- 91
denn Gebete, wenn sie nichts nigen! Wozu beten wir, wenn wir uns keinen Erfolg davon erhoffen 1 Nein, das Gebet ist die Grundlage unfres Glaubens, und wer uns das Wunder des Gebets raubt, nimmt uns unsre Religion. Was würde aus unserm topferen Heer, wenn es nicht vor der Schlacht in brünstigem Gebet um den Sieg flehte! Wenn das Gebet feine Wirkung hat, so ist es überflüssig, ist es Betrug und Lüge. Ich selbst bete jeden Morgen für das Wohl unsres herrlichen Vaterlandes, daß es errettet werden möge vor den Dämonen des Umsturges. Glaubt Ihr, daß folch frommes Beten nuglos bleiben wird? Wer in dem Gebete die höchste Kraft des Menschen einmal erkannt hat, für den ist auch das Gesundbeten kein Aberglauben sondern tiefste Wahrheit. Ein einziges Wort aus dem Schaße der Miß Eddy ist mehr wert, als eine Bibliothek von atheistischen Lehrbüchern der Medizin und ein Warenhaus von chirurgischen Instrumenten und chemischen Schmieragen.
Eins aber hoffe ich noch immer, daß auch Euch einst die Stunde der Erkenntnis schlagen möge. Wenn der rote Drache des Umsturzes erst Euch Freisinnige von Euren Sesseln faucht, dann werdet Ihr auch durch Gebete in Eddys Geist flehen, daß Eure bresthafte Partei gesunde. Daß es dann nicht zu spät sein möge!
Meine Religion befiehlt mir, daß ich den Nächsten liebe. So will ich auch Euch nicht weiter auflagen, sondern vielmehr mich bemühen, Eure verhärteten Herzen zu erleuchten. In diesem Gefühle beschwöre ich Euch: verfolgt nicht weiter die Gemeinde Eddys! Ich gebe Euch mein Ehrenwort, das Gesundbeten hilft, sofern es nur in ehrlich gläubiger Ueberzeugung geschieht. Nur zwei Beispiele seien Euch aus meinen Potsdamer Erfahrungen, 100 wir alle fleißig der erhabenen christian science obliegen, zur Belehrung erzählt. War da neulich ein junger Kamerad, der unvorsichtigerweise bei einem Liebesmahl vier Flaschen Cham pagner und drei Flaschen Cognac getrunken. Das konnte der Unglückliche nicht vertragen, und da wir wußten, daß er auf dem Heims wege unweigerlich einen Offizier tödlich beleidigen und dadurch ein Duell heraufbeschwören würde, improvisierten wir schnell eine llebung in christian science . Binnen fünf Minuten war der Unvorsichtige völlig gesund und nüchtern gebetet, so daß er noch zwei Flaschen Champagner und eine Flasche Cognac trinken konnte, ohne daß es ihm etivas schadete. Wir hatten ihn nämlich so heftig gesund gebetet, daß der junge Mann noch einen Vorrat für die glüdliche Ueberwindung autünftiger Anfälle aufgespeichert hatte.
Das zweite Gebettvunder habe ich an mir selbst erlebt. Eines Tages merkte ich, daß die Gesundheit der Sandenpapiere, in denen ich große mir zur Verwaltung anvertraute Summen augelegt hatte, start zu tränkeln aufing. In meiner Not veranstaltete ich sofort eine Eddy- Sigung, deren Ergebnis war, daß ich die Papiere sofort verkaufte. Die Finanzen waren herrlich genesen. Acht Tage darauf war Sanden in Moabit .
-
-
Das sind nur zwei Beispiele aus Hunderten gleichwertiger. Mögen sie Eindruck auf Eure Seelen machen! Alsdann das hoffe ich zuversichtlich werdet Ihr die christian science in allen Schulen lehren und die hochbegnadeten Damen Eddy und das göttliche Blumenmedium Rothe die auch gegen fie gerichteten Schmähungen und Verläumdungen berühren nicht den Saum ihrer Astralleibwäsche zu Ehrenbürgerinnen Eurer Stadt ernennen. Alsdann werde ich Euch wohl affektionieret sein. Frhr. v. Mirbach. Oberhofmarschall- Potsdam. Verantwortlich gezeichnet.
Kleines Feuilleton.
Joc.
go. Ohne Ehrgefühl. Ich habe Merger gehabt", sagte Herr Stobizer. Mit großen Schritten ging er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Seine Stirne lag in Falten und seine Augen funketten. Dazu knallte er mit Daumen und Mittelfinger; das that er immer,
wenn er wütend: var.
Die Schwester schien den Zorn nicht ernst zu nehmen. Gleich mütig streifte sie die Handschuhe ab, nahm den Hut vom Kopf und warf Handschuhe und Hut auf den Tisch, dann ließ sie sich gleichmütig in einen Sessel fallen: Was ist denn nun eigentlich über haupt los? Jst Dir einer mit der Miete durchgebrannt, oder ist Lotten das Mittagessen verbrannt?"
Du brauchst mich nicht auch noch zu uzen!" Herr Stobiger blieb stehen und steminte die Hände in die Seiten: Fehlt ja noch, will zum Besuch kommen und mich uyen." Seine Stirnader schwoll. „ Na, ich mein' ja auch bloß so!" Sie lenkte ein. Was hast Du denn aber eigentlich?"
"
Er antwortete nicht, wie ein Wilder schoß er im Zimmer umher. Dann schien ihm plötzlich die Befinnung zu kommen. Etwas ruhiger, aber doch noch immer wie ein bisfiger Köter fuhr er zu ihr herum: Hans will heiraten."
Weiter hast Du dazu nichts zu sagen, als„ jo"?"
"
So?"
"
"
Aft genug ist er dazu."
"
Alt geng? Ja wohl, alt genug!" Er äffte ihre Stimüne nach. Weiter braucht es ja auch nichts, alt genug."
" 1
"
Gott mun Errege Dich doch nur nicht so! Ist denn die Sache so gefährlich? Du hast es selbst ja schon lange gewollt!" Habe ich? Gewiß habe ich Apothekers Grete soll er nehmen.
Das hab' ich gelvolt!"
-
" Nein aber ist es denn die nicht auch?*
Er überhörte ihre Frage:" Geld hat sie und der Alte ist Stadt rat und der Bruder gehört zu unsren Kunden!" Er zählte die Vor teile an den Fingern her. Und so eine Verbindung, so' ne vorteils hafte Verbindung, die will er fahren lassen!"
„ Aber wen will er denn sonst nehmen?" Sie war ganz konsterniert:„ Etwa eine von Rechnungsrats? Hübsch sind sie ja, aber doch ganz ohne Geld."
"
„ Wenn es noch eine von denen wäre!" Sein Zorn flammte von neuem empor:„ Aber was meinst Du? Von Rechnungsrats? Ein Ladenmächen ist es. Eine aus' m Großbazar?
Um Gottes willen, wo hat er denn die her? Sie fing offenbar an, seinen Born zu begreifen. Sie wurde gleichfalls lebhaft: „ Na, so wird Hans doch nicht reinfallen! Das wäre ja schrecklich! Er nahm seine Wanderung von neuem auf und erzählte:" In ' nem Konzert hat er sie fennen gelernt, in so' nem gewöhnlichen Groschen- Konzert. Sie hat mit ihrer Mutter an einem Tisch mit ihm gesessen. Ist es denkbar? Und er will sie heiraten. Gar keine Ehre hat er im Leibe!"
,, Kennt er sie denn schon lange?"
" Zwei Monate glaub ich, ist öfter da gewesen, die Mutter is ne Witwe Was für Familie?" Sie war jetzt sehr interessiert. " Familie?" Er lachte höhnisch. Hat' n sowas Familie? Buchbinder ist der Vater gewesen, aber anständig, natürlich hochanständig,' s ist überhaupt' n hochanständiges Mädchen!" Er sagte es in beteuerndem Tone, man hörte ihm an, daß er seinem Sohne nachmachte.
Sie schüttelte nachdenklich den Kopf:„ Der Hans! Nein der Hans! Solche Sachen zu machen! Man muß mit ihm reden, ich werde ihn mir mal ernsthaft vornehmen!"
"
Nimum ihn nur! Jawohl, nimum ihn nur!" Er knallte wieder mit Daumen und Mittelfinger.
-
Als ob er sich noch dreinreden läßt. Zu meinem Geburtstag wollte er fie sogar einladen! Ist es denkbar: sie und ihre Mutterin unser Haus! Er hat gar kein Ehrgefühl.
2
" Ja die jungen Leute!" Sie nichte vor sich hin.
Er wurde immer wütender: Wenn meine Frau das erlebt hätte! Wahrer Segen, daß fie's nicht erlebt hat! Ich hab' ihm aber den Standpunkt klar gemacht. Keinen Groschen kriegt er von mir. Soll Compagnon im Geschäft! Steht gar nichts davon drin! sich sein Brod suchen, wo's ihm paßt, mitjamt dem Frauen zimmer!" ,, Na so weit wird's ja doch nicht kommen!"
"
Sei nur sicher, daß es soweit kommt! Er treibt's auf die Spitze. Ich sage Dir ja, er hat feine Ehre im Leibe!"
Es entstand eine Pause. Herr Stobizer trat an seinen Schreib tisch und tramte in seinen Papieren. Die Schwester sah vor sich hin, dann wandte sie sich plöglich zu ihm herum: Du Friß, wenn's mun im Ernst ein anständiges Mädchen ist?"
Ist sie ja! Kann sie ja sein! Meinetwegen!" Er brummte vor
sich hin.
-
Sie gab sich einen energischen Ruck: Auf Geld braucht Hans doch eigentlich nicht zu sehen, eigentlich haben wir doch selbst genug und.. ihre Stimme wurde weicher,„ und und wenn er sie nun ernstlich liebt, es ist doch eigentlich etwas Rührendes um die Liebe!" Jetzt schluchzte sie fast, sie hatte offenbar in ihrem Herzen einen roman tischen Zug entdeckt.
"
Aber der Bruder schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, daß der Briefbeschwerer in weitem Bogen herunterflog; seine Stimme schnappte beinah über vor Wut: Liebe? Kommst Du mir auch fo wie die Lotte?" Vater, wenn er sie doch nu aber liebt?" Hab ich was dagegen, daß er sie liebt? Mag er sie lieben, so lange es ihm paßt, er soll sich's auch noch was fosten lassen! Darin gönn' ich ihm doch jedes Vergnügen! Muß er denn das Mädel aber gleich beiraten? Wenn man'n Mädel auch mal liebt, zu heiraten braucht man sie doch nicht gleich!"
Theater.
-
Schauspielhaus., Miß Hobbs".-Luftspiel in 4 Aften von Jerome. Was diesem englischen Lustspiel zur Ehre einer leberseßung verholfen, blieb einigermaßen unverständlich. L'Arronge und Lubliner hätten der Miß Hobbs ganz ebenso zur Verlobung mit irgend einem vortrefflichen Manne verhelfen können wie der englische Dichter; und auch die Widerlegung der Hobbsschen Damenphilosophie wäre dem tiefgründigen Geiste dieser deutschen Männer wohl geglückt. Ob Newhaven oder Hamburg , Berlin und die mit Recht so beliebte kleine deutsche Residenzstadt", das ist anscheinend völlig einerlei. find immer dieselben, unmöglichen Herrschaften, denen man hier wie dort im Lustspiel be gegnet: eine Internationale der Komödie, die, über Raum und Zeit erhaben, sich mit den ehrwürdig ältesten Späßen erluftigt. Die Handlung" des Jeromeschen Stückes ist ein typisches Beispiel.
-
Miß Hobbs, dieser sinnig gewählte Name, mit den verschiedensten Accenten des Abscheus ausgesprochen, wirkte im ersten Aft als einer der vornehmlichsten Heiterfeitserreger soll vermutlich so etwas wie ein modernes Weib" sein. Sie verachtet die Männer, sucht Ver lobungen und Heiraten ihrer Freundinnen auseinanderzubringen, verführt sie zur Anlegung der revolutionärsten Radfahrkostüme und bellagt im allgemeinen die Sllaverei" ihres Geschlechts. Gleich in den ersten Scenen zeigen sich die verhängnisvollen Folgen ihrer Thätig
"