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ein faul und mühsam krabbelndes Tier, das die Augen kaum aufmachte und seine schwachen Krallen ganz ohne Zwed ausstreckte, ein Käßchen, das in den Korb zu seiner Mama gehört hätte. Lone Sahib packle es am Genick und übergab es dem Hausknecht, damit er es ertränke. Der Diener wurde mit vier Annas beschwichtigt.
Als Lone Sahib an diesem Abend in seinem Zimmer saß und las, schien es ihm mit einem Male, als ob sich etwas auf dem Kaminteppich bewege, außerhalb des Lichtkreises, den die Lampe warf. Als das Ding anfing zu miauen, erkannte er, daß es ein Kätzchen war, ein kleines weißes Käßchen, fast noch blind und in höchst elendem Zustande. Er wurde ernstlich wütend und schalt ärgerlich den Diener, der ihm jedoch sagte, daß keine Kaze im Zimmer gewesen sei, als er die Lampe hereingebracht habe; und bei wirt lichen Katzen von so zartem Alter wäre überdies gewöhnlich die Mutter in der Nähe.
Wenn der Gebieter auf die Veranda hinausgehen und horchen will," sagte der Diener, wird er nirgends eine Kaße hören. Wie können also das Käßchen auf dem Bett und das Kätzchen auf dem Teppich wirklich Kazen sein?"
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Dann nur zugegriffen," mahnte die Tante.„ Ihr wißt dann wenigstens gleich, wovon Ihr leben könnt!" Aber doch nur nicht in' ner Bäckereifiliale!" Lotte fuhr auf: Wo Papa schon Rentier war, soll Mama in' ne Bäckereifiliale! So etwas Ordinäres!"
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Wenn man sein Geld verloren hat, darf man danach nicht fragen, dann heißt es leben." Die Tante machte ein ernsthaftes Geficht, dann lächelte sie plötzlich schalthaft:„ Und was findest Du denn am Zimmervermieten Feines?"
Lotte verzog das Mäulchen:„ Aber' ne Bäckereifiliale! Und es fommmen mur Dienstmädchen hin und man soll womöglich noch mit jeder reden. In die Zimmer kann man doch vornehme Herren nehmen. Bei der Frau Müller unter uns wohnte mal' n Doktor, und dann hat ihn Fräulein Müller geheiratet."
„ Ach und Du willst auch heiraten," die Tante lachte; selbst die Mutter versuchte ein Lächeln. Aber Lotte wurde ärgerlich:" Ns, das hab' ich doch gar nicht gefagt; aber' ne Bäckereifiliale, da bekommt man überhaupt keinen feinen Mann."
Sei zufrieden, wenn Du zu leben hast," sagte die Mutter. Ich möchte überhaupt mal erst wissen, was Du für Pläne mit dem Leben hast, wir müssen doch etwas anfangen!"
„ Wir können doch aber was Feines anfangen," maulte Lotte. Du kannst ja thun, was Outel Frizz sagt," sie wandte sich zu der Tante. Er will nämlich vermitteln, daß Mama ins Bürgerwitwens Stift kommt, da hätte sie ein Zimmer für sich und Essen und alles, und wenn sie noch ein bißchen stickt, hat sie auch ihr Taschengeld, und sie braucht noch nicht mal zu sagen, daß sie für andre stickt."
Lone Sahib ging hinaus, um zu horchen, und der Diener folgte ihm, aber nirgends hörte man eine Kage nach ihren Kindern schreien. Er fehrte ins Zimmer zurück, nachdem er das Käychen den Abhang des Hügels hinuntergeworfen, und schrieb die Ereignisse des Tages zum Besten aller seiner Mitgläubigen auf. Diese Leute hielten sich für so vollständig frei von Aberglauben, daß sie alles, was nur ein wenig vom gewöhnlichen Lauf der Dinge abwich, geheimnisvoll wirkenden Kräften zuschrieben. Da es ihr Geschäft war, alles über diese Kräfte zu wissen, standen fie auf einem beinahe undelikat ver- Lotte, Du bist schrecklich," stöhnte die Mutter, jest will fie trauten Fuße mit Offenbarungen jeder Art. Ihre Briefe fielen von mich noch ins Spittel schicken; wir können doch arbeiten. In das der Zimmerdecke herab ohne Poststempel und Geister Bürgerwitwen- Stift soll ich hinein? Das wäre mir gerade, als pflegten bei ihnen allnächtlich auf der Treppe auf und nieder käme ich ins Armenhaus." zu steigen. Mit Katzen hatten sie aber noch niemals zu thun gehabt. Es wäre doch aber immer noch feiner wie' ne Bäckerfran," sagte Lone Sahib verzeichnete also alle Geschehnisse und notierte Stunde Lotte. Es kommen da auch überhaupt nur feine Frauen hin, solche, und Minute, wie es jeder ordentliche Beobachter von überirdischen die anstandshalber nicht arbeiten können. Ontel Frizz fagt: es Vorgängen thun muß. Des Engländers Brief heftete er dem Schrift- wäre noch' ne Auszeichnung, wenn Mama da angenommen wird!" stück bei, denn es war ein höchst mysteriöses Dokument und mochte Aber Du könntest doch auch nicht bei mir bleiben," schluchzte in irgend einer Beziehung zu irgend etwas in dieser oder jener Welt die Witive, was soll denn aus Dir werden?" stehen. Ein Unbefangener hätte das ganze konfuse Gewäsch vielleicht so übersetzt:„ Gebt Acht! Ihr habt Euch einmal über mich lustig gemacht, und jetzt werde ich Euch dafür herankriegen!"
( Schluß folgt.)
Kleines Feuilleton.
oe. Zukunftsträume. Früher mochte das Zimmer elegant gewesen sein, jegt sah es ziemlich leer aus. An den Wänden fehlten Bilder, auf den Dielen markierten sich die Stellen, wo ehedem
Möbel gestanden hatten. Nur der große Trumeau mahnte noch an
vergangene Pracht.
Die Tante blieb auf der Schwelle stehen und überflog mit einem langen Blick das leere Zimmer:" Die Bilder habt Ihr auch schon verkauft?"
" Ja, es bot sich gerade die Gelegenheit." Die Witwe seufzte. Ich hätte den Spiegel auch schon fortgegeben, es wollte ihn aber feiner, weil er oben rund ist."
Ach, wir geben ihn überhaupt nicht fort." meinte Lotte. " Das hab' ich Mama schon gesagt. Wir verkaufen überhaupt nichts mehr. Wie sitzt man denn schließlich da?"
Lotte nimmt es so schwer," schluchzte die Witive. " Nein, ich will bloß, daß man es ein bißchen anständig behält." Lotte rümpfte die Naje:" Das Büffett will Mama auch noch vertaufen."
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" Ich kann ja als Gesellschafterin geben," sagte Lotte. Siehst Du, Tante, das wär' doch auch fein, oder als Reisebegleiterin, und dann reise ich mit' ner feinen Dame und bleibe doch immer in guter Gesellschaft. Und nenlich habe ich gelesen,' ne Reisebegleiterin hat sich einen Bankier geheiratet; vielleicht finde ich dann auch' n reichen Mann und dann kommt Mama natürlich auch gleich wieder aus' m Stift und bleibt bei uns und wir haben alles wieder, wie es war!" ,, Gott , solche Träume." Die Mutter sah gen Himmel. Backfischideen," stimmte die Tante bei.
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Aber Lotte fuhr auf:„ Na ich hab doch aber gelesen, daß so was jagt immer, ich wäre dummstolz, ich will doch aber bloß, daß wir so passiert, und warum soll es uns denn nicht passieren? Und Mama anständig bleiben, wie wir waren."
Litterarisches.
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k. Litterarische Moden. Auch in den Nomanen giebt es Moden, so gut wie in andren Dingen. Besonders deutlich läßt sich dies, wie ein Londoner Journal ausführt, an den englischen Neuerscheinungen verfolgen. Vor einigen Jahren behaupteten die Problemromane und Novellen das Feld, Sie wurden meist von Damen geschrieben; am meisten in Erinnerung sind noch Sarah Grands Heavenly Twins", Mrs. Henry Normans Gallia", George Egertons Keynotes", Jotas" Yellow After" und Emma Brookes The Superfluous Woman" geblieben. Der Ruhm Robert Louis Stevensons brachte die Abenteuergeschichte in Mode, und viele " Ja, es wird wohl nichts andres übrig bleiben," die Mutter Dichter erwarben Ruhm und ein Bermögen dadurch, daß trocknete ihre Thränen, setzte sich auf das Sofa und zog die Ver- sie zurück zu Scott" gingen. Wohl auch von Stevenson wandte neben sich nieder: Die Trödler geben ja so wenig. Für inspiriert war die regelmäßige Verlegung des Schauplages die Saloneinrichtung habe ich hundert Mark bekommen, für die der Handlung nach Schottland , wie überhaupt die eng Bilder hundertfünfzig; wenn wir das Büffett verkaufen und den lischen Romauschreiber oft bestimmte geographische Vorlieben Pfeilerspiegel dazu, giebt es vielleicht noch mal hundertfünfzig. Das haben. Dorset ist der Schauplatz aller Romane von Thomas Hardy , wäre doch immerhin etwas und man tönnte es als Kaution stellen, Quiller Couch wählt fast unverändert Cornwall für seine Scenen, vielleicht bekäme man eine Filiale." Eden Phillpotis seine Heimat Devonshire, und W. W. Jacobs die Essertüste. Hall Caine schrieb Geschichten von der Jusel Man, Rider Haggard geht nach Afrika und Marion Crawford fast immer nach Italien , das er so gut kennt. Eine große Zahl neuerer Bücher beschäftigt sich mit der Tragödie und Komödie der Londoner Armen, was vielleicht auf George Gissing zurückzuführen ist. In Verbindung damit denkt man an Arthur Morrison , Richard Whiteing und Bett Ridge. Ju Amerika behauptet der historische Roman das Feld. Messrs. Houghton, Mifflen and Co. machen bekannt, daß sie 125 000 Exemplare der ersten Auflage von„ Audrey" herausgegeben, einem neuen historischen Roman von Mary Johnston.
" Hättest Du lieber die Möbel behalten und Zimmer vermietet," fagte Lotte.
" Ja, Lotte hat sich mm partont das Zimmervermieten in den Kopf gesetzt, aber man kann doch das nicht! Solche große Wohnung! Was kostet da nicht allein an Miete, und wenn man nun nachher alles leer behält! Was meinst Du?" Sie sah die Tante fragend an.
Die schüttelte den Kopf: Nein, mir nicht Zimmer vermieten! Nein, Lottchen, da hat Mama ganz recht, es ist viel besser, ihr seht zu, daß ihr ein fleines Geschäft bekommt. Bei einer Filiale ist wenigstens fein Risiko."
Und obenein, wo ich mich noch von früher her aufs Geschäft verstehe," nickte die Witwe. Ich hab mir auch schon ein paar Adressen aus der Zeitung notiert.
Das ist ja alles zu teuer," sagte Lotte, acht und neunhundert Mark Kaution, soviel hast Du ja doch nicht."" Es lag ordentlich eine Befriedigung in Ihrer Stimme.
„ Aber eins ist dabei, wo man nur dreihundert braucht, eine fleine Bäckereifiliale im Westen, ich hab' mich auch schon erkundigt, wir könnten fie gleich übernehmen, sie soll auch gut gehen."
Theater.
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Berliner Theater. Die Gioconda"= Tragödie von Gabriele d'Annunzio . Die„ Gioconda" ist schon früher auf Berliner Bühnen aufgeführt, deutsch und italienisch. Die Duse, die den Dichter zu diesem eigenartigen Wert inspiriert haben soll, trat in der Rolle der Silvia auf.
Damals ist viel über das Stück gestritten worden. Jedenfalls, zu einer rechten Bühnenwirkung die Aufführung im Berliner Theater bestätigt das wieder- fehlt es ihm an Reichtum der
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