Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 107.

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Donnerstag, den 5. Juni.

( Nachdruck verboten.)

Der Manksmann.

Roman von Hall Caine  . Autorisierte Uebersetzung.

III.

Philipps Nachhauseweg ging durch die Stadt; er machte jedoch einen Univeg über Land um Onchan   herum, so schwer lag's ihm auf dem Herzen, so ganz war er von bitteren Gefühlen überwältigt. Das, woran er fünf lange Jahre ge­arbeitet hatte, das Ziel, wonach er gestrebt, für das er ge­fämpft es war sein, er brauchte nur die Hand danach auszustrecken. Und doch, obschon es so gut wie erreicht war, fonnte er es nicht ergreifen. O, dieser Hohn seines Schick fals- diese Fronie seines Lebens. Es schrie zum Himmel, es war, um wahnwißig zu werden!

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Dann flüsterte ihm sein fühnerer Geist wieder zu: Was soll dies findische Toben? Das Glück kommt Dir mit vollen Händen entgegen. Nur Mut, und Du kannst beides haben, das Verlangen Deiner Seele und den Wunsch Deines Herzens beides: das Deemsteramt und Käthe."

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zurück. Schließlich erinnerte er sich seiner Eltern und mußte sich's ausmalen, wie er fünf Jahre nach seiner Heirat mit Käthe zu Hause sizen würde, nachdem das erste Glück, das sie im Zusammensein mit einander gefunden, verblaßt und schal geworden war und sie elendiglich darben mußten in ihrer Ab­geschlossenheit. Oder wenn er vielleicht mit ihr spazieren ginge, stets nur mit ihr, mit ihr allein, nur immer zu zweien, heute, wie gestern abend, und die folgenden Abende wieder, durch die mit Menschen gefüllten Straßen zum Hafen hinab, wo die Fischer zusammenkommen, über die Brücke und die Land­zunge, zwischen Himmel und Meer; an Leuten vorbei, die sich ehrerbietig, steif, frostig vor ihnen verneigten oder ihnen nachblickten, sich einander anstießen und etwas zuraunten, was würde das Ende eines solchen jammervollen Lebens sein? Würden sie sich nicht zuerst unglücklich fühlen, allmäh­lich immer weiter herabsinken und endlich auch schlecht werden? ,, Was für ein Aufhebens machst du aber auch von allem," sagte die Stimme. jezt abermals und lauter als zuvor. Du möchtest gerne das eine thun und das andre nicht lassen, 13 13 aber wer seinen Kuchen aufißt, hat ihn nicht mehr. Dies Aber das zu glauben war unmöglich. Wenn er Käthe alles hat ja weiter nichts zu bedeuten, als daß du den heiratete, würde der Gouverneur ihn nicht zum Deemster Kuchen nicht haben und essen kannst. So nimm denn Käthe empfehlen. Hatte er nicht darauf hingewiesen, daß er die und laß das Deemsteramt fahren." budo qui2 16 un sil öffentliche Meinung der Insel berücksichtigen müsse? Und Aber auch dieser Rat bot ihm nur wenig Trost, denn man war es denn undenkbar, daß der Gouverneur außer dem mußte doch auch in Anschlag bringen, daß, wenn ihn die selbstlosen Interesse, das er für ihn gezeigt hatte, noch von Heirat mit Käthe abhielt, Deemster zu werden, sie ihn zugleich einem persönlichen Interesse beeinflußt wurde, welches ihn daran hinderte, irgend eine Stellung auf der Insel einzunehmen. noch entschiedener als die Furcht vor den altmodischen Wie es seinem Vater ergangen war, würde es auch ihm er mantischen Sitten daran hindern würde, Philipp zu dem Amt gehen es gab hier keinen Raum für den Mann, der wissent zu empfehlen, wenn er nicht das richtige Weib zur Gattin nahm? lich die Schranken der gesellschaftlichen Ordnung durchbrochen Während er durch die Felder schritt, stieg plöglich eine unbestimmte hatte. E Erinnerung an das Frühstück im Gouvernementshause in ihm ,, Quäle dich nicht mit so thörichten Anstrengungen, dir auf, an die Gemahlin und Tochter des Gouverneurs, ihr alle Freiheit der Bewegung zu rauben. Wenn du Käthe und Entgegenkommen und ihre unbegrenzte Huld. Im nächsten die Deemsterschaft nicht beide zusammen haben kannst und Augenblick schon nahm er sich zwar zusammen und empfand auch das Mädchen nicht ohne den Deemster, so bleibt dir alle Qualen der Selbstverachtung; er haßte, er verabscheute nur eines übrig: die Deemsterschaft ohne Käthe. Du mußt das sich, stieß den Absatz heftig in das Lorfmoos des Bodens annehmen und dem Mädchen entsagen. Es ist deine Pflicht und nannte sich einen nichtswürdigen Undankbaren. Die und eine unabweisbare Notwendigkeit." Idee hatte aber doch Wurzel gefaßt er konnte es nicht hindern; das Interesse des Gouverneurs kam gar nicht in Betracht.

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So legte sich Philipp die Sache endlich zurecht; es war inzwischen Abend geworden und er schritt im Dunkeln dahin. Doch die Stimme, die bisher ihm das Wort geredet hatte, legte jegt Widerspruch zu ihren Gunsten ein.

Was für ein Narr bist du, Philipp," schien etwas aus dem dunkelsten Winkel seines Gewissens ihm zuzuflüstern, Schwaße nicht von Pflicht und Notwendigkeit. Du nimm erst das Deemsteramt und heirate Käthe nachher." meinst nur Selbstliebe und Selbstsucht. Sei doch wenigstens Allein, auch das war ein Ding der Unmöglichkeit. Gesezt, er ehrlich. Weil dieses Mädchen ein Hindernis für deine Lauf­hätte es mit allen Künsten der List und Verstellung ausführen bahn ist, willst du es opfern? Es ist grenzenloſe, unbarm­fönnen was dann? Die hohen Wälle des Herkommens herzige Selbstfucht. Nimm an, du verließest sie, würdest du und des Vorurteils blieben doch unübersteiglich. Philipp er- ohne Scham an sie denken können? Sie liebt dich, fie kannte das deutlich, als er an die Unterhaltung im Garten vertraut dir, sie hat dir jeden Beweis der Liebe und des dachte. Der Deemister, der Sitte und Brauch ins Gesicht Vertrauens gegeben. Schweige still! Wage nicht, dir vor schlug, würde dafür leiden müssen. In der Oeffentlichkeit ein zureden, daß niemand es weiß außer ihr und dir- daß hochgestellter Beamter, würde er als Privatmann, von allen du es verschweigen willst und sie nie versucht sein wird zu Standesgenossen in den Bann gethan, ein Einsiedlerleben reden. Sie liebt dich. Sie hat sich dir ganz ergeben!" führen. Ihn fröstelte, wenn er sich das Weib, das seine Zärtliches Mitleid bezwang die Selbstsucht in seinem Gattin geworden, im Umgang mit den Damen vorstellte, die Innern. Als die Lichter der Stadt vor ihm auftauchten, er eben verlassen hatte. Sie war ihnen vielleicht an Bildung sagte er getrosten Mutes zu sich:" Da es hier wie dort überlegen, und was wahre Lebensart, natürliche Anmut und Drangfal für mich giebt, so will ich thun, was ich mir schon Schönheit, Wohlgestalt und Liebreiz betraf, jo ließen sie letzte Nacht vorgenommen habe. Ich stelle es dem Himmel sich nicht einmal im Traum mit ihr vergleichen; dennoch anheim, zu entscheiden, ob ich vor der Welt groß oder klein würde man nie vergessen, daß sie nur die Tochter eines länd- sein soll, und beschließe bei mir selbst, ob ich treu sein will lichen Schankwirts war, und jeder kleine Stein der baufälligen oder glücklich. Ich will mein Herz in die Hand nehmen und Pyramide von Stand und Rang, selbst die Tochter des geradeswegs vorwärts gehen." städtischen Gastwirts würde wie von einem Throne auf sie herab sehen.

In dieser Stimmung kehrte er in seine Wohnung zurück. Die Zimmer lagen voru nach der Atholstraße hinaus und hinten dem Kirchhof von St. Georg gegenüber. Sie waren ruhig und man konnte nicht hineinsehen. Die Lampe   brannte. Der Diener deckte den Tisch.

Lege zwei Gedecke auf, Jemmy," sagte Philipp. Dann fing er an, vor sich hin zu ſummen.

Im Geiste sah er die Damen bereits, wie sie ihre Starten an der Thür abgaben und eilig davonfuhren. Sie waren das der Stellung des Deemsters schuldig und mußten die bittere Pille hinunterschlucken. Dann konnte er seine Gattin allein zu Hause figen sehen, ein elendes Weib, verachtet, beneidet, gemieden, ausgeschlossen von ihrer eigenen Gesellschaftsklasse Als er jetzt in der Tasche nach seinen Schlüsseln suchte, durch ihre Heirat mit dem Deemster und von der seinen durch berührte er einen fremden Gegenstand. Er erinnerte sich, was des Deemsters Heirat mit ihr. Und er sah auch sich selbst. es war das zerbrochene Medaillon seines Vaters. Er Man durfte ihn weder beleidigen noch übersehen, dazu war konnte nicht ertragen, es anzusehen, schloß eine Truhe auf er zu mächtig und zu gefährlich; aber er ging ohne Beifall und versteckte es tief unter einem Haufen Winterfachen. seinen Pflichten nach und kehrte unbegleitet zu seiner Gattin

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Dies rief ihm einen noch peinlicheren Besitz ins Gedächtnis