Unterhaltungsblatt des Vorwäris

. 106.

And

Mittwoch, den 4 Juni.

1902

Gim Gun

26]

DO CHI

( Nachdruck verboten.)

Der Manksmann.

Roman von Hall Caine  . Autorisierte Uebersetzung.

Es war Philipp wie einen Vogel, der in den Maschen wie ei eines Neges zappelt.

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Mein Vater war ein Dichter, Tante, und strebte danach, ein Weltmann zu sein. Das war, wenn man's recht bedenkt, das eigentliche Unglückt seines Lebens."

bringen. Sich das verwirrte Haar aus der Stirn streichend, verließ er hastig das Zimmer.( on

Sobald er allein war, fing er an, sich zu sammeln. Satte denn fein Mund wirklich diese Worte gesprochen? Noch dazu von dem Vater und obendrein zu Tante Nan? Er begriff jetzt, wie es zuſammenhing: Er hatte von seinem Vater gesprochen, doch dabei an sich selbst gedacht; er hatte danach gerungen, sich zu rechtfertigen, sich damit auszuföhnen, sich zu stärken und zu rüsten. Indem er das aber that, hatte er ein Idol zertrümmert, den Abgott seines ganzen Lebens, Tante Nans Abgott.g

Im Begriff, einen Stich zu machen, die Nadel in der In einem Anfall von Reue stolperte er wieder die Treppe Hand, hielt Tante Nan inne, sah zu ihm auf und sagte mit erregter Stimme:

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hinunter und stürmte noch einmal in das Zimmer hinein. " Tante, Tante!" rief er mit gebrochener Stimme.

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Das wahre Unglück im Leben Deines Vaters, Philipp, Doch das Zimmer war leer, die Lampe   niedergedreht, war die Liebe das heißt, was man so nennt. Doch das ist der Stickrahmen beiseite geschoben. Unter den Füßen knirschte keine Liebe. Liebe ist Friede und Tugend und ein gerechter etwas; er stand still und hob es auf. Es war das Medaillon, Wandel das andre ist nur Wahnsinn und Verblendung; mitten durchgesprungen. Der Vorfall erschreckte ihn und er wenn man daraus aufwacht, so ist es, als ob man vom Alp- schauderte. Ihm war, als habe er seinem Vater aufs Gesicht drücken erwachte. Die Leute sprechen davon, als sei es etwas getreten. Er fteckte das zerbrochene Bild in die Tasche, ging Heiliges es ist aber unheilig. Bücher werden zum Lobe wie ein Schuldbeladener davon und kroch still im Finstern dieser Liebe geschrieben ich würde folche Bücher verbrennen. zu Bett. Wenn jemand thr verfällt, so gleicht er dem Blinden, der seinen Der Morgen aber brachte ihm Troft für die Qualen der Führer verloren hat und geradeswegs dem Abgrund zutaumelt. Nacht- er brachte ihm einen Brief von Räthe. Auch Frauen verfallen ihr. Ja, gute Frauen sowohl als Die Melliah ist nun endlich, endlich vorüber und ich gute Männer- ich habe gesehen, wie die Versuchung über kann mit meinen Gedanken allein sein. Nachdem Du fort fie kam warst, sangen sie noch:" Kehrie fu Snaighty" und" Der Jetzt war Philipp seiner Sache gewiß; jemand hatte ihm König liebt doch nur sein Weib, das thu' auch ich das in Sulby nachgespürt. Er war aufgebracht darüber, und sein thu' auch ich". Wirklich hab' ich Dir nichts weiter zu Zorn enthud sich gegen Tante Nan mit einem Stromt von melden, denn nichts von der geringsten Wichtigkeit ist ge­Worten. Du hast unrecht, Tante, ganz unrecht. Die Liebe schehen. Gute Nacht! Ich gehe zu Bett, nachdem ich noch ist das einzig Köstliche im Leben. Sie ist Schönheit, sie diesen Brief bei der Brücke zur Post gegeben habe. Zwei ift Poesie. Nenne es Leidenschaft, wenn Du willst, was aber Stunden später wirst Du mir im Traume erscheinen, wenn wäre die Welt ohne sie? Ein Ort, wo jedes menschliche ich nicht noch so lange wach bleibe und an Dich denke. Ich Herz einsam wäre, wie auf einer öden Insel; ein Ort ohne Kinder, ohne Freude, ohne Lust, ohne Lachen. Nein, nein! Der Himmel hat uns die Liebe gegeben, und wir thun un recht, wenn wir versuchen, sie von uns abzuwehren. Auch können wir's nicht, und wenn wir's versuchen, werden wir für unsern Stolz, unsre Anmaßung bestraft. Die Entscheidung, ob wir große oder kleine Menschen werden, sollten wir dem Himmel anheimgeben und selbst nur darüber wachen, daß wir gute und glückliche Menschen werden. Und das größte Glück des Lebens ist die Liebe."

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Die Hand, in der Tante Nan noch immer die Nadel über dem Modelltuch hielt, zitterte und ihre Lippen zuckten.

Du bist noch jung, Philipp," stammelte sie ,,, aber ich bin jetzt eine alte Frau, und ich habe die Früchte des Rausches geschen, den Du Leidenschaft nenust. Er verwüstet das Leben und zerstört alle Hoffnungen, trennt die Familien, bringt den Vater gegen den Sohn auf und den Bruder gegen den Bruder-"

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Philipp wollte nicht nachgeben. Er ging mit schweren Tritten im Zimmer umher und brach in die Worte aus: Du hast wieder unrecht, Tante. Du hast in diesen Dingen immer unrecht, weil Du aus einem besondern Fall allgemeine Schlüsse ableitest Du denkst immer nur an den Vater. Was Du meines Vaters Unglück nemust, war nur sein notwendiges Schicksal. Er verdiente es. Wenn er für das hohe Ziel, nach welchem er strebte, befähigt gewesen wäre, so würde es nicht abwärts mit ihm gegangen sein. Daß er fiel, ist ein Beweis seiner Unfähigkeit. Meines Vaters Streben war nicht der innere Antrieb eines ausgesprochenen Berufs, es war nichts als poetischer Ehrgeiz. Hätte er das große Unglück gehabt, wirklich zum Deemster erwählt zu werden, so würde er sich selbst erkannt haben und die Insel hätte ihn erkannt, und selbst Du und die ganze Welt würden sich darüber nicht haben täuschen können. Als Poet wäre er ein großer Mann gewesen, als Deemster aber nur ein Spott, ein Heuchler, ein Betrüger, ein Schwindler."

Tante Nan sprang mit dem Ausdruck des Schreckens in ihrem lieben alten Gesicht auf; dabei fiel ein Gegenstand flirrend herab auf den Fußboden.

O Philipp, Philipp! wenn ich glauben müßte, daß Du je seinen Irrtum wiederholen könntest-"

Doch Philipp ließ ihr nicht Zeit, den Satz zu Ende zu

Gute

thue es sonst immer. Reb' wohl, mein geliebter Herr und Meister! Du wirst mich wissen lassen, was Du für das Beste hältst. Deine mißliche Lage beunruhigt mich schrecklich. Du siehst, Geliebter, wir beide thun etwas, das ganz und gar nicht in den gewöhnlichen Lauf der Dinge paßt. Nacht. Ich richte den Kopf empor, damit Du mir noch einen Kuß auf die Augen drücken kannst. Und hier sind zwei für Deine Augen." Dann kamen noch zwei leere Klammern[], zwischen welche Stäthe ihre Lippen gedrückt hatte, in der Erwartung, daß Philipp dasselbe thun würde.

II. 991

Philipp betrat am Morgen gerade sein Geschäftsbureau in Douglas, als er einen Boten aus dem Gouvernements. hause in eifrigem Gespräch mit seinem Diener fand. Seine Ercellenz ließ ihn bitten, sofort nach Onchan   zu kommen und dort zum Lunch zu bleiben.

Der Wagen des Gouverneurs stand vor der Thür und Philipp stieg ein. Er war nicht im geringsten aufgeregt und lächelte, wenn er an seine Gemütsbewegung nach der ersten Botschaft des Gouverneurs dachte. Als er seine Wohnung ver­ließ, hatte er nicht vergessen, das Abendessen pünktlich auf acht Uhr zu bestellen.

Philipp fand den Gouverneuer so höflich und herablassend wie immer. Er jaß in einem Gemach, in dem ringsherum lebensgroße Brustbilder früherer Gouverneure hingen, die meisten mit gefältelten Busenstreifen und Handkrausen, und ein mächtiges Gemälde von König Georg.

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Sie werden gehört haben," sagte er, daß unser Deemster des Nordens gestorben ist."

" Ift er tot?" erwiderte Philipp. Ich sah ihn noch gestern mittag um ein Uhr."

,, Er starb um zwei Uhr," sagte der Gouverneur. ,, Armer Mann, armer Mann!" sagte Philipp.

Das war alles. Er zuckte mit keiner Wimper, seine Lippe bebte nicht.

,, Sie wissen, daß die Besetzung dieses Amtes eine Gerecht­fame der Krone ist," fing der Gouverneur wieder an. Etwaige Gesuche müssen, wie Ihnen bekannt sein wird, bei dem Ministerium des Innern eingereicht werden, doch ist es mög­tich, daß der Staatssekretär mich bei der Wahl um meine