Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 100.

Dienstag, den 27. Mai. Gay male voi

( Nachdruck verboten.)

20] de Der Manksmann.

DO 201

Roman von Hall Caine . Autorisierte Uebersetzung.

In Philipps Augen schimmerte es feucht. Bernt sie Französisch auf eigene Hand? Thut sie's schon lange, Grannie?"

" Ja, recht lange, drei Jahre gewiß, oder richtiger noch, feit der arme Pete uns verließ. Und immer ist sie über den Büchern, Grammatiken, Lesebüchern und ich weiß nicht was noch."

XVI.

1902

Philipp ging nach Hause, mit grollendem Gedanken über das Geschick seines Vaters. Am Abend sagte er zu Tante Nan: Zante , warum ging denn der Vater nicht fort, als er die Flut so stark gegen sich heranströmen fah?"

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Er wollte es immer, aber konnte es nicht," erwiderte Tante Nan. Eine Frau ist nicht so schnell bereit wie ein Mann, ihr Zelt heute hier, morgen da aufzuschlagen. Wir gleichen mehr den Kazen, lieber Junge, wir fleben an dem Ort, an den wir gewöhnt sind, wären es auch nur die Trümmer verfallener Mauern. Deine Mutter war auf der Insel Man nicht glücklich, weigerte sich aber doch, sie zu ver­Cäsar mit dem Ohr an der Glaswand machte eine un- lassen. Dein Vater wollte nicht ohne sie gehen, und dann geduldige Bewegung, sie zum Schweigen zu bringen, Grannie war doch auch das Kind da. Dein Vater mußte hier bleiben aber fuhr fort: Wozu nur die Leute überhaupt fremde in Wohl und Weh, in Tod und Leben. Als er sein Weib Sprachen lernen. Es kommt doch keine dem Mantischen heiratete, schmiedete er sich die Kette, die ihn an die Insel gleich an Deutlichkeit, sollt' ich meinen. Und lesen wir nicht, fesselte wie an einen Felsen." Haß, als der Herr den Noah und seine ungehorsamen Söhne und Enkel in Verwirrung bringen wollte, weil sie den Turm von Babel bestiegen hatten, er sie verschiedene Sprachen sprechen ließ?"

Philipps Augen schwammen in Thränen, und un­bemerkt drückte er das Buch an seine Lippen. Er hatte das Geheimnis erraten. Das Mädchen suchte seiner würdig zu

werden.

Stäthe kam jetzt in dem dunklen Anzug mit weißem Kragen herunter, den sie am Sonntagabend getragen. Als sie sah, wie Philipp das Buch wieder hinlegte, sentte sie den Stopf und errötete, nahm dann den Band und brachte ihn Heimlich auf die Seite. Cäsars Neugierde überwand jetzt alle Bedenken; er wagte sich hinaus in die Schänkstube, Grannie ging zwischen dem Zahltisch und den Fischern ab und zu, Nancys Holzpantoffeln flapperten nach der Milchkammer und wieder zurück Stäthe und Philipp blieben allein.

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Sie hatten neulich abends doch unrecht," sagte sie." Ich habe nochmals darüber nachgedacht, und Sie hatten ganz und

gar unrecht."

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Wenn ein Mann eine Frau heiratet, die unter ihm steht, so läßt er sich zu ihr herab, und das heißt sie bemit leiden; sie bemitleiden aber heißt sich ihrer schämen, und wenn er sich ihrer schämt, müßte es fie töten. Also haben Sie inrecht."

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Wirklich?" fragte Philipp.

" Ja," sagte Käthe." Doch wissen Sie, wie es eigentlich fein müßte? Die Frau sollte unter ihrem Stande, der Mann aber über dem feinigen heiraten. In dem Maße, wie sich die Frau dann herabläßt, würde der Mann emporsteigen, und so verstehen Sie wohl?"

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Sie stockte und hielt inne. Ist das nicht Unsinn, Käthe, was Sie da reden?" fragte Philipp. Wieso?"

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Käthe schmollte über die Zurechtweisung, als ob sie ärger lich wäre, ihre Augen aber strahlten.

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Es giebt weder ein Ueber noch ein Unter, wo wirkliche Liebe ist," sagte Philipp. Wenn einer ein Mädchen recht liebt, und sie ihm notwendig zum Leben ist, so beweist das ihre natürliche Gleichheit."

Sie meinen," sagte Käthe und versuchte eine ernste Miene beizubebalten. Sie meinen, wenn eine Frau jemand an­gehört, den sie lieb hat, und jemand ihr ebenso angehört- so macht sie das einander gleich und alles andre kommt nicht in Betracht wie?"

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Warum nicht?" fragte Philipp.

Es war Musik für ihr Ohr, doch schüttelte sie feierlich den Kopf und sagt: ch bin gewiß, daß Sie unrecht haben, Philipp. Es kann nicht so sein. Ja wirklich, ich bleibe dabei. Aber es führt ja zu nichts, darüber zu streiten. Nicht mit Ihnen wenigstens. Nur..."

Die Liebe jubelte in ihrem Herzen wie vielstimmiger Vogelgesang, so laut, daß sie nichts mehr sagen konnte, und der unwiderstehliche Mann behielt recht. Nach einem Weilchen steckte sie etwas ins Feuer.

Was war das?" fragte Philipp.

O nichts," antwortete sie. Es war das französische Buch.

Das würde denn doch mit Käthe anders sein," dachte Philipp. Aber schöpfte die Zante wohl Verdacht? Hatte ihr jemand etwas gesagt? Wollte sie ihn warnen?" Am Sonntagabend, beim Nachhauseweg aus der Kirche, sprach sie wieder von seinem Vater.

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Er fah es zu guter Leht noch ein, daß es nicht nur seine eigne Angelegenheit war," sagte sie. Es war in der Nacht, da er starb. Deine Mutter war unwohl und Vater hatte nach mir geschickt. Es war eine dunkle Nacht und spät, sehr spät, und sie brachten mich mit einer Laterne den Berg von Lewaige herunter. Der Vater ging seinem Ende entgegen, doch wollte er aufstehen. Wir waren allein beieinander, er und ich; mur Du warst noch da, aber Du schliefst in Deinem Bettchen am Fenster. Er schwankte gerade drauf los, und es gelang ihm mit Hilfe der Vorhänge, an denen er sich fest. hielt, niederzuknien. Hoch," sagte er und versuchte zu flüstern, obschon er's nicht konnte, weil es in seiner armen Buft­röhre röchelte. Du schnapptest im Schlafe nach Luft, als ob Du schluchztest. Armer, fleiner Kerl, er träumt," sagte ich, ,, laß mich ihn auf die Seite legen."" Es hat einen andren Grund," sagte Vater, er war bekümmert, als er schlafen ging." " Ich erinnere mich daran, Tante," sagte Philipp. Biel­leicht hatte der Vater versucht, mir noch ein paar Worte zu sagen." Mein Kind, mein Sohn, bergieb mir, ich habe mich an Dir versündigt," ächzte er und suchte über das Gitter des Bettchens hinweg Dir die Lippen auf die Stirne zu drücken; aber sein armer Kopf schwankte wie schlagrührig hin und her und stieß auf Dein Gesichtchen nieder. Ich erinnere mich, daß Du Dir die Nase mit der kleinen Faust riebſt, aber Du wachtest nicht auf. Dann half ich ihm wieder zurück ins Bett, und der Tisch mit den Medizingläsern flirrte, weil die Hand, mit der er sich daran festhielt, so start zitterte. Es ist finster, ganz finster, Nannie," sagte er, gewiß wird ein Engel mir Licht bringen"; ich war einfältig genug, zu denken, er meinte die Lampe, denn sie war am Verlöschen, und ich zündete ein Licht an."

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Die Woche hindurch war Philipp bei der Arbeit zu Mute, als schwebe der Geist seines Vaters über ihm- er warnte ihn, wenn er wach war, mit flehenden Worten der Liebe, und wenn er schlief, schrie er ihm im Zorn mit be­fehlendem Tone zu:" Zurück! Du stehst am Rande des Ab­grundes".

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Gleichwohl empörte sich seine Seele gegen diesen Bund mit dem Vergangenen und dem Toten. Er war auf Eitelkeit, auf das Begehren nach Ruhm und Erfolg gegründet. Ein Mann braucht nur der Welt und allem zu entfagen, was die Welt geben kann, so kann er treu gegen sich selbst, treu den Trieben seines Herzens, feiner Ehre und seiner Liebe sein. Philipp wollte nicht mehr überlegen. Er verachtete sich, weil er das Für und Wider überhaupt noch erwogen hatte. Wenn ihm nur die Wahl blieb zwischen der Welt und Käthe so mochte die Welt zum Kuckuck gehen.

XVII.

Sonnabenduachmittag ging Philipp nach Peel. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne schien und das Wasser der Bucht lag blau, glatt und ruhig da. Es war Ebbezeit, der wasserleere Hafen wimmelte von Schmacken mit herabhängenden