Ansiedelungen der Vocren zu bezeichnen. Kein Ton in der durchsichtigen Luft, keine Wolke an dem unverschleierten Himinel; die Nacht schlich in der Stille davon, als fürchte sie, den schlummernden Tag zu wecken. Durch die leblose, unermcbliche Oede arbeitete sich ein bedeckter Frachtwagen mühsam vorwärts. Er war mit vier Pferden bespannt, die an ihren Ketten rasselten, und auf der Deichsel saß ein junger Bursche, ließ die Beine herunter- baumeln, die Zügel durch die Hände gleiten und pfiff vor sich hin. Im Innern des Fuhrwerks, unter einem kleinen Fenster, das ein Musselinvorhang verhüllte, lag ein Mann mit einer Schußwunde in der Seite sin Fieberglut; neben ihm stand ein alter Boer mit seiner Frau, den wilden Phantasien des Verwundeten lauschend. Seht, Jungen! Seht Ihr sie nicht?" Was denn, mein Junge?" fragte der Boer einfältig Und blickte durchs Wagenfenster. Da ist das Maschinenhaus der Minen. Seht, wie die eisernen Dächer glänzen. Und dort liegen die Schlacken. In einem Nu werden wir dort sein. Einen Schlag mit der Peitsche und fort!" Der alte Boer, der keine Visionen hatte, konnte aber von alledem nichts wahrnehmen. Was mag er nur sehen, Weib?" Wie dumm I Was soll er denn sehen, er hat ja das Gesicht ganz ins Kissen gedrückt?" Dem Kranken brauste das Blut in den Ohren. Horcht l" rief er wieder;hört ihr nichts? Das ist daS Getöse der Batterien. Peitscht drauf los, daß wir fort kommen I Und er zupfte mit unsicher» Fingern an den Fransen der weißwollenen Bettdecke, mit der er zugedeckt war. «Anner Junge! Er möchte gern rasch an die Küste kommen. Doch wird er wohl kaum den nächsten Morgen er- leben I Wie?" Gott weiß es, Jan, Gott weiß es allein." Das Vcldt dehnte sich unabsehbar aus, und das Meer und die Schiffe waren in weiter Ferne. Auf der endlosen Flüche von Gras, Gestein und Sand lag bis zum Horizont zwischen dem öden Land und dem hohen Himmel nichts als eine Wüste, die wie ein Chaos von Purpur und Grün aussah, wo nie ein Vogel sang und kein Menfch lebte. XIH. Sie liebt mich I Sie liebt mich I Sie liebt mich I" Die Worte klangen Philipp auf dem halben Rückwege nach Ballure wie eine süße Melodie im Ohre. Dann aber begann er, die Brombeerranken am Wege abzureißen und sich die Hand blutig zu ritzen, indem er wild in die Ginsterbüsche griff; er verachtete sich selbst, weil er froh war, wo er be- kümmert sein sollte, und doch war er seiner Sache sicher, es ließ sich auch nichts daran ändern. Sie liebte ihn und ihm stand frei, sie zu lieben; es bedurfte dabei keiner Heuchelei, keiner Selbstverleugnung mehr. So wischte er sich denn das Blut von den Fingern und schlich in Tante Nans blaues Zimmer. Die alte Dame saß in einer schmucken Haube mit langen fliegenden Bändern spinnend am Kamin. Sie hatte die Nachricht über Pete gehört, als Philipp auf seinem Ausflug nach Sulby vorbeiging und war jetzt in Zweifel, ob es nicht ihre Pflicht wäre, Onkel Peter davon zu benachrichtigen. Die feine, zierliche alte Dame, die in vornehmem Anstand auf- gewachsen war, dachte an die Worte der armen Bridget Tom, als sie sterbend in ihrer armseligen Hütte lag; daß der Sohn eines Mannes immer sein Sohn bleibe, trotz Gesetz und Teufel. Sie entschied sich jedoch, es dem Ballawhaine nicht zu sagen, da sie sich eines Vorfalles aus dem Leben seines Vaters erinnerte, der zugleich Philipps Vater betraf. Philipp lag ausgestreckt auf dem Sofa, mit den Füßen gegen den Kamin. und hörte beim Schwirren des Rades der Stimme der alten Tante zu, während ihm, sobald das Rad stille stand, zugleich eine andere, eine jüngere, nur ihm vernehmbare Stimme leise ins Ohr tönte und ein süßer Kehrreim in seinem Innern ihm stets wiederholte: Es ist ja keine Untreue dabei. Pete ist tot. Der arme Pete! Der arme alte Pete!" Obschon er Deinen Vater von sich gestoßen hatte, Philipp, als dieser drohte. Deine Mutter zu heiraten, so glaubte er doch nicht, daß ein Geistlicher auf der Insel es wagen würde, sie gegen seinen Willen zu trauen." Nein, wirklich?" Er glaubte es nicht, und als Onkel Peter eine Woche später zur Mittagszeit kam und sagte:Nun ist alles vorbei." erwiderte er:Nein, unmöglich!" und warf den Löffel in die Schüssel, daß die heiße Brühe mir ich erinnere mich's noch über die Hand spritzte. Peter sagte jedoch:Da hilft nun kein Beten mehr ," und der Großvater schrie:Ich aber sage Dir, nein!"Und ich sage ja" erklärte Peter.In der Kirche von Maughold. gestern morgen, vorm Gottesdienste." Da vergaß sich Großvater, nannte Peter einen Lügner und schrie, daß Dein Vater es nicht habe thun können.Und außerdem ist er mein Sohn und würde das nicht thnn wollen," sagte er. Ich konnte jedoch sehen, daß er glaubte, was Peter gesagt hatte, und als Peter zu weinen anfing, bat er:Vergieb mir, mein Junge. Ich bin ja Dein Vater und habe ein Recht auf Deine Verzeihung." Gleichwohl gab er sich nicht zufrieden, bis er das Kirchenregister gesehen hatte, und ich mußte mit ihm nach der Kirche gehen." Armer, alter Großvater!" Der Vikar war damals ein kleiner, schwachköpfiger Mann namens Kissack, der fürs Leben gern die Leute duckte und ihnen das Wort abschnitt, weil er immer fürchtete, jemand wollte ihm etwas von seinen Rechten nehmen." Ich erinnere mich seiner der Kakadu. Sein Lieb- lingstext war:Jesus sagte:So folge mir nach""; die Leute meinten jedoch, daß e r nur imnier vorangehen wollte." Abscheulich Philipp. Es war schon Abend, als wir nach Maughold fuhren, und der kleine Pfarrer stand am Kreuz vor der Kirche und drohte jemand mit seinem Rohr- stocke.Man sagt mir, Sie hätten meinen Sohn gestern getraut," sagte Großvater,ist das wahr?"Vollkommen wahr," sagte der Pfarrer. Mit Aufgebot oder besonderm Erlaubnisschein? fragte Großvater.Natürlich letzteres" antwortete der Vikar." Kurz angebunden jedenfalls." Zeigen Sie mir das Register" sagte der Großvater; sein Gesicht zuckte und seine Stimme klang dumpf.Wollen Sie mir nicht glauben?" fragte der Vikar.Das Register!" wiederholte der Großvater. Da steckte der Vikar den Schlüffcl in die Kirchenthür und ging gespreizt im Seiten- schiffe hinauf, etwas vor sich hinbrummend. Ich versuchte noch jetzt, Großvater zurückzuhalten.Was nützt es?" sagte ich, denn ich wußte, daß er nur wider sein besseres Wissen ankänipfte. Doch er folgte ihm. den Hut in der Hand, an das Altargitter, und hier legte ihm der Vikar das offene Buch vor. O Philipp mein Lebtag kann ich es nicht vergessen! Alles kommt mir zurück! Die kleine düstere Kirche, der Geruch der dumpfigen Luft und des Sammets unter den Schutzdeckcn des Altars und der Widerhall in dem leeren Räume. Groß- Vater setzte die Brille auf und beugte sich über das Register, aber er konnte nichts sehen; es war ihm alles trübe und ver- wischt vor den Augen. Such Du danach, Kind I" sagte er über seine Schulter zu mir. Aber ich wagte nicht, hinzusehen. Nun wischte er die Gläser ab und beugte sich nochmals darüber. O Gott! Es war, als wenn jemand die Liste der Erschlagenen nach einem Namen durchläuft und betet, ihn nicht finden zu müssen. Doch der Name war da nur zu sicher. Thomas Wilson Christian... mit Mona Crcllin... unterzeichnet Wm. Crellin und so und so Kissack." Philipp atmete heiß und schnell. Der kleine Vikar schwang auf der andeni Seite des Gitters sein Rohr hin und her und lächelte; Großvater erhob die Augen zu ihm und sagte:Wissen Sie wohl, was Sie gethan haben, Herr? Sie haben mich meines erstgeborenen Sohnes beraubt und ihn zu Grunde gerichtet."Unsinn", entgegnete der Vikar.Ihr Sohn war volljährig, und seine Frau hatte die Einwilligung ihres Vaters. Sollte ich etwa erst nach Ballawhaine gehen, um die Erlaubnis zur Erfüllung meiner Pflicht als Geistlicher einzuholen?"Pflicht?" schrie Großvater.Wenn ein junger Mann heiratet, so handelt es sich für ihn um Himmel oder Hölle. Ihre Pflicht als Geistlicher?" schrie er, daß seine Stimme bis ans Dach hinauf schallte.Wenn einer Ihrer Söhne sich die Kehle abschneiden wollte, würden Sie es für meine Pflicht als Deemster erklären, ihm ein Messer zu reichen?" Ruhig, Herr," sagte der Vikar.Vergessen Sie nicht, an welchem Orte Sie stehen, oder, ob Sie gleich Deemster sind, Sie sollen's bereuen." (Fortsetzung folgt.)