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und Luthers  ", läßt sich der Autor irgendwo im 28. Kapitel volflichen Wörtern, Benennungen und Gleichnissen. Es ist eine feines Buches wohl nicht ganz ohne Absicht vernehmen, daß sie Sprache voll träumerischer Schwvermut, voll inniger Poesie und zuviel wissen. Sie sind dabei gewesen, die einen, als die Urzelle träftiger Süße unterirdisch hört man die Brünnlein des deutschen Hochzeit machte, die andren, als Gott auf den Knien lag und weh- Volksliedes rauschen.. Kurz, es ist ein wunderschönes, tiefes Buch mütig lächelnd die Menschenseele schuf. Wir aber find Anhänger voll mächtiger Eindrücke und Seelenfündungen, die sich, nachhaltige jenes armen, staunenden Nichtswissers, welcher das Wort gesagt hat: Dauer versprechend, über den ganz von seinem Zauber eingenommenen " daß wir nichts wissen können, das will uns schier das Herz ver- Leser ergießen. brennen". Wir staunen und verehren demütig neugierig". Das wäre Auch das zweite Buch, nämlich der Roman, Die Wacht am ja das unverfälschte Programm eines feelforgerischen" Autors Rhein"*) von Clara Biebig, subsumiert unter den Begriff und es lohnte wahrlich nicht der Mühe des Lesens, wenn Gustav Heimatstunst". Wie anders aber das Milieu"! Seine Echtheit Freußen seinen Roman nach besagtem Rezept verfaßt hätte. Allein, soll unbestritten bleiben. Es hat seinen Schwerpunkt im nieder­man gewinnt doch überall den Eindruck, daß Menschen, Dinge rheinischen Leben: Düsseldorf   bildet den Schauplatz der Handlung. und Verhältnisse nicht nach Traktätchenabfichten gemodelt, Aber während diese in Jörn Uhl" gleichsam aus der ganzen Volk­sondern nach dem Leben geschildert find. Wir erzählen, was wir heit des Geestlandes organisch herauswächst, erweckt sie in Frau gesehen haben und was uns erzählt ist, und machen nicht einmal Biebigs Roman den Anreiz des Konstruierten, romanhaft den Versuch, das Gesehene und Gehörte zu deuten." Gegen dies Konstruierten" auf einem eigens präparierten Untergrunde. tünstlerische Programm ist wenig einzuwenden. Frenßen Letzterer wurde aus den Gegensätzen des freiheitlicheren nimmt einfach für sich das Recht des Epikers, des Chronisten in temperamentvollen Rheinlandvolkes und des schwerfälligen überdies Anspruch, der sine ira et studio an seinen Gegenstand heran- und in soldatischem Pflichtgefühl erstarrten Alt- Preußentums gewonnen. vollkommen unparteiisch hinter ihn zurücktritt. Wir wollen num Ein brandenburgischer Feldwebel alten Schlages in der preußischen sehen, wie er sich seiner Aufgabe entledigt. Der Noman spielt Garnison Düsseldorf   zu Anfang der dreißiger Jahre des vorigen in den kleinen Dörfern an den Abhängen der Geest und Jahrhunderts giebt den Mittelpunkt der Handlung ab. Er, der den den vor ihnen liegenden großen reichen Marschdörfern. Zwei Sorten damaligen Rheinländern verhaßte Preuße und Protestant, heiratet Menschen lernen wir da kennen: die einen mit hellen, flugen, nach leberwindung mancherlei Schwierigkeiten eine katholische flinten Augen und brandroten Haaren sind die Kreien  " und ihre Düsseldorferin, die Tochter eines Gastwirts. Zum konfessionellen Anverwandten, welche wahrscheinlich von den Wenden abstaminen; Unterschiede gesellt sich der Konflikt der politischen Anschauungen. Die die andern mit roggenblonden Haaren, starken oft edlen Formen Reibungsfläche ist somit hergestellt. Die staatliche Entwicklungsgeschichte und ruhigen stolzen flaren Augen sind die Uhlen" und ihre Sippe. der kommenden Jahrzehnte giebt die Resonanz: der Düsseldorfer Aus beiden Sorten, mit dem llebergewicht der zweiten, baute Aufstand, das Nevolutionsjahr 1848/49, die Feldzüge von 1864 und 66 und Frenßen den Roman auf. Eigentlich ist es eine Familiengeschichte, der Krieg von 1870/1 ziehen als effeltvoll in die Aufrollung des die in den sechziger Jahren bei der allerersten Jugend des Titel- Lebens der Feldwebelfamilie verwobene Magnesiabilder im Geiste helden anhebt und diesen durch sein ganzes Leben bis an die des Lesers vorüber. Es wird an beiden gezeigt, wie Rheinland­Schwelle der Gegenwart begleitet. Das Leben Jörn Uhls" und Preußenvolt freundschaftlich mit einander verwachsen. Das mit ist wahrlich fein geringes Menschenleben. Wir sehen ihn Strömen vergossenen Blutes mühsam getittete einige" Deutsche  nach einer stillen und mit bunten Bildern geschmückten Reich verhilft patriotischen" Dramen- und Romanschreibern immer Jugend einsam herangewachsen, ohne Hilfe mit des Lebens Rätseln zu melodramatischen Abschlüssen. Daß Frau Viebig die alte, seitens fich wacker herumschlagen. Wir sehen ihn 1870/71 als Soldat im Wilhelm Liebknechts so gründlich zerstörte Legende von der dem Feldzuge und gehärtet durch Feuer und Frost wieder auf seines König Wilhelm durch Benedetti auf der Emiser Kurpromenade Baters Banernhof zurückkehren. Er hat den Wert der Dinge" angethane Beleidigung" als Ursache des Krieges wieder unterscheiden, sodann heiße Franenliebe kennen gelernt und damit auftischt, fei weniger ihrem Geschichtswissen als viel­das Zweithöchste, was das Leben geben kann". Im Laufe der mehr ihrem ausgeprägten Sinn für poetische" Wirkung zu Jahre trägt er sein Weib, Vater und Brüder zu Grabe. An die gute gehalten. Aber die ganze Konstruktion der Fabel fünfzehn Jahre kämpft er mit hartem, widrigem Geschick auf dem läßt kritischen Einwendungen Thor   und Thüren offen. Man fann ererbten Hofe. Und als er ihn schließlich nach einem Brande die Charakterzeichnung des ollen" Feldwebels für sehr wahrscheinlich doch verlassen muß, da zieht er nicht ab als Unterlegener, hinnehmen. Daß er sich aber 1848 nach einer verunglückten Barrikaden fondern er arbeitet sich mit zusammengebiffenen Zähnen und stürmung erschießen muß, weil Frau Viebig ihn meinen läßt, feine hohem Mut" in die Wissenschaft hinein, in einem Alter, da etliche Ehre" sei durch einen ihm an den Kopf geworfenen Pflasterstein daran denken, Rentner zu werden". Ein neues Leben, ganz von in den Kot getreten, will mir nicht recht einleuchten. Thut der Hau­vorn, ganz von unten herauf, hat er sich gezimmert. Mit der degen aber auch gar nicht. Sondern er erschießt sich, weil ihm sein zweiten Gattin, einer Jugendgeliebten, ist auch das Glück des Herzens eigner Sohn als roter Barrikadentämpfer gegenüber gestanden hat! eingezogen. Kinder, Hausstand, geregelte Thätigkeit sind des Glückes Ist mir nicht so, als ob ich diesen Konflikt schon Dußend Male Vollender." Was soll man denn in Deutschland   erzählen, Jörn, bei andern Schriftstellern gefunden habe? Ein zweiter Punkt. wenn solch schlichtes, tiefes Leben nicht erzählenswert ist?" Ja, es Der rebellierende Sohn wird von der Barrikade direkt verfolgt war erzählenswert, und der Gewinn, den der Leser davon trägt, und flüchtet sich noch gerade auf den Boden des seinem Großvater ist der: allerhand merkwürdige Menschen und Verhältnisse gehörigen Gasthauses. Die Soldaten, an der Spize ein Lieutenant, im Licht eines eminenten Seelenkundigen gesehen zu haben. bringen ein, den Flüchtling zu suchen, und bedrohen dabei die Wirts­Die Stala ist reich. Ländliche Individuen mancherlei Art frau. Da springt des Gesuchten Schwester hervor, mit dem ber­treffen vir da: feẞhafte wohlbehäbige Tüchtigkeit und zweifelten Ruf: Victor!" Victor" ist aber der Lieutenant, ihr proziger Leichtsinn; Berschmitztheit und trenehrliche Aufrichtig bisheriger Verehrer. Tableau! Der Apostrophierte zieht mit den feit, jinnliche Leidenschaft, heiße Liebe und heroische Entsagung; Soldaten ab. Man wird nicht sagen können, daß auch dieser Roman­Lunipen- und Heldentum; Gott- weifler- und Gläubige; Glückliche coup neu ist Auf andre Schwächen des Buches, wie z. B. die und Unglückliche; luftige Narren, harmloje Schalle, Schäferer, Kräller mehr oder minder anfechtbare Zeichnung der sonstigen Personen, die und Mäkler. Aber das, was wohl alle an sich haben und worin sie mir zum Teil auch ziemlich abgegriffen" vorkommen, soll mur sich ähnlich find, das ist ihr tiefes, grüblerisches, träumerisches Wesen, flüchtig hingedeutet werden. Deffenungeachtet kann der Roman als dem sich nicht selten die belle scharfnüchterne Beurteilung der annehmbare tüchtige Leistung passieren. Seine Vorzüge erblicke ich Menschen und Zustände entgegenstellt. Alle diese Geest- und Marichen in der Straffheit des Ganzen, in der biderben dramatischen Handlung bewohner tragen schon sehr früh eine gewisse Lebensreife zur Schau, und im frischen rheinischen Raisonnement der Sprache. was wohl daher kommt, daß sie von Jugend auf ein hartes müh­fames Dasein führen. Man windert sich anfänglich, wenn man das Buch liest, über die gemütreiche, dabei von praktischem Erfahrungsgehalt durchtränkte Nedeweise, die Frenßen auch schon kleinen Kindern in den Mund gelegt hat. Zuerst scheint es, als ob sich der Dichter da hin und wieder vergriffen hätte und mehr sich selber, als die Menschen sprechen lasse. Manchmal flingt es wie wohlgesezte, wohl. überlegte Buchsprache, wie ein philosophisches Dogma, so zum ee. Das Gruppenbild. Während der Kaffeepause lief plög Beispiel wenn wir die entsagungsstarke Sanddeern" reden lich ein Flüstern um die Tafel. Woher es gekommen, wußte nie­hören. Aber in der Totalität des Buches ist kein Ton mand, aber das Gerücht war da: Ehe der Tanz von neuem be­zu verspüren, der als harmoniefremd" herausspränge. Allen- ginnt, werden wir photographiert. Wir" das war der Gesangverein falls fönnte man leisen Zweifel hegen, ob solche Menschen zur Pflege Klassischer Musik  ". da im Schleswig- Holsteinischen  , wohin doch auch schon der sociale Geist der Aufklärung, und wär' es nur tropfenweise, gedrungen ist, heute noch existieren. Aber Frenßen, selbst einer, lebt ja unter ihnen, und man darf seinem Bekenntnis, daß er Geschautes, Er­lebtes schildere, völlig trauen. Nun einer, der zugleich ein nüchterner, scharfer Beobachter, ein in sich gekehrter Grübler und poetischer Träumer ist, fonnte das Volk zeigen, wie es in Wahrheit sein mag. Ein eigenartiger Mensch inid ein echter nieder­deutscher Poet ist Frenßen zweifellos. Dies sein Wesen dokumentiert sich in der Art, zu sehen und zu vergleichen, zu denken und zu empfinden. Seine Sprache scheint naiv und doch schwer, einfach in der Diktion und doch reich und beziehungsvoll an neuen

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Ernst Kreowsti,

Kleines Feuilleton.

Es gab ein Tuscheln und Raunen, ein Fragen und Lachen. Man steckte die Köpfe zusammen und horchte umher, die Herren zudten die Achseln und erklärten, nichts zu wissen, die Damen tauschten ihre Vermutungen aus.

" Photographiert werden? Ach nein! Von wem denn?" " Herr Berghaus will es machen!"

" Der? Ach Gott, der kann doch nichts?"

" Ja, er photographiert, er macht es mit Blitzlicht." Womit soll er's denn sonst machen, Fräulein Lieschen!" Fräulein Lieschen errötete etwas und bewegte ihren Straußfeder

*) Berlin  . F. Fontane u. Co.