleut weg. Du machst Dich unglücklich Dein Leben lang." Ja freilich hatte sie recht. Als halbwüchsiger Bursch lief er in Eschenrod schon hinter jeder Schürze her. Dazumal hatte er's ernsthaft mit dem Justus Hobach seinem Kathrinchen, aber es hatte weiter nichts zu bedeuten gehabt. Das Kathnnchen heiratete später den Hufschmied Kümmel . Der Teufel hat sein Spiel dabei, daß er das Karessieren nicht lassen konnte. In der Stadt als Weißbinder trieb er's flott und war bei den Mädchen Hahn im Korb.' Heidi, heida! alle paar Wochen eine andre; Abwechslung mußte sein. Etz zog den Soldateurock an. Die Leut' von seiner Compagnie kneipten in derGoldenen Gans". Da kam er und die Christtne beidsander. Das Mädchen hatte ein paar Augen im Kops, die gingen einem durch und durch. Mit den vielerlei Liebschaften schnappt's ctz ab. Sein Trachten ging nach der Christrine. Die ließ ihn aber ordentlich zappeln, denn sie war nicht so wie die andren und nahm seine Freite ernsthaft auf. No tvar er rein verpicht auf das Mädel und könnt' sein Klappermanl nicht halten und that gleich von der Hochzeit schwätzen. Da machte sie keine Sperenzchen mehr. Und sie waren