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Wundern. Und nun erhebt sich ein leises, weiches Trillern, das an­

schwillt und übergeht in jenes jelig flagende Flötenlied, in dem die si Der Baungart'n iſt verſchloffen

Seele der Nacht blutet.

Es

Jede Nacht, wenn ich heimfebre, raste ich an dem morschen Holzgitter, das den Hain der Nachtigall umbegt, und Tausche, lange, lange. All meine grübelnden Menschensorgen sind ver geffen, der struppige Hochmut meines gelehrten Wissens verloren, die ganze Welt dieser mühselig gehämmerten Kultur versunken. giebt feine Städte mehr, teine fauchenden Eisenbahnen und Stampfenden Maschinen. Man hat weder Amerifa entdeckt noch die drahtlose Telegraphie erfunden. Es giebt keine Könige und keine Sklaven, keine Arbeit und keinen Hunger, weder Paragraphen noch Attien, und nicht einmal Gerichtsvollzieber und Agrarier. Wie vor Jahr tausenden lauscht ein fühlender Mensch der kleinen Nachtigall im Gezweig, unter der Weite des blauen Himmels, in dem der Mond schwimmt, und er staunt über die tröstende Offenbarung, daß er zu trog aller Kulturfortschritte noch vom Nachtigallenlied bezaubert werden kann. Ich schenke Euch diese ganze Erde samt allem Zubehör bon Rarrheit und genialem Fürwig- lagt mir nur im Gezweig der Nacht die Nachtigall.

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Biel Wollust mit sich bringet

Die fröhlich Sommerzeit, Jm grünen Wald jetzt singet Wiederum vor Freudigkeit

Ohn' Unterlaß mit hellem Schall

Aus ihrem Hälslein zart

Sehr schön und fein Frau Nachtigall ,

Kein Müh noch Fleiß sie spart.

Des Nachts, wenn ist fürüber All andrer Vöglein G'jang,

So schwingt fie ihr Gefieder Und fängt mit lautem Klang

Bald auf das neu recht an zu schrein,

Bis das anbricht der Tag; Ihr wunderschöne Melodein Nein Mensch beschreiben mag.

Mit ihrem schönen Singen Bewegt sie manchem sein Herz, Daß er vor Freud möcht springen, Das fag ich ohn' allen Scherz, Unter allen Waldvögelein, Sie sein groß oder klein, Ihr feines gleich thut sein,

Der Ruhm bleibt ihr allein.

Jhr schöne Stimme und Weise

Man ehren thut überall,

Drum ich sie jetzt auch preise

Die edle Nachtigall;

Mit lieblichem und süßem Ton

Bringt sie all Sachen für,

Und niemand kann hinein, Als nur die stolze Nachtigall Die fliegt von oben hinein.

Ich will dir, Böglein, binden Dein Haupt an deinem Fuß, Daß du nicht mehr kannst plaudern, Was zwei Süßliebchen thun! " Hast du mich auch gebunden, Mein Herz ist doch gesund: Ich kann noch immer plaudern, Was zwei Süßliebchen thun."

de Jandussy oni

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Liebe, sie warnt auch treulich die Mädchen leichtfertigen Schwüren Die Nachtigall jedoch ist nicht nur Botin und Künderin der u tranen, und sie selbst rühmt sich dann als eine unbezwingbare Widerspenstige: Ach Nachtigall, flein Bögelein, Wollt ihr euer Zung' bezwingen? Ich würde all eure Federlein

Mit Golddraht lassen überwinden!

Aber die Nachtigall wehrt den lockenden Landsknecht ab: Was frag ich nach dem roten Gold,

Oder nach eurer losen Minne? Ich bin ein klein wild Vögelein, Kein Mann kann mich bezwingen.

Darauf der Landsknecht :

Seid ihr ein flein wild Vögelein, Kann euch kein Mann bezwingen,

So zwingt euch der Hagel, der falte Schnee Der Lauber von der Linden.

Die Nachtigall erwidert hochgemut:

noin 8wingt mich der Hagel, der falte Schnee Der Läuber von der Linden..

Alsdann so scheint die Sonne schön,

So werd ich wieder fliegen...

So singt die Nachtigall im Volkslied durch die Zeiten und Lande. Heute ist der Vogel ja wohl, wie auch die gemeine Sache, die man Frühling nennt, altmodisch geworden. Die Berliner kennen zwar alle den kleinen Cohn als lustigen Ehemann, aber eine leibhaftige Nachtigall haben nur die wenigsten fingen gehört. Ich glaube, es wird fluge, aufgeklärte Berliner Kinder geben, die an die Nachtigall nicht glauben, glauben, fie für ein Märchengebilde halten, wie Hegen und Gespenster. Ja, iver heute noch von Nachtigallengejang schwärmt, gerät in die Gefahr, mit dem dire to end lyrisch strebfamen Grafen Bosadowsty verwechselt zu werden, der den Zolltarif( einschließlich des Nicinusöls und sonstiger Entnahrungs­mittel) als ein Marmorbild vergöttert und empfindungsvoll von andinopoetischen Hirtentuaben schwärmt, wo die strenge Socialforschung

Ihr seltsam G'dicht sie ziert ganz schön Auf dieser Erden hier.

So hat ein alter ehrbarer deutscher Vollspoet ohne viel schmachtenden Nervenüberschwang sauber und Holzschnittderb der Nachtigall gehuldigt; aber trotz der ungelenken Gefühlssprache alveifelt jemand daran, daß der Mann sich recht herzhaft über die edle Nachtigall und ihre Sachen gefreut hat? Demantius , der on zu Nürnberg 1995 in deine Nenen Tentschen Weltlichen Lieder dies Nachtigallenlob aufgenommen, sei gegrüßt als Zeuge, daß auch Ihr Menschen waret!

düfter anklagend nur Hütekinder zu sehen vermag. Indessen die Nachtigall fingt noch immer frei über all dem Elend der Gesell Sörigen von Handel und Industrie hinübergerettet, und wenn ich schaft, sie hat ein Eiland der Gefühlsdichtung zu uns armen das Unglück hätte, ein großer Fürst zu sein und ewige Worte monarchischer Leutseligkeit und Voltsfreundlichkeit prägen zu müssen, so würde ich den Ausspruch wagen: Ich will nicht eher ruhen, bis nicht jeder Mensch in seinem Garten die Nachtigall fingen hört und versteht. Joc, lo

ihr Singen Christoforus

Große Verdienste hat seit jeher die Nachtigall als Bostmeisterin, als Botin der Liebe:

Du bist ein fleines Waldvögelein,

Ich wollt, du sollst mein Bote sein. Ich wollt du sollst mein Vote sein Und fahren zu der Herzliebsten mein I Ein goldenes Ninglein bringt sie gleich mit:

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Frau Nachtigall schwang ihr Gefieder auf, Sie schwang fich für eins Burgers Haus. Da sie tam für des Burgers Haus, Da lugt braun's Maidlein zum Fenster aus. Gott grüß' euch, Jungfrau, hübsch und sein, Da schent' ich euch ein Ringelein." Aber es scheint, als ob Frau Nachtigall neugierig, wie die Frauen in früherer Zeit nun einmal gewesen sein sollen mit dem Briefgeheimnis nicht sonderlich ernst genommen hat. Sie las die Botschaften der Minne, und was sie da erkundete, faßte fie in ihre Lieder. Daher wir denn heute noch die ganze Liebe, die in Jahrtausenden geliebt worden ist, in ihrem Gesang vernehmlich hören; ihre Lieder find die tönende Schazkammer, in der die Welt­geschichte der Liebesgeheimnisse wilder Jugend aufbewahrt ist.

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Heimliche Liebe, die ihr Glück nicht auf der Gaffe fingen lassen wollte, fürchtete in der Nachtigall die Verräterin. In einem wunderholden niederländischen Boltslied wird dargestellt, wie die Liebenden die Nachtigall binden, um sie am verratenden Singen zu verhindern:

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Eleines Feuilleton.

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,, Maiblätter". Ich trage einen lieben Traum mit mit herum: Daß einmal im Jahre die lechzende Lebensbejahung, der Lebenshunger, der uns alle treibt, aufschlagen möge in reiner, hoher Lobe, eine Flammensäule, die hergeht vor dem Heere; den Schwachen zum Trost, den Starten zur Befriedigung, als Richtungszeichen denen, die da kommen werden. All das Gute, Starke, Schöne, das unsre Bewegung hinaushebt über alle andren, müßte da zum Ausdruc tommen, in Wort und Bild: Einfach und flar, jedem verständlich, der nicht böswillig ist, vom Herzen kommend und zur Herzen gehend, der 111 Wirklichkeit fußend und doch hinauswachsend über fie. Keine Fronie, teine blechernen Bhrafengebilde, kein Gezänke; weder taube Allegorien, noch geftelzte Symbolistereien. Und jeder müßte im Feiertagsfleide kommen, der da mitthun wollte. So fönnte wohl ein Maifestblatt ausschauen, und ich meine, es wäre ein guter Verlagsartikel. Das ansprechendste Bild bringt diesmal Der wahre Jacob": Bergebliche Mühe". Den Artitel Das religiöse Moment der Mai­feier" im Deutschen Maifestblatt" verunziert leider der streichischen Genossen. Stephan Graßmann hat es ge Titei. Ein gutes Feuilleton bietet das Fesblatt der schrieben. Jahrelang ist er mitgelaufen im Rudel der Schreier und Spötter, jest zeigt es fich auf einmal, daß er auch reine Töne in der Kehle hat.

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dg. Rund um die Müggel. Kennt Ihr eigentlich die Müggel, ihr Berliner ? O ja, Ihr feint sie, das heißt, ihr war't mal zum Kaffeelochen im Müggelschloß, ihr seid dann auch ein Stüdchen