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Das Schweigen wurde von Jakow Majakins leiser, feltfam jezt keine Zeit, davon zu sprechen. Sage lieber, womit tonloser und zitternder Stimmie gebrochen:

,, Du bist alt geworden, Taraẞ."

Der Sohn lächelte schweigend dem Vater ins Gesicht und musterte ihn mit einem raschen Blick vom Kopf bis zu den Füßen.

Der Vater riß die Hände von den Pfosten Tos, schritt dem Sohn entgegen und blieb plötzlich mit einem finsteren Gesicht stehen. Jezt kam Taraẞ Majakin mit einem einzigen großen Schritt auf den Vater zu und streckte ihm die Hand entgegen.

,, Nut... ... wollen wir uns füssen!..." schlug der Vater leise vor.

Die beiden Männer umschlangen sich krampshaft mit den Armen, füßten einander fest und traten zurück. Die Runzeln des älteren zuckten, das trockene Gesicht des jüngeren war unbeweglich und fast streng. Das Küssen hatte an der äußeren Seite dieser Scene nichts geändert, nur Ljuba schluchzte freudig auf, und Foma rückte auf seinem Sessel schwerfällig hin und her, da er fühlte, daß ihm der Atem ſchwerfällig hin und her, da er fühlte, daß versagte.

Du Dich in diesen Jahren beschäftigt haft. Wie bist Du in die Sodafabrik geraten? Wie hast Du Dich fortgebracht?"

" Das ist eine lange Geschichte!" sagte Taraẞ seufzend und begann langsam, nachdem er eine ungeheuere Rauch­wolfe herausgeblasen hatte: Als ich die Erlaubnis erhielt, in der Freiheit zu leben, trat ich ins Comptoir des Verwalters der Remesowschen Goldgruben ein."

" Ich kenne sie, das sind steinreiche Leute! Es sind drei Brüder, ich kenne sie alle! Der erste ist ein Krüppel, der zweite ein Dummkopf und der dritte ein Geizhals. Erzähle weiter!"

" Ich habe zwei Jahre lang bei ihm gedient und habe dann seine Tochter geheiratet!" erzählte Taraß mit heiferer Stimme. Die Tochter des Verwalters? Das war nicht dumm." Taraß wurde nachdenklich und schwieg eine Weile. Der Alte blickte in sein trauriges Gesicht und verstand den Sohn. ,, Du hast also mit Deiner Frau glücklich gelebt," sagte er." Was ist denn da zu machen? Der Tote gehört ins Paradies, und der Lebendige muß weiterleben. Du bist ja nicht gar so alt. Bist Du schon lange Witwver?"

Ach, ihr Kinder, ihr seid die Wunden des Herzens und nicht seine Freude", klagte Jakow Tarassowitsch mit schriller Das dritte Jahr."

,, Sie gehört meinem Schwiegervater."

Stimme, und er hatte wohl vieles in diese Worte hinein- So? Und wie bist Du in die Fabrik gekommen?" gelegt, denn gleich darauf begann er zu strahlen, nahm eine strammiere Haltung an und sagte niit gehobener Stimme, indem er sich an feine Tochter wandte:

Und Du bist vor Rührung ganz zerflossen! Also tummle Dich und richte für uns etwas her... Thee und was dazu gehört... Wir wollen den verlorenen Sohn be­wirten! Du hast wohl vergessen, Alter, wie Dein Vater aussieht?"

Taraz Majakin sah seinen Vater mit dem sinnenden Blick seiner großen Augen an und lächelte schweigend; er war ganz schwarz gekleidet, so daß das graue Haar auf seinem Kopfe und in seinem Bart noch krasser abstach.

,, Nun, seze Dich! Erzähle, wie Du gelebt und was Du gethan haft? Wohin schaust Du? Ah! Das ist mein Tauf­find... Ignat Jgnat Gordjejews Sohn, Foma... Kannst Du Dich an Ignat erinnern?"

" Ich kann mich noch an alles erinnern," sagte Taraß. So? Das ist gut, wenn es nicht bloße Brahlerei

Nun, bist Du verheiratet?"

" Ich bin verwitwet."

" Hast Du Kinder?"

,, Sie sind gestorben, ich habe zwei gehabt."

Scha- ade! Ich hätte Enkel gehabt!"

" Darf ich rauchen?" fragte Taraz den Vater.

Nur los! Sieh' mal an, Du rauchst ja Cigarren!" ,, Lieben Sie das nicht?"

ist.

" Ich? Nur los, mir ist es ganz einerlei. Ich meine nur, daß eine Cigarre so herrschaftlich aussieht."

,, Und warum sollte man sich geringer als die Herrschaften schätzen?" sagte Zaraß lächelnd.

-

" Schätze ich uns denn geringer?!" rief der Alte aus. " Ich habe es nur so gesagt, mir kommt das komisch vor. So ein solider Alter, mit einem Bart nach der ausländischen Manter und mit einer Cigarre zwischen den Zähnen. Wer ist das? Mein Sohn ha- ha- ha!" Der Alte stieß Taraß in die Schulter und sprang von ihm zurück, als fürchte er, seine Freude sei zu frühzeitig, und als zweifle er, ob er diesen halbergrauten Mann richtig behandelte. Und er blickte forschend und mißtrauisch in die großen Augen des Sohnes, die von gelblichen Wülften umringt waren.

Taraß lächelte den Vater freundlich und herzlich an und fagte sinnend zu ihm:

" So sind Sie mir im Gedächtnis geblieben, lustig und lebhaft. Es ist, als hätten Sie sich im Laufe dieser Jahre nicht im geringsten verändert."

Der Alte richtete sich stolz auf und sagte, indem er sich mit der Faust auf die Brust schlug:

" Ich werde mich niemals verändern! Denn das Leben hat keine Macht über den Menschen, der sich seines Wertes bewußt ist! it's so?"

,, O! Wie stolz Sie sind!"

" Ich bin wohl meinem Sohn nachgeraten!" sprach der Alte mit einer schlauen Grimasse. Weißt Du, Bruder, mein Sohn hat siebzehn Jahre aus Stolz geschwiegen."

" Das war deshalb, weil der Vater ihn nicht hören wollte," berichtigte Taraß.

Schon gut! Vergessen wir, was gewesen ist. Wir haben

es

den

in

,, So ist's! Wie viel bekommst Du dort?"

"

Ungefähr fünftausend Rubel."

,, Hm, das ist kein trockener Bissen.-a! So weit hat also der Zuchthäusler gebracht!"

Taraß blickte den Vater fest an und fragte ihn trocken: ,, Sagen Sie einmal warum glauben Sie, daß ich bei Zwangsarbeiten war?"

Der Alte blickte den Sohn voll Erstaunen an, das bald Freude überging.

"

Also wie war's? Jst's nicht so?"

,, Der Kuckuck hol's!"

Erzähle, wie es war! Sei nicht beleidigt! Kann man denn daraus flug werden? Es heißt nach Sibirien ! Nun, und dort sind die Zwangsarbeiten!"

-

Um das ein für allemal festzustellen," sagte Taraß ernst und mit Nachdruck, indem er sich mit der Hand aufs Knie flopfte, werde ich Ihnen jezt gleich erzählen, wie sich das alles zutrug. Ich war für sechs Jahre als Ansiedler nach Sibirien verschickt und lebte während der ganzen Verbannungs­zeit im Lener Gebirgskreis. Außerdem war ich neun Monate in Moskau im Gefängnis, das ist alles!"

"

,, So ist es! Warum hieß es denn anders?" murmelte Jakow Tarassowitsch freudig und verwirrt.

Man hat hier dieses sinnlose Gerücht verbreitet." " Das stimmt schon, daß es sinnlos ist," sagte der Alte

bedauernd.

,, und hat mir dadurch einmal sehr geschadet." ,, Wirklich? Jst's möglich?"

" Ja! Ich war im Begriff, meine Geschäfte zu be ginnen, und habe aus diesem Grunde meinen Kredit ein­gebüßt."

"

Bfui!" fagte Jakow Majakin und spuckte erbittert aus. Solche Teufel! Da soll einer nur reden!"

Foma saß in seiner Ecke, hörte die ganze Zeit über auf­merksam dem Gespräch der Majakins zu, beobachtete unaus­gesetzt den Neuangekommenen und blinzelte verblüfft mit den Augen. Da ihm Ljubas Verhalten ihrem Bruder gegen­über im Gedächtnis und er von ihren Erzählungen über Taraß einigermaßen beeinflußt war, erwartete er, in ihm Ungewöhnliches etwas zu finden, das den andren Menschen nicht ähnlich sah. Und vor ihm saß ein solider, dicker Mensch, der tadellos gekleidet war, strenge Augen hatte, dem Vater sehr ähnlich sah und sich nur durch die Cigarre und das schwarze Bärtchen von ihm unterschied. Er sprach furz, fachlich und von ganz gewöhnlichen Dingen- was war denn das Ungewöhnliche an ihm? Jetzt begann er, dem Vater von den Vorteilen der Sodaproduktion zu erzählen. ( Fortsegung folgt.)

Sonntagsplanderri.

Der Märchenbrunnen im Friedrichshain läßt wieder seine Wasser springen. Ihn braucht kein Stadtbaumeister nach fürstlichem Ge­schmack zu modeln, kein Freisum hat es nötig, sich der gebieterischen