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fich danach, daß der Großhändler käme; denn Fille Bumm smalerischer Einfälle, verbunden mit ftofflich juwelenhaftem fühlte sich einer Herzstärkung recht bedürftig. Reize; diese Unbefangenheit eines guten Gewissens, welches Außerdem hatte Fille Bumm noch ein andres Gefühl nichts zu vertuschen braucht; diese Farbenmusit, worin man alle bom gestrigen Tage, und zwar das, daß er der Held des Stimmen klar durchhört, vom Grundbaß herauf, haben für immer meine Liebe und Bewunderung gewonnen." Wie merkwürdig, daß Abends und die ganze Gesellschaft im Gasthof darin einig er, der ein so empfängliches Auge für diese malerischen Feinheiten gewesen war, ein Hurra auf Fille Bumm auszubringen. besaß, völlig darauf verzichtet hat, den bewunderten Alten nach­Denn Fille Bumm war am selben Tag fopfüber ein zwei aufchaffen. Stock hohes Dach hinabgepurzelt, und auf der ganzen Infel gab es keinen, der ihm das nachmachen konnte.

Das war so zugegangen: Fille Bumm hatte oben auf Kapitän Aboms Dach gesessen, um die Dachziegel auszu­bessern, die der letzte Sturm auseinandergeblasen hatte. Er faß da und rückte hin und her und plauderte mit den Leuten, die unten im Hofe standen. Denn Fille Bumms Sprach fasten war unerschöpflich und stand immer weit aufgesperrt. Aber wie Fille Bumm diesmal diskurierte, verlor er ganz plötzlich festen Fuß und begann weiter zu rutschen.

Auf dem Hofe entstand ein ungeheurer Lärm, Männer liefen einander in den Weg, und gellende Frauenstimmen freischten. Aber Fille Bumm konnte sich nicht aufhalten. Er rutschte und rutschte, und bevor er noch zehn zählen konnte, glitt er über den Rand hinaus in die Luft und fiel.

Gerade unter dem Dache war eine Steintreppe, und bei dem Falle ertönte ein furchtbarer, bielstimmiger Schrei, der in einem Nu ganze Scharen laufender Menschen zur Stelle lockte. Aber Fille Bumim fiel nicht auf die Steintreppe. Mit dem fleischigsten Teile seines wohlerhaltenen Körpers fiel Fille Bumm auf das Geländer, und unter Schaudern und Geschrei sahen ihn die Zuschauer hinab in den Hof gleiten, und dann weiter auf den Soden laufen- er hatte nicht einmal Stiefel an-, so daß die Fersen an seine gespannten Beinkleider schlugen. Fille Bumm fam über den ganzen Hof wie aus einer Konone geschossen, und als er innehielt und sich an den Staketpfosten lehnte, war keiner da, der es wagte, nach dieser Richtung zu sehen.

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Die Entwicklung zu seiner künstlerischen Eigenart vollzog sich erst in München . Ein fleißiger Kunstjünger war Busch freilich nie. Wenn die andern auf den Studienausflügen ihre Staffeleien aufstellten und emsig zu arbeiten begannen, so streckte er sich lieber behaglich ins Gras; aber er fchante gut um sich und beobachtete feine Kame raden scharf, und ehe sie sich's versahen, hatte er eine Karikatur von ihnen fertig, die dann in die Kneipzeitungen des Vereins kamen und dort allgemeine Heiterkeit erregten. In diesen Scherzen übte sich das Talent des angehenden Karikaturisten; sie wurden so bekannt, daß einige davon auch in die Fliegenden Blätter " über­gingen. Es kann 59 gewesen sein", erzählt Busch selbst, als zuerst in den Fliegenden" eine Beichnung mit Text von mir gedruckt wurde; zwei Männer, die aufs Eis gehen, wobei einer den Kopf verliert. Vielfach, wie's die Not gebot, illustrierte ich dan neben eigenen auch fremde Texte. Bald aber meint ich, ich müßte alles halt felber machen. Die Situationen gerieten in Fluß und gruppierten sich zu kleinen Bildergeschichten, denen größere gefolgt sind. Fast alle habe ich, ohne wem was zu sagen, in Wiedensahl verfertigt." Damit ist der Kreislauf seines Lebens gefchloffen. Kaun ein Jahrzehnt lebte er in München , dann zog es ihn zurück in sein Heimatdorf. Von dort find alle die Werke ausgegangen, die feinen Ramen berühmt gemacht haben. Trotz aller glänzenden Erfolge ist er aus seinem zurüdgezogenen Leben nie wieder in die Oeffentlich feit hervorgetreten. Heute lebt er bei seinem Neffen, dem Pfarrer in Mechtshausen in der Gegend von Hildesheim , in behaglicher Muße, nachdem er bis in die Mitte der achtziger Jahre eine sehr starte Produktivität entfaltet hatte.

Es wag kaum ein zweites Beispiel anzufülgren sein, daß ein Künstler wie Busch auf der Höhe einer glänzenden Laufbahn von Schauplatz abtritt und sich fast eigensinnig vor der Welt versteckt, daß einer zu schaffen aufhörte, der stolz von seinen Werken erklären Fille Bumm jedoch stand eine Weile still und schnappte fonnte, daß sie, von einigen wenigen abgesehen, zum Selbstpläster nach Atem. Hierauf untersuchte er bedächtig seinen ganzen gemacht" feien. Aber es ist bedeutsam, daß sein Schaffen mit zwei Körper, und dann maß er die Höhe mit den Augen." Nein, eine tiefe wehmütige Resignation ist. Und heute liegt ihm, so hat merkwürdigen kleinen Prosadichtungen abschließt, deren Grundton Du Teufel," sagte er ruhig, diesmal hast Du mich nicht ge- er selbst erklärt, das ganze Genre, in dem er sich früher bethätigte, triegt," drehte sich dann um und stieg wieder auf das Dach. völlig fern. Damit scheint eine philosophisch- pessimistische Grund­Aber da bekamen die Zuschauer die verlorene Sprache ftimmung ganz zum Durchbruch gekommen zu sein. Vorhanden ge wieder, und der Schrecken ging in ein schallendes Gelächter wesen ist sie in ihm jedoch immer. Der Humorist, über dessen Scherze über, das sich mit dröhnenden Hurrarufen vermengte. Und so viele fröhlich gelacht haben, ohne sich große Gedanken darüber stolz wie ein Gott saß der alte Bumm auf dem Dach und zu machen, war von Jugend an ein Grübler, der über Welt und winkte mit der Müße seinem dankbaren Gratispublikum zu. Menschen seine eignen, gar nicht heiteren Gedankenfäden gesponnen hat. Schon aus seiner Schülerzeit erzählt er:" Bugleich fiel mir die ( Fortsetzung folgt.) " Kritik der reinen Vernunft" in die Hände, die, wenn auch damals nur spärlich durchschaut, doch eine Neigung erweckte, in der Gehirn tammer Mäuse zu fangen, wo es mir gar zu viel Schlupflöcher giebt." Und weiterhin hören wir, daß er sich mit Leidenschaft mit Naturwissenschaften, besonders Darwin , und auf der andern Seite mit Schopenhauer befaßt habe; aber auch hier endet sein Studium mit Resignation. Ihre Schlüssel passen ja zu vielen Thüren in dem verwunschenen Schlosse dieser Welt; aber kein hiesiger" Schlüffel, so scheint's, und wär's der Asketenschlüssel, paßt jemals zur Ausgangsthür."

Wilhelm Bulch.

( 8u seinem 70. Geburtstag.)

Es ist ein merkwürdiger Gegensatz, den das Leben und das Schaffen Wilhelm Buschs dem Beobachter bieten. Wer nach einem ersten Eindruck von seinen allbekannten Werken urteilen wollte, würde annehmen, daß es faum einen vergnügteren Menschen geben könnte als ihren Schöpfer. Den Mann, der Max und Morig", den Tobias Knopp", die Fromme Helene", den" Balduin Bählamm, den ver­hinderten Dichter" und den Maler Klecksel" gedichtet und die Illustrationen dazu entworfen hat, fann man sich gar nicht anders vorstellen denn als einen sehr lustigen Herren, der sich selbst an feinen Scherzen nicht weniger ergözt hat als die Vielen, die sie gelesen haben. Dann erlebt man seine erste Ueberraschung, wenn mag ein Porträt von Wilhelm Busch sieht, etwa das von Lenbach gemalte. Aus einem tiefernsten schönen Gesicht, in dem eine pracht bolle hohe Stirn dominiert, schauen nachdenklich ein paar forschende Augen; faft melancholisch ist der Ausdruck- nur aus dem zwinkern­den linken Auge scheint ein Schelm hervorzuleuchten. Und dieser Eindruck verstärkt sich immer mehr, je eingehender man sich mit dem eigenartigen Menschen beschäftigt, je mehr man von seinem Leben erfährt.

Aeußerlich zwvar hat sich sein Lebenslauf in den denkbar ein­fachsten Bahnen bewegt. Weitaus den größten Teil seiner Jahre hat er in seiner Heimatproving Hannover auf dem Lande zugebracht. In dem Markiflecken Wiedensahl , unweit Minden , ist der heute Siebzigjährige als Sohn eines Krämers geboren. In fleinen Dörfern in der Nähe ist er in dem Hause seines Onkels, eines Pfarrers, aufgewachsen und erzogen. Mathematik ist sein Lieblingsfach, und er kommt auf das Bolytechnikum in Hannover . Dann aber, nachdem er vier Jahre dort zugebracht, fattelt er um und will Maler werden. Er besucht die Malschule in Düsseldorf und Antwerpen . Vor den malerischen Wundern der alten Holländer gehen ihm die Augen auf. Noch in feinem Alter, in einer Stizze" Bon mir über mich", die er vor Jahren veröffentlichte, schwärmt er von den Rubens , Brouwer, Teniers , Franz Hals :" Ihre göttliche Leichtigkeit der Darstellung

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Giebt man schärfer acht, so wird man diese philosophische Grund­Stimmung als Unterton in allen seinen Werken mitschwingen hören. Sie ist es, die diese scheinbar so harmlosen Sächelchen über den Wert des bloßen Ulfs hinaushebt; durch sie erscheint Wilhelm Busch als mehr als ein einfacher Spaßmacher, wird er ein Künstler von weiltragender kultureller Bedeutung. All jenes toffe Spiel bunt durcheinander gewirbelter Gestalten, die unglaublich komische Ver­kettung der verschiedensten Situationen, die sich in seinen Werken findet, ist ihm eben nur ein Spiel, in dem gewisse Grundkräfte und Triebe menschlichen Handelns zu einem sehr prägnanten Ausdruck kommen, und in der Art, wie er diese auffaßt und ans Licht zieht, tritt der scharfsichtige Philosoph hervor, der die menschlichen Schwächen durchschaut und lächelnd aufdeckt. Busch ist dabei durch aus frei von Moralisieren; er lacht nur über diese komischen Menschen und benutzt ihre Eigenheiten zu seinem Selbstpläster".

Man könnte aus den Werken unsres Künstlers eine ganze Natur geschichte des Spießbürgertums herauslesen. Dessen wesentliche Eigenschaften hat er mit einer föstlichen Klarheit geschildert, in der tarifaturistischen Weise, die sein fünstlerisches Ausdrucksmittel ge­worden ist. Mit seiner tiefen Ironie hat er, der so hoch über den Dingen steht, die Moralgrundsäge dieser ehrenwerten Menschenart nur leise taritierend zu jenen klassischen Sentenzen geprägt, die immer und wieder citiert werden. Der Kreis der Menschen, die bei ihm auftreten, ist nicht groß, es sind nur die einfachsten Typen, die er vorführt, aber er zeigt an ihnen, besonders in seinen Zeichnungen, ein reiches Register menschlicher Seelenregungen.

Die Kunstmittel, deren sich der Dichter Busch bedient, sind außer ordentlich einfach. Die Wahl des Versmaßes, das mit seinem würdevollen Schritt in komischem Gegensatz steht zu dem lustigen Inhalt, die mannigfache Verwendung überraschender Reime, die vera