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nur

ein zuverlässiges Erkennungsmittel, um diese Richtungen zu scheiden. Hieraus erklärt es sich, daß die berühmtesten Vertreter des spanischen Mystizismus im Stampfe standen mit der Inquifition, wenigstens so lange, bis ihre Lehren von Nom anerkannt wurden. Ja, Ignatins von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, wurde am Beginne feiner Laufbahn zweimal von der Inquifition verhaftet, und ähnlich ging es manchem andren, der nachher von der römischen Kirche Heilig gesprochen wurde.

Jahrhunderte langer geistiger Stnechtung. und das Korn Wahrheit in

der Waren gestatten durften, bevor sie sich nicht überzeugt hatten, der spanischen Litteratur. Während in Frankreich und in England daß verbotene Bücher und Zeitungen an Bord nicht zu finden seien. Philosophie, Geschichte, schöne Litteratur blühten, war in Spanien der Die legerischen" Staufleute, vor allem die Engländer mußten fich Friede des Kirchhofs eingekehrt. in der Theorie derartige Besuche immer gefallen lassen, aber in der Nicht nur die modernen Ideen wurden verfolgt, auch alle die Pragis fonnten fie fich durch Bestechungen dieser unerwünschten Be- religiösen Richtungen innerhalb des Katholizismus, die denselben zu fuche erwehren. Dieses erfolgreiche System von Bestechungen führte vertiefen fuchten, die aus den frömmsten und unzweifelhaft rechts zu dem Scherze, daß die fremden Seeleute das Santo Officio( das gläubigen Motiven hervorgegangen waren. Diejenigen Männer, die heilige Amt der Juquisition), Santo Ladrocinio( heiliger Diebstahl) die Frömmigkeit und die Gottesanbetung auf die höchste Stufe bringen bezeichneten. wollten, wurden genau so verfolgt, ihre Werke ebenso unterdrückt, ivie Der Jnder der spanischen Inquisition, das Verzeichnis der von die Schriften eines Luthers, eines Calvins und andrer Gegner des ihr verbotenen Bücher, ist eine noch bedeutend intereffantere Leftüre, Katholizismus. Freilich, in der Theorie erklärte die Inquifition, als der heute noch existierende viel berühmtere und oft citierte daß man bei frommen Richtungen sehr schwer Heiligkeit von frevel­Inder des des heiligen heiligen Stuhls und der früher auch be hafter Gesinnung unterscheiden könne. Wohl gäbe es heilige Lente, deutungsvolle der Pariser Sorbonne( der Pariser Universität). die wirklich von göttlichen Eingebungen erleuchtet find, aber auch der Denn die beiden legt erwähnten enthalten blos die Namen Satan erleuchte, und dann gäbe es auch Menschen, welche gerade der verbotenen Bücher, während die spanische Inquisition durch die übertriebene Frömmigkeit zu täuschen suchten. Es fehle in ihren Verzeichnissen auch die Stellen angab, welche getilgt werden müßten, wenn ein verdächtiges Buch verkauft werden dürfte. Die Cenjur der Juquifition verfchärfte sich im Laufe der Zeit; Bücher, deren Vertrieb in Spanien in früherer Zeit gestattet waren, wurden später untersagt. Im Jahre 1640 wurden z. B. die Schriften des großen deutschen Humanisten Erasmus verboten, desselben Erasmus, der nicht bloß ein Günstling Karls V. war, sondern den sogar der Kardinal Alfons Manrique, des Erzbischofs von Sevilla und General­inquisitor mit dem heiligen Augustin und andren Heiligen verglichen So sehen wir in Spanien alles unterdrückt, was nicht bis auf hatte. Die spanische Bibelübersetzung, die Alfons X. die Alfons X. von die unbedeutendste Kleinigkeit mit den herrschenden Anschauungen Castilien im 13. Jahrhundert veranlaßt hatte, wurde im des Staates und der Inquisition übereinstimmute. Jahrhundertelang 16. Jahrhundert verboten, ebenso wie der Koran . Nicht währte dieser Druck; noch hat Spanien sich von demselben waren die Schriften aller Reformatoren, wie Luthers nicht erholt, noch leidet es schwer unter den und Zwinglis verboten, genau ebenso wie die Schriften gegen den Folgen Sicher ist es falsch, katholischen Glauben war alles verpönt, was gegen das monarchische Interesse in Spanien geschrieben wurde; so z. B. selbst eine Schrift trieben, wenn man den politischen und den wirtschaftlichen Nieder­der Falschheit ift über­des Historikers Mariana über die Münzpolitik. Spaßhaft ist, daß im gang Spaniens , wie dies von liberalen Hiftorifern früher geschehen Jahre 1642 die Pamphlete gegen den allmächtigen Minister Olivarez ist, auf die Inquifition und auf das Walten des Katholizismus verboten wurden und im Jahre 1643, nach dem Sturze desselben, alle zu seinen Gunsten geschriebenen Werke. Wie man von Philipp II. zurückzuführen sucht, aber sicher hat dem spanischen Volke die fagen konnte, er fei päpstlicher als der Bapst gewesen, so Inquifition die schwersten Wunden geschlagen, ficher ist es, daß eines gilt das Gleiche der begabtesten Völker, das zu den größten Erwartungen berechtigte, auch von der spanischen Inquisition; der Jnder der römischen Kirche, der von dem Kardinal geistig gefickt wurde durch das Bündnis der Unduldsamkeit, das der kollegium in Rom hergestellt wird, war noch immer liberaler panische Absolutismus mit der Inquifition geschlossen hat und das als der Index der Inquisition . Während in Rom die göttliche noch heute nachwirkt. Komödie" von Dante erlaubt war, wurde sie im 17. Jahrhundert wegen dreier Stellen in Spanien verboten. Vielfach wurde von den Inquifitoren zwischen den Zeilen gelesen, Gründe des Verbots ge= funden, die fern ablagen von den Absichten eines Verfassers. Dies schuf selbst bei den frömmsten und loyalsten Schriftstellern Unsicher= heit und das mußte auf die Entwickelung der ganzen Litteratur wirken. Ist es ja bekannt, daß selbst Cervantes eine Stelle im zweiten Teile feines Don Quixotes streichen mußte, obgleich feine Rechtgläubigkeit und Harmlosigkeit über allem Zweifel erhaben war. unter den Titel Der Kuß und seine Geschichte" Dr. Christoph Nyrop, k. Die Wissenschaft vom Kuß . Ein sehr amüsantes Buch hat Die Verteidiger der Inquifition können für ihr Verfahren an- Professor der romanischen Philologie an der Universität Kopenhagen , führen, daß bis ins 19. und 20. Jahrhundert hinein von bürgerlichen erscheinen lassen. Der Verfasser warnt seine Leser zwar zu Beginn Gewalten in fatholischen und nichtkatholischen Reichen in gleicher vor der Gefahr, über dieses schöne Thema überhaupt etwas zu lesen, Weise verfahren wurde, wie von der spanischen Inquisition. Unter aber dann behandelt er den Gegenstand mit großer Freiheit und Napoleon III. herrschte auch die Censur, vor allem über Schriften, Unparteilichkeit. Von den vielen angeführten Definitionen, was ein die aus dem Auslande eingeführt wurden, bei denen man auch sich Kuß ist, feien einige wiedergegeben. So sagt Baul Verlaine:" Der nicht scheute, die der Regierung unliebsamen Stellen unleserlich zu Stuß ist die feurige Begleitung auf der Tastatur der Zähne zu den machen. In Rußland Herricht heute noch die strengste Censur im lieblichen Liedern, die die Liebe einem brennenden Herzen fingt." Lande, alle aus dem Auslande kommenden Zeitungen und Bücher Ein lateinisches Epigrammi lautet: Was ist süßer als Meth? Der müssen, soweit sie überhaupt eingeführt werden dürfen, an denjenigen Tau des Himmels. Und was ist füßer als Tau? Honig vom Hybla. Stellen geschwärzt" werden, wo über Rußland nicht zur Freude der Was ist füßer als Honig? Nektar. Als Nektar? Ein Kuß." Auch der Regierung berichtet wird. Noch entschiedener geschieht die Ab- den Kuß begleitende Ton ist von vielen Völkern und Dichtern unter­Sperrung von der Litteratur des Auslandes in der Türkei . Der fucht und in der Regel humoristisch oder satirisch erklärt Judex der römischen Kirche ist heute noch in Kraft und worden. So sagt Johannes Jörgensen : Das Plätschern der Wellen für alle rechtgläubigen Katholiken maßgebend. In Destreich existiert noch das objektive Verfahren, das mit der Cenjur eng ver­wandt ist. Auch in Deutschland erfreuen wir uns noch lange nicht der vollen Preßfreiheit. Sicherlich kann die Censur die Entwicklung des menschlichen Geistes, das Hervortreten von Richtungen, die den Herrschenden Gewalten unbequem sind und gefährlich werden können, nicht verhindern; Rußland ist hierfür der beste Beweis, wo immer von neuem revolutionäre Ideen auftauchen und Anhänger gewinnen. Aber der schwere Druck, den die Censur ausübt, die gesteigerten Schwierigkeiten, den Massen Aufklärung und neue Ideen zuzuführen, ist in Rußland wie in Spanien nicht zu leugnen.

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Kleines Feuilleton.

A. B.

gegen die Strandtiefel ist wie der Klang langer Küsse." In dem " Tagebuch des Verführers" von Sören Kierkegaard spricht Johannes von den Brautpaaren, die sich zahlreich bei seinem Ontel zu ver fammeln pflegten: Ohne Unterbrechung hört man die ganzen Abende hindurch einen Klang, als ob jemand mit einer Fliegenflappe umberginge: das sind die Küsse der Liebenden." Noch drastischer ist der deutsche Ausdruck: Der Kuß tönte, als wenn eine Kuh ihr Hinterbein aus einem Sumpf zieht", und ein alter dänischer Aus­druck lautet: Er füßte sie so, daß es gerade so flang, als wenn man die Hörner niedergeworfener Kühe abschlägt. Auf den Lippen jedes Mädchens figt der Kuß wie eine Rose, die fich nur danach Spanien , das am Ausgange des Mittelalters eine glänzende sebut, abgepflückt zu werden." So sagte man im Mittel Litteratur besaß, sah sie verdorren, sah die Wissenschaft zu Grunde alter. Wenn die franzöfifchen Dichter Dichter ein schönes und gehen. Selbst eine so unpolitische Wissenschaft wie die Philologie begehrenswertes Weib schilderten, jagten fie von ihrem litt schwer unter den Verfolgungen der Inquifition, noch mehr Mund, er müsse wohlgeformt und süß zum Küssen sein." Was die natürlich die Geschichtswissenschaft. Man begnügte sich nicht, Frauen von einem Ruß erwarten, ist schwieriger zu beautivorten; Schriften zu prüfen und zu verbieten, man verbot sogar die Fort aber es ist allbekannt, daß sie einem bärtigen Mann den Vorzug fegung begonnener Werke. Dies erduldeten noch im Jahre 1779 die Verfasser einer spanischen Litteraturgeschichte. Die spanische Litteraturgeschichte ist gleichzeitig eine Martyriologie der spanischen Schriftstellerei. Fast alle Großen der spanischen Litteratur und Wissenschaft find mit der Inquifition in unangenehme Berührung ge­tommen. 8um mindesten mußten sie bei jedem Wort, das sie nieder schrieben, Rücksicht nehmen auf die Stimmung der heiligen Väter von der Inquifition". So manches blieb ungeschrieben, oder zum mindesten ungedruckt mit Rücksicht auf die geistliche Cenjur. Die Glanzzeit der Inquisition , ihre höchste Macht, fällt zusammen mit dem Tiefstande

geben. So heißt es von einem Heidnden in einer rumänischen Ballade: Ich bin noch zu jung zum Heiraten, mein Bart ist noch nicht gefproßt. Welche verheiratete Frau würde mich denn lüssen?" Denselben Geschmack findet man bei den Frauen des nördlichen Europa . In Deutschland fagt man z. B.: Ein Kuß ohne Bart ist ein Gi ohne Salz." Die jungen Holländerinnen meinen dasselbe, ebenso heißt es auf den friesischen Inseln, und auf Jutland kann man hören: Ein Kuß ist nicht nur ein Klang, er muß auch Ge­schmack haben, er muß träftig und süß sein." Oder: Einen Burschen ohne ein Priemchen Tabak und ohne

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