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Als die Zengen folches vernahmen, gingen fie in fich und er- Kleines Kleines Feuilleton.

Tannten, daß niemand unschuldiger sei als ihr teurer Bladita Petro­witsch Ljekosch und niemand verruchter als der Dieb des Hammel­fells und der Hehler, der Staatsanwalt. Und sie thaten sich zusammen und tuschelten miteinander und berieten, was sie vor Gericht aus fagen sollten.

Der Tag der Gerichtsverhandlung fam heran. Ganz Montenegro war in dem Saal versammelt.

Mit edlem Anstand erhob sich nach Verlesung der Anklage Wladita Petrowitsch Vjekosch und sprach etwa wie folgt: Ein nichts würdiger Bursche hat mich verleumdet, daß ich einen Hammel ge­stohlen, und man hat zum Beweise mir gewiffenlos das Hammelfell entwendet. Ich erkläre offen und laut: Ich habe den gammel nicht gestohlen. Ich habe den Hammel meines Freundes überhaupt niemals gesehen, geschweige, daß ich ihn gestohlen und aufgegehrt hätte. Wie sollte ich auch meinen liebsten Freund bestehlen, sein Vertrauen so gröblich täuschen! Außerdem lag die Sache so: Ich hatte erfahren, daß jemand den Hammel meines Freundes zu stehlen beabsichtigte. Da hielt ich es für eine Pflicht der Freundschaft, ihn vor diesem Schaden zu bewahren. Ich nahm den Hammel vorläufig in mein Haus, so war er vor den Nachstellungen des Diebes gerettet. Endlich erkläre ich noch, daß es eine Ehrensache jedes redlichen Staatsbürgers ist. sparsam zu sein, keine Schulden zu machen, Hämmel find aber für mich Armen unbezahlbar teuer, und so ich den Hammel, den ich umsonst erlangt hatte. So handelte ich, ein Ritter ohne Schuld und Fehle, ein fernhafter Sohn Montenegros . Während ich aber dermaßen tugenhaft verfuhr, haben meine An­fläger sich der schlimmsten Missethat schuldig gemacht. Der Elende ist ja leider nicht zu ermitteln gewesen, der mir das Fell verbreche­risch gestohlen hat. Muß dieser schamlose Schuft aber auch deshalb ftraflos bleiben, so ist noch schlimmer als der Dieb der Hehler, der ein auf solche Weise gestohlenes Gut gegen mich zur Anklage zu verwenden wagt. Ich kehre die Anklage wider meinen Feind. Der größte Lump ist der Hehler des Hammelfells. Ihn müssen wir zur Verantwortung ziehen.

Damit spuckte Betrowitsch entrüstet vor dem Staatsanwalt

aus und setzte sich unter dem tofenden Beifall des Publikums auf

feinen Blaz. siber

Die Zeugen wurden aufgerufen:

eg. Die schwere Laft. Auf dem letzten Abfatz blieb sie noch einmal stehen und rang nach Atem. Ihre kleine gebückte Gestalt brach fast zusammen unter der schweren, hochgetürmten Kiepe. Sie griff nach dem Geländer, als brauchte sie einen Halt, aber der Billeteur schrie sie an:" Na man rasch, rafch! Wie lange wollen Se'n stehen und' n Weg versperren?" Da fuhr sie zusammen, gab der Kiepe einen Ruck und sticg. die Treppe hinauf. Haftig, mit fleinen Trippelschritten eilte sie über den Perron nach der nächsten Bant. Da ließ sie die Kiepe mit einem Seufzer vom Rücken gleiten und stellte sich daneben. Zu seßen wagte sie sich offenbar nicht, es faßen auch so viel feine Damen auf der Bank. Sie" war ein fleines altes Bauernweibel, dicht an die sechzig, vielleicht auch schon drüber. Die Haut gelb wie Bergament, voll tiefer Runzeln; Sonne und Wind hatten ihre Runen hineingegraben. Unter dem bunt geblümten Kopftuch sah nur spärliches Haar hervor. Sie seufzte noch einmal aus tiefster Brust und rieb die Hände, beim Halten der dicken Kiepenbänder waren sie ihr ganz erklammt.

Die feinen Damen betrachteten fie voll Neugierde. Sie hatte so etwas andres, als die Menschen, die man hier alle Tage jah. Sie tam offenbar weit her, das bunte Kopftuch, die weite Jacke, der tief gefältete turze Stock verrieten noch ein Stückchen Bolks­tracht. Die junge Frau mit dem kleinen Knaben sagte:" Ach lieber Gott, folche schwere Kiepe!" Man hörte es aber ihrer Stimme an, daß sie mehr aus Neugierde, als aus Teilnahme anzuknüpfen suchte. Die Alte fchien das nicht zu empfinden, sie lächelte beinahe erfreut: Dat soll woll finn." Mit der Redseligkeit der Landlente fing fie gleich an zu erzählen. Bun de Halle fam id raff, is bannig schwer bet all, joa! jea!"

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Die Dame lachte gleichfalls; die originelle Sprache amüsierte fie:" Haben wohl tüchtig eingekauft, Mutterchen, was? Ja, dann hat man zu tragen!"

Die Alte nickte:" Juföpt, joa, joa!" Sie hob das rosa Tuch, das über die Kiepe gedeckt war, ein wenig hoch; es lagen viele hand Bengrollen, eine Puppenwiege und ein Stoß Teller, aus einer Bacete darin, zwischen leeren Marktkörben und einer Holztonne aller­schweren Rolle stieg ein pitanter Duft, es waren offenbar feine Würste

darin.

Der erste erklärte: Bei Gott , Petrowitsch ist unschuldig. Er hat die Wahrheit gefagt. Hier giebt es nur zwei Schurken, der Die andern schauten auch, der Herr lachte: Des is ja' n janzes leider unbekannte Dieb des Felles und der noch schlimmere Hehler. Warenlager, Mutterken, da woll'n Se wohl Hochzeit feiern in Buxtehude ?" Damit spuckte er vor dem Staatsanwalt heftig aus. Der zweite beschwor: Niemals hat der Himmel eine größere fie weiter:" Intöpt, joa allens inköpt fors Schloß, blos dat, dat, Die Alte verstand den Spott faum. Glüdselig plapprig erzählte Gemeinheit gesehen, wie diesen Versuch, mittelst eines infam ge= stohlenen Felles einen Ehrenmann ins Unglück zu stürzen. Der Dieb dat Tellerzeigs, dat is for Pastorsch und dat, dat fors fleene ist nicht zu ermitteln. Aber den Hehler haben wir Ihn treffe die Frölen." Sie hob das Puppenbett an: for Enspekters fleenet Schärfe des Gejeyes. h fndu Frölen." Sie sind wohl Botenfrau?" fragte die Dame.

Damit ipudte er vor dem Staatsanwalt heftig aus. Der dritte sagte aus: Wie können wir noch in Ruhe unfree Hämmel efsen, wenn wir nicht sicher find, daß uns das Fell gestohlen wird, um darauf eine falsche Auflage zu begründen! Pfni über den Hehler, der mit solchen Mitteln chrliche Leute verleumdet!

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Damit spuckte er vor dem Staatsanwalt heftig aus. Der vierte sprach: Ich sehe, hier nur einen Miffethäter das ist der Hehler des gestohlenen Hammelfells. Nieder mit ihm! Damit spuckte er vor dem Staatsanwalt heftig aus. Der fünfte deklamierte mit gerührter Stimme: Es ist wahrlich ein Zeichen von der Zeiten Schmach, daß es so tief gesunkene Menschen giebt, die sich nicht scheuen, Hammelfelle stehlen zu lassen, um den Unschuldigsten aller Sterblichen zu verfolgen.

Damit spuckte er vor dem Staatsanwalt heftig aus.

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Die Alte sab sie einen Moment verständnislos an; dann schien sie zu begreifen, sie schüttelte lebhaft den Kopf:" No, no, nich dat fien. No, dat is man, dat ick all Sonnabend nach der Halle fahre, zu mein Dochter Kräuter bringen, un dat ich dann mitbringen muß, un de Fru hett ufschrieben un de Pastorsch, un demn töp ick dat in."

Aber schwer zu tragen haben Sie," meinte eine Dame. Ist Ihnen denn das nicht zu schwer?" Die Alte warf einen nach­denklichen Blick auf die Kiepe: Nu joa, dat soll woll sien! Abersch nee und da heraus, da hebb ich noch zu loofen eene janze jute Stunde über die Heede ." Mit der großen Kiepe?" Die Dame schlug die Hände zu­ſammen.

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Die Alte seufzte: Joa, un mannichmal da is datt so naß, un

Der sech ste schrie nur aus heiserer Kehle: Pfui und spuckte man kann nich vorauf vor oll Modder, un der Wind pluschtert een vor dem Staatsanwalt seine ganze Galle aus. all jroad ins Jesichte." Sie nickte vor sich hin. Das Zengenverhör war beendigt.

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Jetzt richtete sich der Staatsanwalt stolz und zornig auf und begann zu sprechen: Man fälscht hier die Wahrheit. Nicht handelt es sich um das gestohlene HammelfelII, sondern um den gestohlenen Hammel. Das Fell ist nur das notwendige Be­weisstück, um den Schuldigen des Hammeldiebstahls zu überführen. Der Mann, der mir das Fell brachte, hat sich ein hohes Verdienft

um den Staat, um Recht und Gesez erworben. Das Fell zeugt unentiunbar wider den Hammeldieb. Alſo halte ich meine Auflage in vollem Umfange aufrecht: Wladika Petrowitsch Ljekosch ist über­führt des Diebstahls eines Hammels.."

or adfo

Weiter konnte der Staatsanwalt nicht reden. Die Menge im Saal brach in ein furchtbares Toben aus. Tausende Menschen schrien zugleich: Hehler, Hehler, ehler!

Dann stürzte sich die Menge auf den Staatsanwalt, und das eingeschüchterte Gericht fonnte nichts andres thun, als in rasch ge­ändertem Verfahren den Staatsanwalt wegen Hehlerei eines gestohlenen Hammelfells zu verurteilen. Wladita Petrowisch Ljekosch verließ im Triumph den Saal. Aus seinem Gefängnis petitionierte der Staatsanwalt an das Parlament. Vergebens! Das Parlament ging einstimmig über die Betition zur Tagesordnung über: Eine Person, die sich eines offen­fundig gestohlenen Hammelfelles bediene, um den Diebstahl eines Hammels festzustellen, verdiene feine Milde...

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Das ist meine montenegrinische Geschichte. Ich füge erläuternd hinzu, daß sie teine Moral hat. Joc.

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Daß Sie das noch so können, Mütterchen!" bewunderte die junge Frau. Herrgott solche schwere Kiepe, und die schleppt sie einfach auf'm Rücken. Wenn ich mal bloß drei Pfind Fleisch nach Hauſe tragen soll, thut mir der Arm schon weh!"

Nein das könnte ich auch nicht," stimmte eine andre bei, so fchivere Lasten ist unsereins gar nicht gewöhnt! Die Alte nickte:" Joa, joa, die feinen Frölens, die hebben nich heben, denn fallen's schon um. Und

Kraft nich, und wenn je wat be so schwat, de dragt nich' n Stuhl unjer Frölen von't Schloß,

nich-- von's Schloß in'n Garten."

Es trat eine Pause ein.

Der Herr fing zuerst wieder an:" Na Mutterchen, da kriegt Ihr wohl aber'n Heidengeld? Was bringt denn so jede Fahrt nach Berlin ?" Vom Schloß' n Dahler, von Pastorsch' n Dahler, was?"

Aber sie fiel ihm rasch ins Wort: Ach ja,' n Dahler! Un de Bastorsch hält ma blo'n Dopp Kaffee warm und de Fru jiebt' n Fünfjroschenstück und' ne Stulle für zu Hause."

" Dafür würde ich's nicht machen," sagte die junge Frau.

Nu joa, ich bring doch bloß mit, weil ich all Somabendsch nach de Halle fahr." Die Alte schien die Empörung der andren nicht zu begreifen. Ach anjeh, da timmt er!" Sie wies auf den 3ng, der eben hereinbranste. Mit einem raschen Ruck riß sie die Kiepe auf den Rücken mid hastete nach der vierten Klasse, die auf der Bank sahen ihr nach:" Sie ist ganz frumm gezogen," sagte die junge Frau. Eigentlich ist es ein Skandal: Fünf Groschen' n Topf Kaffee und' n Busterbrot, und dafür läßt die Gesellschaft das alte Mütterchen fich pudeln."