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Aber ach! es wird noch schlimmer, wenn dieses Tier zu feiner Kraft noch ein wenig Vernunft hinzufügt und sie einer Disciplin unterwirft! Glauben Sie mir, er wird auch dann nicht aufhören, Standale anzustiften, daß werden aber schon Geschichtsereignisse sein. Gott behüte uns vor solchen Er­eignissen! Denn sie werden aus dem Streben des Kauf mannes nach Macht entspringen, sie werden die Allmacht dieses Mannes zum Ziel haben, und der Kaufmann wird bei der Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Zieles keine Rücksicht nehmen."

Nun, was sagst Du, stimmt das?" fragte Jeschot, als er die Zeitung zu Ende gelesen und sie beiseite warf.

Wir wollen sehen," stimmte Jeschow zu.

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Dieser fleine, vom Leben zerschundene Mann war ein Säufer. Sein Tag begann damit, daß er des Morgens beim Thee die Lokalblätter überflog und dabei aus den Notizen der Berichterstatter das Material für sein Feuilleton schöpfte, das er gleich am Rande des Tisches abfaßte. Dann eilte er in die Redaktion und stellte dort aus den Aus­schnitten auswärtiger Zeitungen die Bilder aus der Pro­binz" zusammen. Am Freitag mußte er das Sonntags­Feuilleton schreiben. Für alles das zahlte man ihm monat lich hundertfünfundzwanzig Rubel; er arbeitete rasch und widmete seine ganze freie Zeit der Besichtigung und " Ich verstehe das Ende nicht," erwiderte Foma. Aber dem Studium der Wohlfahrts- Einrichtungen" wie er das von der Kraft ist richtig. Worauf soll ich meine Kraft es nannte. Er irrte zusammen mit Foma bis tief verwenden, wenn niemand sie beansprucht! Ich sollte... mit in die Nacht in den Klubs, Hotels und Gasthäusern Räubern fämpfen oder selbst ein Räuber sein... über- herum und schöpfte über herum und schöpfte überall Stoff für seine Auffäge, haupt irgend etwas... Großes thun. Und das müßte die er Bürsten zur Reinigung des gesellschaftlichen Ge­nicht mit dem Kopf, sondern mit den Armen und der wissens" betitelte. Den Censor nannte er den ueberwacher Brust geschehen. Und dabei soll man an die Börse gehen der Verbreitung der Wahrheit und Gerechtigkeit im Leben," und zusehen, daß man einen Rubel gewinnt. Und die Zeitung hieß die Kupplerin", die die Bekanntschaft des wozu braucht man ihn? Und wie ist es denn eigentlich? Lefers mit den schädlichen Ideen" vermittelt," und seine Ist denn das Leben für alle Zeiten so eingerichtet? Mitarbeiterschaft daran bezeichnete er als den Detail­Was ist das für ein Leben, wenn alle stöhnen und verkauf der Seele" und als das Unterfangen, sich gegen es allen darin eng ist? Das Leben muß doch nach dem Ge- die göttlichen Einrichtungen aufzulehnen." Foma konnte schmack der Menschen sein. Wenn es mir enge ist, muß ich schwer unterscheiden, wann Jeschow scherzte und wann es ausdehnen, damit darin mehr Raum ist. Man muß es er ernsthaft sprach. Er sprach über alles eifrig und leiden­also niederreißen und umbauen. Aber wie? Das ist eben schaftlich und griff alles scharf an. Das gefiel Foma. der Haken für mich. Was muß man thun, damit das Aber oft, wenn er die Rede voll Begeisterung begonnen Leben freier wird? Ich verstehe das nicht und stehe hier am Ende." hatte, widerlegte er ebenso leidenschaftlich seine eignen " Ja- a!" sagte Jeschow . So weit bist Du also ge- Worte und schlug sich selbst oder schloß mit irgend einer tommen! Das ist recht, Bruder! Ach, Du solltest etwas lernen!| komischen Wendung. Es schien dann Foma, dieser Mensch Wie steht's bei Dir mit den Büchern? Liest Du etwas?"

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Nein, ich liebe das nicht... ich lese nicht." ,, Darum liebst Du es auch nicht, weil Du nicht liest". " Ich fürchte mich sogar zu lesen... Ich kenne hier femand. für sie ist das Lesen schlimmer als das Trinken für den Säufer! Und was hat man von den Büchern? Jemand denkt sich etwas aus und läßt es drucken, und die andern lesen es. Wenn es interessant ist, dann ist es gut. Daß man aber aus den Büchern lernt, wie man zu leben hat, das ist schon etwas ganz Sinnloses. Das hat ja ein Mensch und nicht Gott geschrieben, und was für Gefeße und Beispiele kann denn der Mensch selbst für sich feststellen?"

Foma fühlte sich sehr wohl, da er sah, daß Jeschow ihm aufmerksam zuhörte und jedes Wort, das er sagte, abzuwägen schien. Da Foma sich zum erstenmal im Leben so behandelt sah, teilte er seinem Kameraden seine Gedanken frei mit ohne

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habe nichts, was er liebte, was tief in ihm säße und ihn be­herrschte. Nur über sich selbst sprach er mit einer ganz be­sonderen Stimme, und je eifriger er von sich sprach, desto schonungsloser und boshafter schimpfte er über alle und über alles. Auch seine Beziehungen zu Foma waren zweispältig- manchmal ermutigte er ihn und sagte zu ihm, am ganzen Körper bebend:

Nur los! Widerlege und stürze alles, was Du kannst! Stoße mit der ganzen Bruſt nach vorwärts! Es giebt nichts, was mehr Wert hätte als der Mensch, wisse das! Schreie mit aller Kraft: Freiheit! Freiheit!" ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

nach Worten zu suchen, denn er fühlte, jener würde ihn ver- Ein Spiritist als Miniffererzieher.

stehen, weil er ihn verstehen wollte.

Das Kleine Malheur der Blumenjongleurin Rothe liefert augen Du bist wirklich ein interessanter Bursche," sagte blicklich allen ungläubigen Spaßvögeln reichlichen Stoff, um sich über Jeschow zwei Tage nach ihrer Begegnung zu ihm. Und das Geisterbeschwören und ähnlichen faulen Zauber luftig zu machen, obgleich Du schwer sprechen kannst, fühlt man in Dir doch wie er gegenwärtig einmal wieder bei einem erheblichen Teile der Der spiritistische bieles, vor allem einen großen Mut des Herzens. Wenn Du oberen Zehntausend zum guten Ton gehört. nur ein wenig Kenntnis von den Einrichtungen des Lebens auch aus den saftigen Eintrittsgeldern, die das verunglückte Medium umpit ist eine specifisch aristokratische Liebhaberei. Das erhellt ja hättest! Dann würdest Du, glaube ich, recht laut sprechen... Rothe von ihren Berehrern eingefact hat. Es ist aber schon eine ja- al alte Erfahrung, daß derartiger Aberglauben sein dankbares Publikum Man kann sich aber doch mit Worten nicht reinigen... findet in absterbenden Gesellschaftsschichten, die den Glauben an sich und nicht befreien," bemerkte Foma seufzend. Du hast ein- selbst, wie jeden andren inneren Halt verloren haben und mal von den Menschen gesprochen, die heucheln, daß sie alles darum allerlei merkwürdige Stigel in ihrem nobelen Spleen ges wissen und können. Ich kenne auch solche Menschen zum Beispiel mein Bate gegen die sollte man fämpfen... sie der Lüge überführen. Sie sind ein recht schäd­liches Volk!" " Ich kann mir nicht vorstellen, Foma, wie Du leben fannst, wenn Du das beibehältst, was Du jetzt in Dir trägst," fagte Jeschow nachdenklich.

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,, Es ist mir schwer zu leben... Ich habe feine Aus­dauer in mir... Im Augenblick könnte ich schon etwas thun... Ich verstehe sehr gut, daß das Leben allen schwer und eng ist, und daß auch der Pate sich dessen bewußt ist ich weiß es! Doch er zieht daraus Nugen. Er fühlt sich wohl in der Enge; er ist wie eine scharfe Nadel und fann überall durch dringen, wohin er will. Und ich bin ein großer, schwerer Mensch. darum ersticke ich! Darum lebe ich auch wie ge­fesselt. Ich könnte mich ja mit einem Schlag frei machen: ich müßte meinen Körper nur ordentlich ausstrecken dann wären alle Fesseln gesprengt!"

,, Und was dann?" fragte geschow.

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Dann?" Foma sann nach und machte dann eine Geste der Resignation. Ich weiß nicht, was dann wird... das werde ich schon sehen!"

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brauchen.

Zumal in den letzten Jahrzehnten vor der großen französischen Revolution war der Spiritismus eine so verbreitete Sache in den feinsten Kreisen und bei gottbegnadeten Fürstlichkeiten, daß man ihn unter die Verfallssymptome und unter die Vorboten der nahenden Sündflut rechnet. Der bekannteste Geisterbeschwörer des 18. Jahr hunderts ist jener Italiener Cagliostro, der ein Lebenseligier entdeckt hatte zur Verlängerung des irdischen Daseins bis auf ausgerechnet 5557 Jahre, seine Gläubigen mit den Geistern von Heinrich IV. , Boltaire und Rousseau zu Tische lud, unter ungünstigen Umständen freilich auch anstatt der versprochenen Engel Affen erscheinen ließ, bis trieb, und er schließlich im Sterker der Inquifition zur Ruhe tam. ihn seine Verwicklung in die Halsband- Affaire aus Frankreich ver­Wer sich über das Treiben dieses Großtophta" unterrichten will, lese Goethes gleichnamiges Schauspiel, worin die Schilderung des spiritistischen Schwindels dem Cagliostro 'schen Original naturgetreu nachgebildet ist.

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Der Großtophta war nur einer unter bielen, die gleichzeitig anderswo ihr Wesen hatten. In Schweden z. B. ließ sich König Gustav III. von seinem Sekretär Björnram mit Citierungen er­lauchter Ahnen mystifizieren, bis es dem Leibarzt Sven Hedin ge lang, den Gauner zu entlarven. von Preußen hat sich während seiner ganzen Regierungszeit in Und König Friedrich Wilhelm II. dem Banne Johann Rudolfs von Bischofswerder befunden, der mit seinen Geisterbeschwörungen in Sanssouci es zuwege