90
schon.
Vielleicht werde ich wollen... vielleicht will ich's] Sie rückte ihm näher, blickte ihm ins Gesicht und sagte überzeugt:
Hören Sie! Leben Sie nicht wie alle! Richten Sie sich das Leben irgendwie anders ein. Sie sind stark jung. Sie sind gut!"
und Wenn ich gut bin, muß es mir auch gut gehen," rief Foma aus und fühlte, wie die Erregung sich seiner bemächtigte und wie sein Herz zitternd zu schlagen begann.
"
Ach, das ist nicht so! Auf Erden geht es den Guten schlechter als den Bösen!" sagte Medinstaja traurig.
Und zwischen ihren Fingern sprangen wieder die zitternden Mandolinentöne hervor. Foma fühlte, daß, wenn er jetzt nicht gleich mit dem, was er vorhatte, beginnen würde, er ihr später nichts mehr sagen könnte.
"
Gott helfe mir!" sagte er im Geiste und begann mit gesenkter Stimme und mit Spannung in der Brust: Sofja Pawlowna! Es ist gut genug! Ich muß fprechen. Ich bin gekommen, um Ihnen folgendes zu sagen: es ist genug! Man muß gerade und offen handeln. Erst haben Sie mich zu sich herangezogen, und jetzt verschanzen Sie sich bor mir. Ich verstehe nicht, was Sie sprechen, mein Verstand ist taub, ich fühle aber Sie wollen sich verstecken ich sehe ja verstehen Sie, warum ich gekommen bin!" Seine Augen brannten immer mehr, und die Stimme wurde mit jedem Worte heißer und lauter. Sie neigte sich mit dem ganzen Körper vor und sagte bange:
-
,, O, hören Sie auf!"
-
,, Nein, ich werde jetzt sprechen!"
" Ich weiß, was Sie sagen wollen."
" Sie wissen nicht alles!" sagte Foma drohend und erhob sich. Ich weiß aber alles von Ihnen, alles!"
"
So? Um so besser für mich," sagte Medinstaja ruhig. Auch sie hatte sich von der Couchette erhoben, als wollte fie hinausgehen, nachdem sie aber einige Sefunden gestanden hatte, ließ sie sich wieder auf ihren Platz sinken. Ihr Gesicht war ernst, sie preßte die Lippen fest aufeinander, die Augen waren aber gesenkt, und Foma fonnte ihren Ausdruck nicht sehen. Er hatte geglaubt, sie würde bei den Worten:" Ich weiß alles von Ihnen!" erschrecken, sich schämen und ihn verlegen um Verzeihung bitten, weil sie mit ihm gespielt hatte. Dann wollte er sie fest umarmen und ihr verzeiheu. Es kam aber anders; ihre Ruhe machte ihn selbst verlegen, er blickte fie an und suchte nach Worten, um seine Rede fortzusetzen, konnte aber keine finden.
„ Um so besser," wiederholte sie trocken und hart. Sie haben also alles erfahren, ja? und haben mich natürlich verurteilt... wie es auch sollte.... Ich verstehe. ... ich bin vor Ihnen schuldig. Doch... nein, ich fann mich nicht rechtfertigen."
Sie schwieg, griff plöglich mit einer nervösen Handbewegung nach ihrem Kopf und begann sich das Haar
ordnen.
zu
" Ich habe Sie oft angeschaut und habe gedacht: wie schön, wie gut sie ist, das Täubchen! Und Sie sagen jetzt selbst, daß Sie schuldig sind... ach!"
Sonntagsplandevei.
An die Stadtverordnetenversammlung in Berlin 3. S. ihres Vorstehers Dr. Langerhans.
Mit zerrissenem Herzen und blutendem Gewissen gewahre ich tief betrübt, daß Ihr Väter der größten Stadt noch immer Kamele beziehungsweise, sofern Ihr zur roten Rotte gehört, Rhinozeroffe seid.
In Eurer verstockten und verjudeten Gottlosigkeit fahrt Jhr fort,
das heiligste zu lästern und alle christlichen Gefühle zu verhöhnen.
Das kränkt mich schwer in meiner vorsorglichen Liebe für Euch, und ich kann nicht umbin, Euch meinen Zorn zu künden und die Erwartung auszusprechen, daß Ihr in Ench gehen möget, und endlich ablasset von Eurem lästerlichen Lebenswandel, der Euch geradeswegs in des Teufels Feuerpfuhl führen muß.
Nicht genug, daß Ihr keine Kirchen bant, so verhindert Ihr auch noch gewaltfam, daß in dem verruchten ungläubigen Berlin fich irgend welche Befferung durchsetze.
Mit großer Seelenfrende vernahm ich, daß man nun auch in Berlin , wie schon zuvor in Potsdam , sich der heiligen Nebung des Gefundbetens widmet und damit endlich anfängt, seine Sünden zu berenen und zurückzukehren in den Schoß des Christentums. Es war unsrer hehren Amerikanerin Eddy, zu der deutsche Schiffe jetzt wallfahren, gelungen mit der strahlenden Waffe der christian science , der christlichen Wissenschaft, einzudringen in die Metropole der Ungläubigkeit. Und es war mir eine besondre köstliche Genugthuung, daß gerade in der Schule, die den Namen Falls trägt, des schrecklichen Urhebers der preußischen Frreligiosität, zuerst eine Stätte er baut wurde, an der frommer Sinn und schlichte Einfalt wieder zu Ehren tam. Es war mir ein wohlgefälliger Anblick, wie hierher die Kranken und Krüppel strömten, wie die Lahmen sich gehend, die Buckligen fich gerade, die Schwindsüchtigen sich lungenstart und die Diphteriebehafteten sich bacillenrein beteten.
Und da kommt Ihr, schmäht das heilige Werk, und werfet Kot unter seinen Schuß nahm. Aber ich sage Euch, wer das Gesundbeten auf den tapferen Direktor Schellbach, der das erhabene Gesundbeten lästert, der höhnt das Christentum selbst, der verspottet Gott , der treibt Kirchenschändung. Alle Kranfeit ist, so lehrt uns der Glaube, eine Folge der Erbsünde. Die Erbsünde aber wird überwunden durch Buße und Gebet, und darum ist das Gesundbeten tief be gründet in der christlichen Wissenschaft, und wer den heidnischen die nichts ist als eine GottesAberglauben der Medizinpfuscherei- Glaubens- vorzieht, der erschüttert die Grundlagen des Staates, lästerung und eine Leugnung der ewigen Wahrheit des christlichen der unterwühlt Thron und Altar. llud darauf wollt Ihr hinaus, Ihr Sameie und Rhinozeroffe der grössten Stadt.d
Ueberdies thue ich Euch zu wissen, daß Ihr nicht nur Verräter am Heiligsten seid, sondern auch ganz verfluchte Esel und Feiglinge. Ihr, die Ihr Euch freifinnig nennt, bildet Euch ein, daß wider die Bernunft sei, was über Eure Veriunft ist. Und weil Ihr es nicht wagt, geradezu, wie es deutschen Wännern ziemt, Eure Angriffe gegen die christliche Religion zu richten, darum vergreift Ihr Euch Christentum erzeugte Gesundbeten der Mizz Eddy. an einem schwachen Weibe und verfolgt das aus dem tiefsten
Mit Recht hat mein waderer Freund, der Direktor Schellbach, auf Eure unflätigen Angriffe Euch Eure grobe Intonsequenz schneidig vorgeritten. Ihr selbst bezahlt doch zahllose Lehrer, damit sie die Kinder in den Wundern der biblischen Offenbarung unterweisen und sie Gebete lehren. Ihr selbst tauft oder beschneidet und konfir segnen und wähnt, dadurch höherer Weihe teilhaftig gu werden. Ist miert Eure Kinder, lasset Euch firchlich trauen und tirchlich ein
-
Foma seufzte tief. Die Worte der Medinskaja hatten Dr. Schellbach gesagt, daß die wunderbare Heilungen von denen es leichter zu glauben, so hat Euch mit schönem Freimut der in ihm eine Hoffnung getötet, von deren Existenz in feinem die Bibel erzählt, wirklich stattgefunden haben, als daß der in Herzen er erst jetzt erfuhr, da sie getötet war. Und er sagte Eddys Geifte christlich Wirkende fich gesund beten fönne? In allen mit bitterem Vorwurf, indem er den Kopf wiegte: Schulstuben, auch des Falt- Real- Gymnasiums, so hat Euch sein Direttor gesagt, werden die Kinder angehalten, das Rätselvollſte gläubig hinzunehmen und Ihr wehrt Euch nicht dagegen? Ihr duldet, daß Eure Kinder lernen, daß der Mann aus einem Erdenfloß und das Weib aus des Mannes Rippe geschaffen sei. Ihr lat Eure Kinder davon überzeugen, daß in sechs Tagen das ganze Universum erbaut sei. Und doch behaupten Eure antichristlichen After- Gelehrten, daß der Mann von einem Affen und das Weib von einer Aeffin stamme, daß die Welt sich in Jahrmillionen selbst entwickelt habe, daß die Krankheiten von Bacillen herrühren und nicht, wie es unsre Religion erklärt, von der Erbsünde. In alledem laßt Ihr Eure Kinder unterweisen und tausend wunderbare Dogmen und mystisch- tiefsinnige, für den armen Menschenverstand unbegreifliche Offenbarungs- Säge müssen sie greiflich als das, was mit Eurer Genehmigung und Eurem Geld die glanben. Ist das Gesundbeten etwa rätselhafter und weniger beKinder in allen Schulstuben lernen? So habt doch den Mut Eurer Gottlosigkeit und erklärt mannhaft: Unser Geschimpf auf das Gesund beten ist nur ein Vorwand! Was wir wirklich meinen, ist ganz etwas andres. Wir wollen den groben Naturalismus und Materialismus in die Schule einführen; wir wollen Religion und Christentum ächten und zerstören und damit auch das nicht minder winderbare Gottesgnadentum der Monarchie mit frecher Hand antasten.
Die Stimme des Jünglings stockte. Und die Frau lachte leise. ,, Wie gut und wie komisch Sie sind... Und wie schade ist es, daß Sie... das alles nicht verstehen können!" Foma blickte sie an und fühlte sich durch ihre freund lichen Worte und ihr trauriges Lächeln entwaffnet. Das Kalte und Harte, das er im Herzen gegen sie hatte, zerschmolz in ihm bei dem warmen Glanz ihrer Augen. Die Frau erschien ihm jezt klein und schutzlos wie ein Kind. Sie sprach etwas mit freundlicher Stimme, als redete sie ihm zu, und lächelte immer, doch er hörte ihre Worte nicht.
" Ich kam zu Ihnen ohne Mitleid," unterbrach er sie. " Ich dachte ich werde ihr alles sagen! Und ich habe nichts gefagt, ich habe keine Luft. Mein Herz ist mir eingesunken. Sie atmen so besonders Ach, ich hätte Sie nicht sehen sollen! Was sind Sie mir? Ich muß wohl gehen!" ( Forisegung folgt.)
Wahrlich, Ihr seid von Simmen, wenn Ihr Eure Kinder Gebete austvendig lernen laßt und das Gesundbeten verfolgt. Was sollen