Unterhaltungsblatt des Vorwärts

J. 21.

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Donnerstag. den 30. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Foma Gordjejew. Roman von Maxim Gorki . Deutsch von Klara Branner Mir ist um das Geld nicht schade," antwortete Foma dem Paten.

.. Du solltest versuchen, wenigstens den zehnten Teil da­von zu verdienen, dann hättest Du das Recht zu sprechen." Darf ich hinein?" ertönte Ljubas Stimme hinter der

Thür.

"

Du darfst meinetwegen hereinfliegen," antwortete ihr der Vater.

Wollt Ihr gleich essen?" fragte sie, als sie hereintrat. " Ja."

Sie ging zum Büffett und klirrte mit dem Geschirr. Jakow Tarassowitsch blickte sie an, faute an seinen Lippen, flopfte auf einmal Foma mit der Hand aufs Knie und sagte zu ihm:

So ist's recht, Foma! Denke nur nach

Foma antwortete ihm mit einem Lächeln und dachte sich Er ist klug, flüger als der Vater..." Und er gab sich sogleich gleichsam mit einer andren Stimme zur Antwort:

Stlüger, aber schlechter..." souls and

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sogar hinter seinem Rücken den leisen, aber verächtlichen Ausruf:

"

Der Gordjejew ist ein Milchbart!"

Er fühlte, daß es ihm galt, doch er wandte sich nicht um Die Reichen, die ihm früher Schüchternheit eingeflößt hatten, und sah nicht hin, wer ihm diese Worte hingeworfen hatte. verloren in seinen Augen den Reiz des Reichtums und der Klugheit. Schon mehr als einmal hatten sie ihm die eine oder die andre einträgliche Lieferung aus den Händen ge­rissen; er wußte mit Bestimmtheit, daß sie es auch in Zukunft thun würden, und sie erschienen ihm alle gleich geldgierig, immer bereit, einander zu betrügen. Als er seine Beobach tung dem Paten mitteilte, sagte der Alte:

,, Wie sollte es anders sein? Der Handel ist wie der Krieg. eine gewagte Sache. Hier kämpft man um den Geldbeutel, und das Herz ist im Geldbeutel."

" Das gefällt mir nicht," erklärte Foma.

,, Auch mir gefällt nicht alles, es ist viel Falschheit dabei, Man kann aber bei Geschäften nicht offen sein, man braucht Politik dabei! Da muß man zu einem Menschen gehen und dabei in der linken Hand Honig und in der rechten ein Messer halten, mein Lieber. Jeder will für eine halbe Kopeke fünf Ropeten kaufen."

Der Alte lächelte, und die Zahnstümpfe in seinem Mund riefen in Foma den scharfen Gedanken hervor: ,, Du hast wohl viele erwürgt."

Mit einem Worte, es ist ein Krieg!" wiederholte der es

Und ist das denn das Richtige?" fragte Foma und blickte Majakin forschend an.

,, Das heißt, wieso das Richtige?"

,, Giebt es nichts Besseres?" Ist das alles?"

,, Das ist aber gar nicht gut," sagte Foma nachdenklich. Es wird später gut sein Wenn Du die Ober­damacht gewinnst, dann ist es gut... Das Leben ist sehr shil einfach. Freund Foma: entweder Du würgst alle, oder DIF Fünftes Kapitel. bleibst im Rot liegen." Fomas zwiespältiges Gefühl seinem Paten gegenüber ver­stärkte sich mit der Zeit: indem er seine Worte aufmerksam und mit gierigem Interesse anhörte, fühlte er, wie jedes Zu­sammensein mit Majakin seine Antipathie gegen den Alten verstärkte. Manchmal erregte Jakow Tarassowitsch) in Alte. seinem Taufkind ein Gefühl, das der Furcht ähnlich war, manchmal sogar einen physischen Efel. Dieser stieg in Foma gewöhnlich dann auf, wenn der Alte mit etwas zufrieden war und lachte. Vom Lachen zitterten die Runzeln des Alten und veränderten jede Sekunde seinen Gesichts- Wo sollte außerdem etwas sein? Jeder lebt für sich. ausdruck; seine trockenen, dünnen Lippen hüpften, zogen Jeder wünscht sich das Beste... Und was ist das Beste? sich in die Breite und entblößten schwarze schwarze Zahn- Den Menschen voranzugehen, über ihnen zu stehen. Darum stümpfe, und der rote Bart flammte wie im Feuer. Der Ton bestreben sich alle, den ersten Platz im Leben zu erreichen. feines Lachens ähnelte dem Quietschen von rostigen Thür Der eine versucht's so, der zweite anders. Doch alle wollen angeln, und der Alte selbst erinnerte an eine spielende unablässig, daß man sie wie Kirchtürme schon aus der Ferne Eidechse. Da Foma seine Gefühle nicht zu verbergen verstand, sieht. Dazu ist der Mensch auch bestimmt zur Erhöhung. äußerte er sie vor Majakin oft und sehr grob in Worten Das ist sogar im Buch Hiob ausgedrückt: Der Mensch wird und Gesten, doch der Alte schien das nicht zu bemerken, ließ zum Leiden geboren, um wie die Funken aufwärts zit fein Tauffind nicht aus den Augen und leitete jeden seiner streben". Sich einmal: selbst die Kinder wollen einander Schritte. Er fam fast gar nicht mehr in sein Geschäft, ver- beim Spielen übertreffen. Und jedes Spiel hat immer tiefte sich gänzlich in die Angelegenheiten des jungen Gord- seinen Höhepunkt und ist dadurch interessant. Hast Du ver jejew und ließ Foma viel freie Zeit übrig. Dank der Stellung standen?" Majakins in der Stadt und den verbreiteten Bekanntschaften an der Wolga ging das Geschäft glänzend, doch Majakins Eifer im Geschäft verstärkte Fomas Meinung, der Pate sei fest entschlossen, ihn mit Ljuba zu verheiraten, und das stieß ihn noch mehr von dem Alten ab.

Ljuba gefiel ihm und erschien ihm zugleich verdächtig und gefährlich für ihn. Sie heiratete nicht, und der Pate sprach nichts davon, veranstaltete keine Gesellschaftsabende, lud nie­mand von der Jugend zu sich ein und ließ Ljuba nirgends hingehen. Und alle ihre Freundinnen waren schon ver­Heiratet.

Foma bewunderte ihre Reden und hörte sie ebenso gierig an wie die Reden ihres Vaters; wenn sie aber mit Liebe und Sehnsucht von Taraß zu sprechen begann, kant es ihm vor, als verberge sie unter diesem Namen einen andern Menschen, vielleicht Jeschow , der nach ihren Worten aus irgend einem Grunde aus der Universität austreten und Moskau verlassen mußte. Es war viel Einfachheit und Güte in ihr, die Foma gefielen, und oft rief sie durch ihre Worte Mitleid in ihm her vor: sie schien ihm nicht zu leben, sondern in wachem Zu­stande zu träumen.

Das verstehe ich!" sagte Foma mutig und bestimmt.

Das mußt Du auch fühlen. Mit dem Begreifen allein kann man nichts erreichen, Du mußt Dir etwas wünschen, so sehr wünschen, daß Dir der Berg wie ein Erdklumpen und das Meer wie eine Pfütze erscheint. Ach, ich habe in Deinem Alter spielend gelebt! Und Du zielst immer irgendwohin... Uebrigens reift eine gute Frucht nicht schnell."

-

Die einförmigen Ermahnungen des Alten erreichten bald das, worauf sie berechnet waren: Foma hatte sie sich gemerkt und hatte sich den Zweck des Lebens klar gemacht. Man muß mehr sein als die andren, das behielt er im Gedächtnis, und der durch den Alten erregte Ehrgeiz fraß sich tief in fein Herz ein. Doch er konnte ihn nicht ausfüllen, denn Fomas Beziehungen zu Medinskaja nahmen den Charakter an, den sie verhängnisvollerweise annehmen mußten. Es zog ihn zu ihr hin, er wollte sie immer sehen, und in ihrer An­wesenheit wurde er verlegen und plump und dumm. Er wußte das und litt darunter. Er war Er war oft bei ihr, doch es war schwer, sie zu Hause allein anzutreffen um sic herum schivirrten immer wie über einem Stück Zucker parfümierte Stußer. Sie sprachen mit ihr französisch, sangen, Sein Benchmen bei der Gedächtnisfeier des Vaters lachten, und er schwieg und blickte sie voll Zorn und Reid wurde unter der Kaufmannschaft bekannt und schuf ihm an. Er saß mit eingezogenen Füßen in irgend einer einen ungünstigen Nuf. Wenn er zur Börse tam, bemerkte Ecke ihres buntdekorierten Salons, in dem es sehr schiver er, daß alle ihn spöttisch und feindselig anblickten und auf war, sich zu bewegen, ohne an etivas anzustoßen oder etwas eine besondere Art mit ihm. sprachen. Einmal hörte er umzuwerfen,- er saß da und beobachtete finster.