Unterhaltungsblatt des Worwärts Nr. 47. Freitag, den 7. März. 1902 (Nachdruck verboten.! 471 Govdjejeiv. Nomon von M a x i in G o r k i. Deutsch von Klara Brauner Wenn Foma. von den brennenden Funken der Jechowschen Worte entzündet, davon zu träumen begann, wie er damit beginnen würde, jene Menschen zu widerlegen und zustürzen, die ihres Vorteils wegen das Leben nicht erweitern wollen, unterbrach Jeschow ihn oft: Laß das! Du kannst nichts s Solche Menschen wie Du kann man nicht gebrauchen. Eure Zeit, die Zeit derer, die stark, aber nicht klug sind, ist vorüber. Bruder! Du hast Dich verspätet. Du hast keinen Platz im Leben!" Keinen Platz? Du lügst!' schrie Foma auf, vom Wider- spruch gereizt. Nun, was kannst Du?" .Ich?" Ja, Du!" Ich werde Dich zum Beispiel totschlagen." Ach, Du Narr I" sagte Jeschow überzeugt und bedauernd und zuckte die Achseln.Ist denn das etwas Rechtes? Ich bin so wie so schon halb tot vor Wunden." Und dann flammte er in verzweifelter Bosheit auf, zuckte zusammen und sagte: Mein Schicksal hat mich zu kurz kommen lassen! Warum habe ich mich erniedrigt, indem ich das Almosen der Menschen annahm, warum habe ich zwölf Jahre nacheinander wie eine Maschine gearbeitet? Um zu lernen. Warum habe ich jahrelang im Gymnasium und auf der Universität rast- loS den trockenen, langweiligen, für mich gnnz unbrauchbaren Schund und das von Widersprüchen erfüllte Zeug verschluckt? Um Feuilletonist zu werden, um tagaus, tagein Possen zu treiben, das Publikum zu amüsieren und mich selbst zu über- zeugen zu suchen, daß das notwendig und nützlich sei. Wo ist das Schießpulver meiner Jugend? Ich habe die ganze Ladung meiner Seele verschossen, den Schutz für drei Kopeken. Was für einen Glauben habe ich mir angeeignet? Nur den Glauben daran, daß nichts in diesem Leben etwas taugt, daß alles zerstört und vernichtet werden muß. Was liebe ich? Mich selbst, und ich fühle, daß der Gegenstand meiner Liebe ihrer unwürdig ist. Was kann ich thnn?" Er weinte fast und betastete mit seinen dünnen, schwachen Händen seine Brust und seinen Hals. Aber manchmal kam ein Andrang von Lebensmut über ihn und er sprach in einem andren Ton: Was mich anbelangt, so ist mein Lied noch nicht zu Ende! Meine Brust hat vieles eiuacsaugt, und ich iverde wie eine Peitsche durch die Luft sausen! Warte, ich werde die Zeitung beiseite schieben, werde etwas Ernstes beginnen und ein kleines Buch schreiben... Ich werde esDie Seelenmesse" nennen. Es giebt ein solches Gebet, das man den Sterbenden vorliest. Und diese Gesellschaft, die vom Fluch der inneren Kraftlosig- keit getroffen ist, wird vor dem Tode mein Buch wie Weih- rauch aufnehmen." Foma verschlang jedes Wort, beobachtete ihn, verglich seine Reden und sah, daß Jeschow ein ebenso schwacher und vcrirrter Mensch war, wie er selbst. Aber Jeschows Stimmung steckte Foma noch immer an, seine Worte bereicherten seine Sprache und manchmal bemerkte er mit freudigem Erstaunen. wie gewandt und mächtig er den einen oder andern Gedanken ausdrückte. Manchmal traf er bei Jeschow seltsame Menschen, die wie es ihm schien, alles wußten, alles begriffen, allem wider- sprachen und überall Betrug und Falschheit sahen. Er be- obachtete sie schweigend und lauschte ihren Worten; ihre Keckheit gefiel ihm, doch etwas Herablassendes, Stolzes in ihrem Verhalten ihm gegenüber beengte ihn und stieß ihn ab. Außerdem fiel es ihm sehr auf, daß in Jeschows Zimmer alle klüger und besser waren, als auf der Straße und in den Hotels. Sie hatten besondere Gespräche. die sie im Zimmer führten, besondere Worte und Gesten, die außerhalb des Zimmers durch das Gewöhn- lichste und Menschlichste ersetzt wurden. Manchmal, wenn stc in Jeschows Zimmer Ivaren, flammten sie alle wie ein großer Scheiterhaufen auf, und Jeschow war die grellste Flamme in ihrer Mitte, doch das Leuchten dieses Feuers erhellte das Dunkel von Foma Gordjejews Seele nur schwach. Einmal sagte Jeschow zu ihm: Heute amüsieren wir uns. Unsre Setzer haben eine Genossenschaft gebildet und bekommen beim Verleger die ganze Arbeit im Accord. Aus diesem Anlaß wird getrunken, und ich bin dazu eingeladen ich habe das Ganze vor- geschlagen. Wollen wir gehen? Du mußt sie gut be- Wirten." Gut!" sagte Foma, dem es gleichgültig war, mit wem er seine Zeit, die ihm zur Last ivar, verbrachte. Am Abend dieses Tages saßen Foma und Jeschow in der Gesellschaft von Menschen mit gewöhnlichen Gesichtern außer- halb der Stadt, an der Lichtung eines Haines. Es waren etwa zwölf Setzer dabei; sie waren anständig gekleidet und benahmen sich gegen Jeschow einfach und kameradschaftlich; dieser Umstand wunderte Foma ein wenig und machte ihn verlegen, da in seinen Augen Jeschow trotz allem für diese Menschen eine Art von Chef und Meister war, während sie seine Untergebenen waren. Sie schienen Gordjejew nicht zu be- merken, obgleich, als Jeschow sie mit Foma bekannt machte, sie alle ihm die Hand drückten und sagten, daß sie sich freuten, ihn zu sehen. Er legte sich abseits unter einen Haselstrauch und beobachtete alle, da er sich in dieser Gesellschaft fremd fühlte und bemerkte, daß auch Jeschow sich wie absichtlich von ihm fern hielt und ihm auch wenig Beachtung schenkte. Ihm fiel bei Jeschow etlvas Seltsames auf. Der kleine Feuilleton- schreiber schien den Ton und die Sprechweise der Setzer nach- ahmen zu wollen. Er machte sich mit ihnen zusammen am Feuer zu schaffen, entkorkte die Bierflaschen, schimpfte, lachte laut und gab sich jede Mühe, ihnen ähnlich zu sehen. Er war auch einfacher gekleidet als sonst. Ach, Brüder!" rief er mit Bravour aus.Ich fühle mich so wohl bei Euch I Auch ich bin ja kein großer Vogel, ich bin nur der Sohn des Gerichtsdieners und Unteroffiziers Matwej Jeschow!" Wozu sagt er das?" dachte Foma.Kommt es denn darauf an. wessen Sohn man ist? Man wird doch nicht nach dem Vater, sondern nach dem Verstand geehrt." Die Sonne ging unter, und auch am Himmel flammte ein ungeheurer, feuriger Scheiterhaufen, der die Wolken goldig und blutig färbte. Aus dem Walde roch es feucht, die Stille wehte herüber, und an der Lichtung bewegten sich lärmend die dunkeln Gestalten der Menschen. Einer davon, ein kleiner, magerer Mann mit einem breiten Strohhut, spielte Harmonika , ein andrer, mit einem sch Warzen Schnurrbart und niit der Mütze im Nacken, sang halblaut dazu. Zivei audre zogen an einem Stock, um ihre Kraft zu erproben. Einige Setzer waren bei den Körben mit Bier und Eßwaren be- schäftigt, ein großer Mann mit einem halbergrauten Bart warf Zweige in das Feuer, das von schwerem, Iveißeu Rauch umhüllt war. Die feuchten Zweige quietschten kläglich und knisterten im Feuer, die Harmonika spielte herausfordernd eine lustige Melodie, und die Falsettstimme des Singenden ver- stärkte und vervollständigte ihr lautes Spiel. Abseits von allen, am Abhang eines kleinen Dammes, hatten sich drei junge Burschen gelagert, und vor ihnen stand Jeschow und sprach laut: Ihr tragt die heilige Fahne der Arbeit, und ich bin ebenso wie Ihr der Soldat derselben Armee, wir alle dienen ihrer Majestät der Presse und müssen in treuer, einiger Freundschaft leben." Das stinimt, Nikolai Matwejitsch!" unterbrach ihn eine tiefe Stimme.Und wir wollen Sie bitten, wirken Sie auf den Verleger ein! Beeinflussen Sie ihn! Man kann Krankheit und Betrunkenheit nicht verlvechsel». Nach seinem System ist es so: Wenn einer von den Kameraden betrunken ist. wird ihm zur Strafe sein Tageslohn abgezogen, ist er aber krank, soll dasselbe geschehen. Wir könnten im Fall der Krankheit eine Bestätigung von: Doktor bringen, damit es sicher ist, und der Verleger sollte, wenn er gerecht sein will, dem Vertreter des Kranken wenigstens die Hälfte des Lohnes zahlen. Sonst ist es uns schwer, wenn zum Beispiel drei auf einmal krank werden..."