Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 39.

Dienstag, den 25. Februar.

( Nachdruck verboten.

Foma Gordjejew.

39] Roman von Magim Gorki. Deutsch von Klara Brauner Von den dunkeln Lippen des Paten ergossen sich wie ein schneller, glitzernder Strom die Foma bekannten, knarrenden, doch selbstbewußten und gewandten Reden. Er hörte nicht zu, von dem Gedanken an die Freiheit erfaßt, die ihm so leicht erreichbar erschien. Dieser Gedanke hatte sich ihm ins Hirn eingenistet, und in seiner Brust wuchs immer mehr der Wunsch, seinen Zusammenhang mit diesem trüben, langweiligen Leben, mit dem Paten, den Dampf­schiffen, der Börse und den Orgien zu zerreißen, mit allem, in dessen Mitte sein Leben so schwül und eng war.

Die Worte des Alten drangen wie aus der Ferne zu ihm sie verschmolzen mit dem Klirren des Geschirrs, dem Schlurren der Füße der Kellner auf dem Fußboden und mit dem Schreien der Betrunkenen. Nicht weit von ihnen saßen vier Kaufleute an einem Tisch und stritten laut:

Zwei und ein Viertel, da kannst Du Gott   danken!" ., Luka Mitritsch! Wie geht denn das?"

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"

Biete ihm zweieinhalb!"

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,, Er hat recht! Das mußt Du ihm geben... Das ist ein schöner Dampfer und fährt schnell...

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Brüder! Ich kann nicht. Zwei und ein Viertel!" Und dieser ganze Unfinn in Deinem Kopf stammt von Deiner jungen Wildheit!" sagte Majakin mit Nachdruck und tlopfte dabei mit der Hand auf den Tisch." Deine Bravour ist nichts als Dummheit; alle Deine Worte sind leeres Ge­schwät. Willst Du vielleicht ins Kloster gehen? Oder, wie die Räuber, auf die Landstraße?"

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1902

Was Sie wollen!" sagte Foma mit einer Hand­bewegung.

"

Also, ich will folgendes: ich kehre nach Hause zurück und werde mich bemühen, daß man Dich für verrückt erklärt und ins Jrrenhaus sperrt."

Geht denn das?" fragte Foma mißtrauisch, doch schon mit Angst in der Stimme.

Bei uns geht alles, mein Lieber."

" Ja...

Foma senkte den Kopf, blickte dem Paten finster ins Gesicht und fuhr bei dem Gedanken zusammen:

,, Er läßt mich einsperren... ihm wird's nicht leid thun ,, Wenn Du Dich ernstlich widersetzt, muß ich auch ernstlich handeln... Ich habe Deinem Vater das Wort gegeben, Dich auf die Füße zu stellen. Und ich werde Dich hin­stellen, wenn Du aber nicht stehst, werde ich Dich in Eisen schmieden Dann wirst Du schon stehen Ich weiß aber, daß alle diese Deine heiligen Worte eine schlechte Laune nach dem Rausch sind... Wenn Du das aber nicht sein läßt, wenn Du Dein sfandalöses Leben weiter führst und das vom Vater erworbene Vermögen aus Uebermut verschleuderst, werde ich Dich bis über den Kopf zudecken; ich werde eine Glocke über Dich schmieden lassen. Es ist sehr unbequem, mit mir zu scherzen."

Majakin sprach sehr freundlich. Die Furchen auf seinen Wangen hatten sich alle nach oben verzogen, und die Augen lächelten spöttisch und falt aus ihren dunklen Säcken hervor. Und auf der Stirn bildeten die Runzeln ein seltsames Muster, das sich bis zur Glaze hinauf erstreckte. Sein Gesicht war unbeugsam und unbarmherzig, und Fomas Seele wurde von Bangigkeit und Kälte angeweht.ad du bintig

" Ich kann also nirgends hin?" fragte Foma düster. Sie versperren mir alle Wege?"

Foma hörte zu und schwieg. Der Lärm, der um ihn schwirrte, schien ihm immer ferner zu rücken. Er sah sich in der ,, Es ist ein Weg da; geh' ihn nur! Und ich werde Dich Mitte einer ungeheuren, geschäftigen Menschenmenge; die führen. Da kannst Du ruhig sein, es wird mit Sicherheit Menschen rennen herum, ohne daß man weiß weshalb, und geschehen! Du wirst auf dem Platz anlangen, auf den Du friechen aufeinander, ihre Augen gloßen gierig, sie brüllen, gehörst."

schimpfen, fallen, drücken einander und stampfen alle auf Dieses Selbstbewußtsein, dieses ununterbrochene Prahlen demselben Platz herum. Er fühlt sich schlecht unter ihnen, brachten Foma auf. Er steckte die Hände in die Taschen, weil er nicht begreift, was sie wollen, an ihre Worte nicht um den Alten nicht zu schlagen, richtete sich auf und sagte glaubt und fühlt, daß auch sie selbst an sich nicht glauben ihm ins Gesicht, indem er die Zähne aufeinanderpreßte: und nichts begreifen. Und wenn man sich aus ihrer., Warum prahlen Sie immer? Womit hast Du zu Mitte Iosreißen kann, in die Freiheit, auf den Rand prahlen? Wo ist denn Dein Sohn? Was ist mit Deiner des Lebens geht und sie bon dort aus betrachtet, Tochter? Ach Du... Lebensfünstler Du! Nun, Du bist dann kann man alles begreifen. Dann begreift man auch, i.: flug, Du weißt alles... Sag', wozu lebft Du? Wozu was fie brauchen, und sieht, wo man seinen Platz unter speicherst Du Dein Geld auf? Wirst Du denn nicht sterben? ihuen hat. Also wie ist's dann? Du hast mich gefangen genommen, hast " Ich verstehe ja," sagte Majakin schon sanfter, da er mich überfallen und bezwungen... Warte noch; vielleicht Foma nachdenklich sah und glaubte, er denke über seine fomme ich noch los! Es ist noch nicht zu Ende! Ach Du! Worte nach, Du willst glücklich sein... Ja, mein Freund, Was hast Du in Deinem ganzen Leben gemacht? Was wird das läßt sich nicht so schnell erhaschen... Man muß man Dir nachsagen? Der Vater hat ein Haus gebaut, und danach suchen, wie nach einem Pilz im Walde, man muß was hast Du gethan?"

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seinen Rücken beugen... und wenn man es gefunden hat, Majatins Runzeln zuckten und senkten sich alle, was muß man nachsehen, ob es kein Giftpilz ist." seinem Gesicht einen kränklichen, weinerlichen Ausdruck verlieh. Er öffnete den Mund, sagte aber nichts und blickte sein Tauf­kind erstaunt und fast ängstlich an.

Werden Sie mich also befreien?" fragte Foma und erhob plötzlich den Kopf. Majakin wich seinem flammenden Blick aus.

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,, Vater! Wenn auch nur für kurze Zeit Lassen Sie mich aufatmen, lassen Sie mich vor alledem zur Seite treten!" bat Foma. Ich werde mir ansehen, wie alles vor fich geht... und dann... Sonst werde ich ein Trinker werden."

... Sprich feinen Unsinn! Was stellst Du Dich blöde?" schrie Majakin zornig auf.

Wie kannst Du Dich rechtfertigen?" fragte Foma leise, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

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Schweig, Grünschnabel!" sagte der Alte und musterte den Saal mit einem erregten Blick.

" Ich habe alles gesagt! Und jetzt geh' ich! Halte

mich!"

Foma erhob sich vom Sessel, stülpte sich seine Mütze auf den Kopf und blickte den Alten voll Haß an.

Geh murich, ich werde Dich fangen! Es wird so, wie ich will!" sagte Jakow Tarassowitsch mit schwankender Stimme.

Nun gut!" antwortete Foma ruhig. Gut! Sie wollen nicht? Dann wird nichts aus mir werden! Ich werde alles verschleudern! Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Adieu! Ich gehe jegt ans Werk Sie werden sehen! Sie werden Ihre Freude haben... es wird alles in Dunst auf- thun!" gehen!"

Und ich werde mich amüsieren! Ich werde alles ver­

Gut; wir wollen sehen!"

,, Adieu, Du Held!" sagte Foma lächelnd.

Auf baldiges Wiedersehen! Ich lasse von dem meinigen

Foma war ruhig und sprach mit Sicherheit; er glaubte, daß, wenn er das beschlossen hatte, der Pate ihn daran nicht hindern konnte. Doch Majakin richtete sich auf und nicht ab; ich liebe es, ich liebe auch Dich. Das machi nichts, sagte einfach und ruhig:

,, Weißt Du, was ich mit Dir thun fann?"

Du bist ein lieber Bursche!" sagte Majakin leise und als fehle ihm der Atem.