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träge zu irgend welchen moralischen Texten find. Die poetische Form dient da als bloße Maskerade für die Gedanken.
Das Märchenstück des Herrn Möller ist ein hervorragend verunglücktes Exemplar dieser inglücklichen Gattung. Es gemahnt in feiner gezierten Einfachheit an die Paul Thumannschen Jllustrationen feligen Angedenkens. Frau Aune, die blonde Gemahlin eines irgendwo Herrschenden Königs, der auf den Namen Astolph der Große hört, hat ein Mädchen Namens Jaira geboren, den Jubegriff alles Köstlichen und Schönen. Das ganze Leben des Hofes dreht sich um dieses unser gnädiges Kindchen." Um uns das klar zu machen, braucht's einen ganzen Aft.
Die Handlung des zweiten Aftes, der mit einem überaus geschickt inscenierten Kinderreigen einsetzt, besteht dann darin, daß die kleine Jaira hinter den Coulissen von einer giftigen Schlange gestochen wird und stirbt. Die des Dritten darin, daß Frau Anne, mit Gott und Welt zerfallen, im Traum den Himmel und im Himmel ihr Kind sieht. Was übrigens den Himmel betrifft, so hatte Herr Ober- Inspektor Brandt ihn prächtig in modern secessionistischem Geschmack eingerichtet: Eine in iubestimmten Weiten verdämmerud Landschaft, vorn schlank aufstrebende, weiß stämmige Bäume und hochgewachsene Lilien, zwischen denen weiß gekleidete Engel hin und wiedergehen. Als die kleine Jaira, von Betrus herbeigeführt, die Mutter erkennt, tröstet sie dieselbe mit etwas altflug flingender Engelweisheit. Es machte einen recht peinlichen Eindruck das Kinderstimmchen in feierlichen Heilsarmeemanieren wieder und wieder erllären zu hören: Ich bin in Gott und Gott in mir. Dann ertärt fie, fie habe schon oft um die Mutter herningeschiebt und am nächsten Tage werde sie ihr dreimal erscheinen.
Im letzten Aft wartet Frau Aune, zum erstenmal wieder festlich angethan, in fieberhafter Erregung auf die Verheißung. Es kommt ein Bettlerkind, dann eine Bettlermutter, einem Säugling in Arm, die mit kleiner Gabe abgefunden werden, endlich ein Brief aus der fernen Heimat, in der Annes Mutter schreibt: Gott ist in der Liebe. Und nun wird ihr die Erleuchtung zu teil. Das waren die Erscheinungen, in der ihr Kind ihr hatte nahen und sie zu einem neuen Leben dienender, werkthätiger Hilfeleistung hatte mahnen wollen. Es trifft sich, daß in demselben Augenblick auch ein Bote von Astolph dem Großen anlangt mit der Nachricht, der Feind sei aufs Haupt geschlagen und vierzig Dörfer lägen eingeäschert. Ein Priester doch vermutlich einer von denen, die für die blutigen Siege ihres Landesherrn den Segen Gottes in der Kirche herabgebetet haben appelliert darauf im Namen eben dieses Gottes mit fulminanter Rede an Annes landesmütterliches Herz". Und siehe da, sie, die Landesmutter" drückt das Kind der Bettlerin an ihr Herz und all den Leuten aus den vierzig Dörfern wird geholfen werden!
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Händel , zumal bei der gauz zaghaften Verwendung der Orgel, streckenweise in der Luft zu schieben scheint. Freilich erzielt dieser Purismus an günftig gearteten Stellen wundervolle Wirkungen: im Josua" ist gegen Ende der dreiteilige Chor mit den paar Begleittönen der Orgel, an deren Stelle erst zum Abschluß ein gewaltiges Orchesterpauten tritt, von einem ganz eigenartigen Zauber. Gerade an diesem Oratorium Händels, einem seiner spätesten, hat Chrysander durch verändertes Gewicht der einzelnen Bestandteile eine besonders intereffante Eigenarbeit geleistet.
Herr Musikdirektor C. Mengewein führte uns am Sonntag im Namen des Ausschusses zur Veranstaltung von Bolts aufführungen" den ofna und Othniel " vor ( wie das Werk bei Chrysander heißt), und wird ihn am nächsten Freitag nochmal bringen. Der Grundzug von Händels Schaffensart ist wuchtig- gewaltige Größe; die magere, mehr auf Slangfeinheiten ausgehende Chrysanderung nimmt davon ein gut Stüd weg; bleibt für den Dirigenten die besondere Aufgabe, in den Vortrag hinreißende Wucht, erschütternden Gigantentritt hineinzulegen. Herr Mengewein hat sich mit der Zusammenhaltung seiner Musiker und mit der Herausarbeitung vieler Feinheiten ein beträchtliches Berdienst erworben, darf aber doch gebeten werden, bei der Wiederholung sowie bei späteren ähnlichen Veranstaltungen gewichtiger, energischer, temperamentvoller ins Zeug zu gehen. Vor allem waren einige Zeitmaße zu langjam: so der Marich zu Anfang des zweiten Teiles( man laffe sich nicht durch die Bezeichnung Grave" tänfchen), der zweite Chor im 3. Teil und einigermaßen auch der dritte Chor darin. Ferner müßten doch Stücke wie die Kriegerische Musik" gegen Ende des zweiten Aftes und der Chor zu Anfang des dritten Teiles mit schärferen Taft- Accenten genommen werden. Ueber die Mitwirkenden urteilen wir am besten dadurch, daß wir die eine treffliche Sängerin, die Aftistin Martha Stapelfeldt, weiterer Aufmerkiamkeit empfehlen.
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Hätten wir das Chroniſteninteresse für die eingehende Behand lung fleiner Tagesereignisse, so würden wir im Augenblick viel zu thun bekommen. Das Opernhaus hat wieder einmal eine Premiere verschieben müssen und begnügte sich am neulichen Freitag mit der Neueinstudierung eines Einafters„ Mara". Der Kom ponist, Ferdinand Hummel ( geb. 1855), nicht zu ver wechseln mit dem Klassiker- Epigonen J. N. Hummel ( 1778-1837), konnte für die freundliche Wiederaufnahme seines, einer solchen ents schieden würdigen, Werkchens persönlich danken. Er hat einen grustigen Blutrache- Stoff mit einer Musik von sozusagen ,, tüchtiger älterer Art" versehen, die doch vor scharfer Charakteristik nicht zurückscheut. Mit einer verhältnismäßig guten Leistung von Fräulein Rothauser in der Titelrolle ging denn auch die Aufführung ( Dirigent: von Strauß) befriedigend ab. Von der daran an Die Verse sind genau so schemenhaft, so dum und abgegriffen, geschlossenen Wiedergabe der„ Cavalleria rusticana " Mascagnis läßt wie die Fabel felbst, ein klingendes Reimspiel, deffen Monotonie nirgends sich besonders über eine ſorgiame Regie berichten. Die zum Schluß durch ein überraschendes. eigen geprägtes Wort von tieferem Slange gegebene Slawische Brautwerbung", ein typisches älteres Ballett unterbrochen wird. Aber die Proja in einzelnen, offenbar scherzhaft( Dirigent: Steinmann) wurde heruntergegeigt, wie man eben gemeinten Scenen ist noch schimmer wie diese Poesie. Trotz alledem: etwas heruntergeigt. das Publikum des Schauspielhauses war hochzufrieden mit dem Poeten. Wan fand die Kinder allerliebst, den Himmel reizend, Frau Anne mit den langen blonden Haaren äußerst rührend und klatschte voll Begeisterung Beifall. -dt.
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Musik.
Notizen.
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SZ.
c. Der Riesenerfolg eines Romans. 500 000 Egemplare wurden von dem Roman David Harum" des Amerikaners Edward Noyes Westcott verkauft, ein Erfolg, der fast dem von„ Onkel Toms Hütte" gleichkommt. Der Dichter schrieb das Buch, während er an einer unheilbaren Strautheit litt. Sechs Verleger hatten das Buch zurückgewiesen! Erst der siebente, die Firma Appleton and Co., nahm es au. Westcott konnte noch die Korrektur lejen; dann starb er. Von dem Buch sind bis jetzt 650 000 Eremplare gedruckt.
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F
- Die Schiller Theater Filiale im Friedrich Wilhelm städtischen Theater beginnt am 1. September ihre Spielzeit; das Personal des Schiller- Theaters wird für diese Bühne durch Neuengagements verstärkt werden.
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In jeglicher Pflege der redenden Künste wird stets die schivierige Frage wiederkehren, ob man ältere Werke möglichst so aufführen foll, wie sie zu ihrer Zeit aufzuführen waren, oder so, wie es den gegen wärtigen Darstellungsmitteln entspricht. Sollen wir für Shakespeare die altenglische Bühne mit ihrer primitiven Scene wiedererwecken oder ihn im Stil der Meininger wiedergeben? Wenn wir ihn in unsrer Sprache, mit unsrer Bildung usw. hören, so wird es wohl nur Konsequenz sein, ihn auch sonst zu modernisieren? Für die Musik liegen ähnliche Probleme bei den Oratorien von Händel ( 1685 bis 1759) vor, die noch dazu oft so dürftig überliefert find, daß es ohne Bearbeitung nicht abgeht. Da sind nun mehr oder minder üppige Modernisierungen unausbleiblich. Der feinsinnige Liederkomponist Robert Franz hat die Hälfte seines Lebensivertes auf solche Her stellungen verivendet, zu großem Verdruß der historisch" gesinnten Gegner. Jedenfalls ist zu bedauern, daß wir Franzsche Bear beitungen selten zu hören bekommen. Die entgegengefegte Richtung hält an der geschichtlichen Trene" fest und will gerade das Primitive der Alten möglichst zur Geltung bringen; beispielsweise läßt man hier die Bläser während einer Gesangsstelle schweigen, wo der Modernisierer sie mispielen heißt. Der vor einigen Monaten verstorbene Chrysander, der fast seine ganze Lebensarbeit der Pflege Händels gewidmet, gab sich viele Mühe, Händelsche Oratorien im historischen Sinne zu bearbeiten und in eigner Werkstätte zu stechen; doch hat der stille Gelehrte diese Arbeiten der Veröffent lichung entzogen, so daß bei den jezt häufiger werdenden Händel Aufführungen nach Chrysander die Noten aus dem Familienbefit erbeten werden. Natürlich hatte nun auch wieder der Altertümler die Gegner auf dem Hals: angenommen, daß es mit der historischen Echtheit wirklich stimme, so fomme doch ein so dünner Klang heraus, daß wir Hörer von heute unbefriedigt bleiben. Ich möchte noch besonders auf den Mangel an Klangfülle in den tiefen Lonlagen hinweisen; gerade darin ist aber das Instrumentieren seit jener Beit beträchtlich fortgeschritten, so daß uns ein ChrysanderBerantwortlicher Redacteur: Carl Leib in Berlin . Drud und Berlag von Mag Bading in Berlin .
- Die Elf Scharfrichter " veranstalten ihre Aufführungen im Künstlerhaus am 10., 11., 13., 14., 15. und 16. April. Subskriptionen werden nur bis zum 5. April berücksichtigt.
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Das neue Leipziger Schauspielhaus wird am 10. September mit Schillers Demetrius" in der Laubeschen Bearbeitung eröffnet werden. Die öffentliche Hauptprobe zum 10. Sinfonie abend der fgl. apelle findet am 27. März, abends 71/ 1hr, statt. Zur Aufführung gelangt Beethovens„ Neunte Sinfonie." A. Goodvich schildert in Worlds Work" den ungeheuren Aufschwung, den der Tabafbau in Connecticut dadurch ge= nommen, daß man die Felder mit Zeltdecken überwölbte. Unter diesen Zelten herrscht beständig eine tropische Wärme. Der Regen dringt nur in Gestalt eines feinen Nebels hindurch und die Insektenplage ist auf ein Minimum reduciert. Der unter diesen Zelten ges zogene Tabak, der dem besten von den Sunda- Inseln gleichfomnt, trägt ca. 2/2 Shilling pro Pfund, während der draußen gezogene kaum einen Shilling einbrachte. Die Errichtung eines solchen Belts daches, daß auf 200 Pfosten ruht, kostet per Acre 50 Pfund, doch hofft man durch diese Einführung eine neue Aera in der Tabakkultur eingeleitet zu haben.-