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werkerstuben und Kaufhäuser von ihren Vorräten, indem er 3000 Paar Schuhe, 3000 Paar Strümpfe und 15 000 Ellen Tuch erpreßte.

Und Räuberschar folgte auf Räuberschar. Vom sicheren Küstrin aus verordnete zwar der Kurfürst, daß der Oberst v. Rochow Berlin und Cölln befestigen und mit Hilfe der Bürgerschaft verteidigen solle, aber es fehlte hierzu an Mitteln und an Energie.

Berlin bot zur Zeit des dreißigjährigen Krieges äußerlich ein überaus flägliches Bild. Die Häuserbauten waren meist armselige Hütten, hölzerne Baracken. Selbst das Schloß war verfallen und mußte durch Holzpfähle vor dem gänzlichen Zusammenbruch geschützt werden. Der Luftgarten war ein verwildeter Busch, der in einen stinkenden Sumpf auslief. In den Straßen standen die Kram- und Fleischscharren; Kot, Kehricht, Löcher im Pflaster machten die Straßen fast unpassierbar. Dazu gesellte sich der Gestank der Schweine, welcher die Luft verpestete. Schweinekoben standen vor allen Häusern, und die Schweine, die sich in den Straßen herumtrieben, zerwühlten die schadhaften Straßenstellen oder wälzten sich in den Kanälen. Die Stadtmauer war verfallen, und da an ihrer Innenseite Häuser angebaut worden waren, boten auch ihre gut erhaltenen Stellen feinen genügenden Schuß mehr.

Diese Stadt konnte sich der Räuberscharen nicht erwehren und so brandschatten die durchziehenden Haufen dieselbe bald zu Tode. Die Raubgier, die sittliche Verworfenheit, die Bestialität über­wucherte in diejen räubernden Banden bald den letzten Rest alles menschlichen Gefühls. Man kennt die Schenßlichkeiten, die von diesen Rotten angewendet wurden, um das Versteck des letzten Groschens zu erfahren. Die Geschichte wimmelt von Schilderungen der Grausam teiten der Schweden wie der Spanier, vom Schwedentrunk" und von den gräßlichen Verstümmelungspraktiken der Spanier, bis zu den wüsten Notzuchtakten herab, denen die weibliche Bevölkerung der Städte erlag. Der Bürger war geschickter im Verstecken und hart nädiger im Leugnen geworden, als er das Leyte verteidigen mußte. Desto grausamer wurde der bentesuchende Söldner, den vielfach auch der Hunger zu seinen bestialischen Verbrechen trieb.

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unter, die Fran blieb oben stehen; sie hatte ein schwarzes Mohair­tuch über die Schultern geworfen; sie ricb sich die Hände: Wenn der Wind geht, spürt man den Winter doch, kalt ist es!" Ob es talt ist!" Er lachte auf. Aber in der Sonne ist es prachtvoll. Ueberhaupt so' n Wintertag auf'm Lande, da geht nichts drüber!"

Nein! Und daß wir das noch mal so für uns haben können!" Sie sog die frische Luft in vollen Zügen ein und beugte sich über die Brüstung. Gedankenvoll sab sie dem Mann zu, der in der warmen Mittagssonne zwischen den Sträuchern auf und nieder schritt. Er griff in die Zweige des einen und bog sie auseinander: Wie weit der Flieder schon ist, dicke Knospen im Januar." " Das macht die milde Witterung!"

" Nein, er ist immer so weit im Januar, ich weiß noch, wie ich' n fleiner Junge war, in Großmutters Garten, da war's gerade so." Ja, das verlernt man alles in der großen Stadt!" Sie seufzte leicht.

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Aber nun lernen wir's wieder!" Er schlug etwas Sand von den Händen ab und schmunzelte vergnügt:" Daß wir den Garten haben, ist das beste; hab' ich mir all mein Lebtag gewünscht, so' n Garten!"

sie

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,, Er ist nur zu vernachlässigt." " Ja, das ist er."

" Ich weiß nicht, wie man' n Garten so vernachlässigen kann," schritt gleichfalls die paar Stufen hinunter und hing sich an seinen Arm,' n Garten muß einem doch sein wie' n Kind und man pugt ihn raus, als wäre alle Tage Sonntag! Aber fich bloß, da am Zann hat sogar Kohl gestanden. Das find verfaulte Kohl­strunte!" " Ja, das sind sie!"

Sie rümpfte verächtlich die Nase: Kohl im Vorgarten, na ja, es war ein Maurer, der hier gewohnt hat, die Art hat keinen Sim für Pocfie; aber weist Du, dies Jahr muß der Garten werden wie ein Schmuckfasten!"

Ja, das soll er, und das ganze Dorf soll staunen!" Er wurde immer lustiger. Haben wir uns das Haus rausgeputzt und aus ' ner Spelunke zu' ner Villa gemacht, den Garten pugen wir uns erst recht heraus. Da in die Mitte fommt' n Teppichbeet hin!" ,, Wie sie in Potsdam bei den Schlössern find! Ach ja!" Sie war offenbar sehr erbaut von seinem Vorschlag:' n Leppichbeet sieht so vornehm aus, aber in die Ecken nehmen wir Geranien, recht viel brennend rote Geranien, das giebt so eine Farbenpracht und um die Ränder blaue Lobelien, das wird prächtig werden." Aber auch' n Stück Geld kosten."

Infolge der Ausraubungen waren in Berlin bereits 1637 168 Häuser ganz von ihren Bewohnern verlassen, viele andre wurden nur von hungernden Wittwen und Waisen bewohnt. Ein Bild des Berliner Elends jener Zeit erhält ນາ ດາ, wenn man die im VI. Heft des Vereins für die Geschichte Berlins "( 1872, Decker) gesammelten Aktenstücke, Eingaben und Klagen des Rates liest. Der Rat konnte kaum mehr die Stadtthore bewachen, so sehr war die männliche Bevölkerung teils durch den Krieg, teils durch die von dem Kriegsgesindel eingeschleppten Krant­heiten ruiniert worden. Die Best reißet dergestalt wiederum ein und ergreifet bald diesen, bald jenen; der Soldat stecket den Bürger, der Bürger den Soldaten an, daß fast niemand mit dem andern ficer reden oder umgehen darf." Die Zügellosigkeit der kurfürst­lichen Reiter sei so groß, daß kein Pferd, keine Kuh, kein Oase und selbst kein Mensch vor denselben gesichert sei. Das wolltest du ja allein machen, Männe. Weißt du noch, wie Berlin habe 1638 und 1639 monatlich zum Unterhalt der du geschwärmt hast, im Garten zu arbeiten, das Land zu bestellen: turfürstlichen Völker bald 3000, bald 2711, bald 1800, ein zweiter Cincinatus." Sie lachte.

Na ja,' n Garten ist tener; die Blumen können wir wohl an sechzig bis hundert Mark rechnen."

Und dann noch das Graben und Rajohlen und das Gießen während des Sommers."

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Siehst Du, was ich gesagt habe!" Sie lachte noch lanter. Na dan nehmen wir uns' n Gärtner, wir können ja mal mit dem am Kirchplatz reden, was er berechnet!"

bald 2100 Thaler und Cölln nach Verhältnis gegeben" Na ja", brummte er, na ja, man denkt sich das so. Aber hast Du und das, was die Schweden geranbt hätten. Viele hätten' ne Ahnung! Das Umgraben und Wasserschleppen, und das Bücken geeilet durch Wasser, Strang und Meffer ihrem elenden Leben ein beim Jäten! Anordnen und mal' n welkes Blatt abpflücken, na ja, Ende zu machen und der Rest sei im Begriff, mit Weib und Kind aber das andre, wo man seine Sechzig bald auf' m Rücken hat? ihre Wohnungen zu verlassen und ins bitterste Elend zu gehen. Nee dazu ist man zu alt." Wirklich erhielten denn die Söldnerheere auch aus Berlin und aus der Mark so gut wie aus andren Orten und Landesteilen den Zuzug der proletarischen Elemente, die mum selbst Kriegsdienste thaten und nun selbst raubten, nachdem sie ausgeplündert worden waren. Aber den " beyden Residentien" wurde weder vom Kurfürsten noch von seinem braven Statthalter, dem berüchtigten Grafen Schwarzenberg Hilfe. Sie erhielten immer recht freundliche Antworten, aber mit papierenen Briefen konnte man sich schlecht gegen die Söldnerhaufen zur Wehr fetzen.

" Dreißig Mark bloß fürs in Ordnung bringen, ich hab' ihn schon gefragt. Wer soll denn das geben?"

Sie schwieg und sah den Tauben nach, die oben in der Luft ihre Kreise zogen: Gott schließlich, dann nehmen wir weniger Blumen, die Hyazinthen können ja fehlen."

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,, Nee, fönnen sie nicht. Das ist gerade' s schönste," er brim melte, Hyazinthen wuchsen in Großmutters Garten, die will ich wieder haben; nee, wir müssen bloß' n Gärtner sparen und einen suchen, der's billiger macht."

In diesen Zeiten ging auch der letzte Rest von socialer Wider standskraft, den das ehedem so mächtige handel- und gewerbtreibende Bürgertum Berlins besaß, verloren." Nie waren die Trinkstuben so besucht, wie in dieser wüsten Zeit. Was nützte es auch, die Thaler Na, den werden wir schon finden, hier auf dem Lande find doch aufzusparen, da morgen vielleicht ein Söldnerhaufen fic erränberte. viele solche. Weißt Du, es kann doch auch' ne Frau sein. Wir So wurde denn das legte verpraßt und in der Folge herrschte das Elend. können ja die alte Nichter nehmen aus' m Armenhaus, die Ver­Auch die Unfittlichkeit erreichte ihren Höhepunkt und feierte in den Bürger- wachsene. Sie hat mich schon gefragt, ob wir nicht mal Arbeit für häuseru oft wahre Orgien. Während die Maffe der Bevölkerung Hunger fie haben." litt, während die Pest ihre verwüstende Bahn schritt, während fremdes" Ja, hat sie?" Es nickte bedächtig. Ja, ja, die olle Nichter, Kriegsvolt die Stadt bedrohte, feierte Berlin ausgelassene Feste. Es fie versteht ja die Landarbeit, man kann's ihr auch noch war die Lustigkeit der Verzweiflung, die, den Tod vor Augen, dem Leben noch ein Lächeln abringen will. Heute ist heut! Schließlich aber fand auch diese schreckliche Zeit ihr Ende und aus Blut und Thränen konnte sich Berlin langsam zu neuer Eut­widlung erheben.- E. R.

Kleines Feuilleton.

ee. Der Garten. Trotz des Januartages war das Wetter linde. Eine weiche warme Luft strich über Gärten und Felder. Wenn die Sonne hinter den Wolken hervorkam, konnte man glauben, es wäre März. In ihrem klaren, goldnen Schein lag die junge Saat grün und frisch, wie an einem ersten Frühlingstag.

In der Villa stand die Terrassenthür offen. Die beiden alten Leute waren herausgekommen, der Mann stieg in den Garten hin­

zeigen."

Die macht uns das gerade so gut wie' n Gärtner und wenn sie fünf Mark kriegt, füßt sie noch die Hand." Sie lachte wieder. Die Alte nimmt ja doch keiner mehr, da ist sie froh über jeden Groschen. Ja, Männe, wir nehmen die alte Richter, mit der funzeln wir alles zurecht."

Und im Dorf nennen sie einen noch wer weiß wie gut, daß man dem ollen Wurm Arbeit giebt!" Er nickte wieder.

Na natürlich das auch noch, und für das, was wir an Lohn sparen, fönnen wir ja mehr Blumen nehmen, da in der Ecke ein paar Rosen­Sträucher. Ach Dn Männe, das machen wir, dann wird unser Garten wirklich wie ein Schmuckkasten!"

Theater.

Schauspielhaus. Coquelin in Sandeaus Fräu lein von Seiglière." Constant Coquelin, der neben der Sarah Bernhardt berühmteste Schauspieler Frankreichs , der, seitdem er vor