Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 7.
Freitag, den 10. Januar.
( Nachdruck verboten.)
7 Roman von Magim Gorki. Deutsch von Klara Brauner. " O- o!" ertönte aus der Ferne ein gedehnter Schrei und Schloß wie ein Schluchzen... Jekt ging jemand vom Deck an das Bord des Dampfschiffes heran.
Foma Gordjejew.
" O!" Klang es wieder, aber schon irgendwo in der Nähe. " Jefim!" rief jemand Halblaut auf dem Deck. Jefimta!" " Ja- a?"
"
ihn
„ Er wird also weiterschwimmen?"
1902
" Ja, er wird weiterschwimmen... irgendwo wird man herausziehen und begraben."
,, Werden ihn nicht die Fische aufessen?"
" Fische essen kein Menschenfleisch. Das thun die Krebfe. Sie lieben es."
Von der Körperwärme des Vaters schmolz Fomas Angst, doch vor seinen Augen schaukelte sich das furchtbare Gesicht mit den fletschenden Zähnen noch immer auf dem schwarzen Wasser.
,, Und wer ist das?"
Wer weiß das! Bete zu Gott für ihn, sag: Herr, schenke
Steh auf, Teufel! Nimm die Hakenstange"" " O- o!" stöhnte es irgendwo in der Nähe, und Foma| Frieden seiner Seele!" prallte erzitternd vom Fenster zurück.
Der seltsame Laut schwamm immer näher heran, wuchs in seiner Kraft, schluchzte und zerschntolz im schwarzen Dunkel. Und auf dem Deck flüsterte man aufgeregt:
" Jefimika! So steh doch auf, ein Gast schwimmt!" ,, Wo?" ertönte die eilige Frage; dann schlurrten nackte Füße über das Deck, man hörte hin und her laufen, und am Gesicht des Knaben vorbei sentten sich von oben zwei Hakenstangen herab und drangen fast lautlos in das dichte Wasser ein.
„ Ein Ga- ast!" stöhnte es irgendwo in der Nähe, und ertönte ein leises, sehr seltsames Plätschern des Wassers.
Der Knabe zitterte bei diesem traurigen Schreien vor Entsetzen, konnte aber weder seine Hände von Fenster lösen noch seine Augen vom Wasser losreißen.
"
"
Zünd die Laterne an... man sieht nichts!" Gleich!"
Auf das Wasser fiel ein trüber Lichtfleck... Joma sah das Wasser sich leise bewegen, es träufelte sich, als erzitterte es vor Schmerz.
"
Schau, schau!" flüsterte jemand erschrocken auf dem Dec. Zugleich erschien in dem Lichtfleck auf dem Wasser ein großes, furchtbares Menschengesicht mit weißen, fletschenden Zähnen. Es schwamm und schaukelte sich auf dem Wasser, die Zähne waren gerade auf Foma gerichtet, und es schien mit seinem Lächeln zu sagen:
"
Ach, Du Kleiner... talt ist's... Ich wohl!" Die Hakenstangen erbebten, hoben sich in die Luft, senkten sich dann wieder ins Wasser und begannen darin etwas vorsichtig zu stoßen. ,, Schieb ihn schieb ihn nur... gieb acht, daß er nicht unter das Rad kommt!"
..
,, Stoß doch selber!"
Die Hakenstangen glitten am Bord entlang und fragten es mit einem Geräusch, das an Zähueknirschen erinnerte. Foma konnte kein Auge abwenden. Das Füßestampfen, das auf dem Deck über seinem Kopfe ertönte, entfernte sich allmählich gegen das Hinterteil des Schiffes. Und dort ertönte wieder derselbe klagende Laut.
"
Ein Ga- ast!"
Bapa!" schrie Foma mit lauter Stimme. Papa!" Der Vater sprang auf und stürzte zu ihm hin.
"
Was ist das? Was thun fie?" schrie Foma.
Ignat lief in großen Sprüngen und mit wildem Brüllen aus der Kajüte. Er kehrte bald zurück, früher als Foma wankend und sich umschauend das Bett des Vaters erreicht hatte.
Man hat Dich erschreckt... nun, das macht nichts!" sagte Ignat und nahm ihn auf den Arm.„ Leg' Dich zu mir!" Was ist das?" fragte Foma Ieiſe.
,, Das ist nichts, Söhnchen. Das ist ein Ertrunkener. jemand ist ertrunken und schwimmt... das ist nichts; fürchte Dich nicht, er ist schon fortgeschwommen!"
Warum haben sie ihn weggestoßen?" fragte der Knabe weiter und schmiegte sich mit vor Angst geschlossenen Augen fest an den Vater.
" Ja, das muß so sein. Das Wasser könnte ihn uns ins Rad schwemmen.. morgen sieht's dann die Polizei, und dann geht die Schererei und das Verhör los... man würde uns hier aufhalten. Darum stößt man ihn weiter. Was macht's ihm? Er ist schon tot... ihn schmerzt und kränkt das nicht... und die Lebendigen hätten seinetwegen Unannehmlichkeiten. Schlafe, Söhnchen!"
„ Herr, schenke Frieden seiner Seele!" wiederholte Foma flüsternd.
Nun also... Jetzt schlafe, fürchte Dich nicht... Er ist jetzt schon weit! Er schivimmt fort... Sei vorsichtig und geh' nicht an Bord heran, sonst wirst Du auch ins Wasser hinunterfallen, Gott behüte uns davor!"
" Ist er auch hinuntergefallen?"
" Wahrscheinlich ist er hinuntergefallen, vielleicht war er betrunken... da war's zu Ende mit ihm! Vielleicht hat er sich selbst herabgestürzt. Es giebt auch solche... da stürzt sich einer ins Wasser hinab und ertrinkt. Das Leben ist so eingerichtet, mein Lieber, daß manchmal der Tod für den Sterbenden selbst ein Feiertag ist, und manchmal ist er für alle eine Befreiung."
„ Papa!"
Schlaf, schlaf, mein Liebling!"
Drittes Kapitel.
Gleich am ersten Tage seines Schullebens wählte Foma, bom lauten, ausgelassenen Lärm der tollen Streiche und der wilden Kinderspiele betäubt, aus der Mitte der Knaben zwei aus, die ihm interessanter erschienen als die andern. Der eine davon hatte seinen Platz vor ihm. Foma, der schüchtern nm sich blickte, sah einen breiten Rücken, einen dicken, mit Sommersprossen besäten Hals, große Ohren und einen glatt geschorenen Hinterkopf mit feuerrotem Haar, das wie Borsten in die Höhe stand.
Als der Lehrer, ein kahlköpfiger Mensch mit einer herabhängenden Unterlippe, Afrikan Smolin rief, erhob sich der rothaarige Knabe gemächlich, ging zum Lehrer hin, richtete seine Augen auf dessen Gesicht, hörte die Rechenaufgabe an und begann sorgfältig große, runde Ziffern mit Kreide auf die Tafel hinzumialen.
Es ist gut... genug!" sagte der Lehrer...Nicolai Jeschow... weiter!"
Einer von Fomas Nachbarn auf der Bank, ein unruhiger, Kleiner Knabe mit schwarzen Mausaugen, sprang von seinem Platz auf und ging durch die Bankreihen, wobei er überall anftreifte und den Kopf nach allen Seiten drehte. Bei der Tafel angelangt, stellte er sich auf die Fußspiken, griff nach der Kreide, die immer abbröckelte und quietschte, und fuhr damit über die Tafel, die er mit kleinen, undeutlichen Zeichen zu bedecken begann.
"
Mach' keinen Lärm!" sagte der Lehrer und zog sein gelbes Geficht mit den müden Augen frankhaft zusammen. Und Jeschow sagte laut und schnell:
" Jeßt wissen wir, daß der erste Hausierer siebzehn Ropeken Profit bekommen hat..."
"
Genug!... Gordjejew! Sag' mir, was muß man thun, um zu erfahreu, wieviel Profit der zweite Hausierer bekam?"
Die Frage kam Foma, der das Betragen der beiden so verschiedenen Knaben beobachtete, unerwartet, und er schwieg. " Weißt Du nicht? Hm, erklär's ihm, Smolin."
Smolin, der feine mit Kreide beschmutzten Finger gründ lich nut einem Fezen reinigte, legte diesen hin, beendigte die Aufgabe, ohne Joma anzublicken, und begann wieder sich die Hände abzuwischen, während Jeschow lächelnd und im Gehen hüpfend sich auf seinen Platz zurückbegab.
,, Ach Du!" flüsterte er, indem er sich neben Foma sette und ihn bei dieser Gelegenheit mit der Faust in die Seite stieß. Was verstehst Du da nicht! Wie viel Profit war im ganzen? Dreißig Kopeken. und es waren zwei Hau