Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 150.
70]
Dienstag, den 5. August.
( Nachdrud verboten.)
Der Manksmann.
Roman von Hall Caine . Autorisierte Uebersetzung. O, warum erzählst Du mir das, Philipp? Es muß mich ja mit Gewalt dahin zurück ziehen. Und auch das Kind zieht mich zurück... Hat er Dir die Briefe gezeigt?"
,, Du meinst den Tod?"
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Er antwortete nicht. Sie stand langsam vom Bettrand auf, ging zum Fenster zurück, lehnte die Stirn an die Scheibe und blickte in den einsamen Kirchhof hinab, wo der Totengräber feine Arbeit im Regen fortsette. Plötzlich brach sie das Schweigen. Philipp," sagte sie, ich weiß jegt, was wir thun sollen, und wundere mich, daß wir nicht eher daran gedacht haben.
„ Und das ist?"
Sie stand ihm jezt mit fliegendem Atem gegenüber. Sage Pete, ich sei tot."
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,, Nein, nein, nein!"
Sie ergriff seine beiden Hände." Ja! ja!" sagte sie. Er wandte das Gesicht ab. Käthe, wie kannst Du so etwas sagen!"
" Ja, und was weit schlimmer ist, Räthe: er nötigt mich, sie zu beantworten. Gestern abend habe ich eine solche Antwort geschrieben. O, wenn ich nur daran denke!„ Liebes Weib! Habe mich sehr gefreut, Deinen lieben Brief zu erhalten." Gott weiß, mir fiel die Feder fast aus der Hand vor Bestürzung. Er gab Dir über alles Nachricht, wie es Deinem Vater und Grannie geht und den übrigen, alles auf seine frische, muntere Art. Der arme alte Pete, er ist die freundlichste, sonnigste Seele, die es giebt. Der Deemster Was ist wohl natürlicher, Philipp? Bedenke doch, wenn fommt regelmäßig, uns zu besuchen, er hofft, es wird Dir Du ein andrer gewesen wärest, hätte es schon lange so wohl bekommen, daß Du Dein Heim verlassen hast. Es weit mit mir tommen müssen. Ich würde Dir verhaßt sein, war schrecklich, schrecklich! Liebste Kitty, ich entbehre Dich weil ich Dich in diesen Abgrund des Betrugs hinabgezerrt schmerzlich, schlechter war's selbst in Kimberley nicht. So habe, Du hättest mich verlassen und ich wäre verkommen und komme denn bald, mein treues Weibchen, zu Deinem närrischen zu Grunde gegangen. O, ich sehe es alles vor mir, als ob alten Mann, denn sein Herz wird sonst brechen." es wirklich geschehen wäre. Eine einsame Stube, irgendwo- und ich, allein dahinsiechend, von niemand gekannt, ohne Namen, vergessen."
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Philipp sprang auf und fing an mit starken Schriten herumzugehen. Doch warum fag' ich Dir das? Ich sollte meine Laft allein tragen."
Sie hatte die Hände vom Gesicht genommen; ein tiefes Mitleid sprach aus ihren Mienen. Und das hast Du alles schreiben müssen?" fragte sie. odm
Seine Augen schweiften durchs Zimmer. Es wird ihn umbringen, ihm das Herz brechen," sagte er.
Er hat einen härteren Schlag überlebt als diesen, Philipp. Glaubst Du, daß er nicht auch leidet? Trog seiner scheinbaren Luftigkeit und seinen zuversichtlichen Reden, trok aller Briefe und Geschenke leidet er schwer glaube
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" D, er wußte nicht, was er that. Er wollte niemand zu nahe treten. Er hatte keine Ahnung, daß jedes Wort mir wie Feuersglut tief ins Herz hinein brannte. Und doch es mir." war es gerade fo," fuhr er mit harter, dumpfer Stimme und Er ließ ihre Hände los und fing wieder an, im Zimmer schrecklichem Ausdruck fort, als wäre ein der Hölle ent- herumzugehen, doch mit gesenktem Kopf und mit auf dem Stiegener Teufel in den Mann gefahren, um ihm einzugeben, Rücken verschränkten Händen. wie er mich quälen sollte; als hätte ein grausamer Tyrann" Es wird grausam sein, ihn so zu täuschen," sagte er. mich gezwungen, mein eignes Todesurteil zu schreiben. Mir Nein, Philipp, nur menschenfreundlich. Der Tod ist war, als müßte ich ihn umbringen; ich wußte mir nicht anders nicht graujant. Die Wunde, die er schlägt, wird heilen. Sie zu helfen, ja, ich fühlte in dem Augenblick, daß icho, wie wird nicht immer bluten. Wenn er glaubt, daß ich tot bin, schrecklich, so etwas zu sagen!" wird er vielleicht ein wenig weinen und trauern, dann aber" ,, wird alles vorüber Er hielt imme, setzte sich wieder auf den Bettrand und sie unterdrückte einen Seufzer berbarg das Geficht in den Händen. sein. Die arme Frau, wird er sagen, sie hat schwer gefehlt. Ich habe sie einst geliebt und ihr nie etwas zu leide gethan. Doch sie ist dahin, und sie war die Mutter der kleinen Katharine; laßt uns nicht mehr ihrer Schwächen gedenken!"
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Sie tam und setzte sich neben ihn. Philipp." sagte sie, ,, ich richte Dich zu Grunde und mache Dich zu einem schlechten Menschen. Du warst so reinen Herzens und ich, die ich Dich so groß und so edel wünschte, ziehe Dich ins Verderben Philipp hatte nicht mehr auf sie gehört. Er stand am herab. Wenn ich hier bleibe, so ist es Dein Untergang. Fenster, blickte hinab. Du hast recht, Käthe; ich glaube, daß Philipp. Niemand besucht Dich jetzt mehr. Du verschließest Du recht haben mußt." Deine Thür vor jedermann Ich habe Dich letzte Nacht Ich zweifle nicht daran." nach Hause kommen hören, Philipp. Jch höre Dich jede Nacht. Ja, ich weiß alles. O, es wird damit enden, daß Du mich hassest; ich weiß es. Warum schichst Du mich nicht fort? Es wird besser sein, mich beizeiten fortzuschicken. Auch macht es ja teinen Unterschied. Wir sind in demselben Hause, kommen aber nie zusammen. Schicke mich fort, jetzt, eh' es zu spät ist."
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Er ließ die Hand sinken und suchte die ihre, ohne ihr ins Geficht zu sehen. Wir haben beide gelitten, Käthe. Wir können einander nie hassen, wir haben zu sehr gelitten, eins um des andren willen."
Sie flammerte sich fest an die Hand, die er ihr gab, und sagte:„ So willst Du mich nie verlassen, was auch geschieht?"
Niemals, niemals, Räthe," antwortete er, und mit einem erstickten Schrei schlang sie die Arme um seinen Hals.
Der Regen strömte noch immer mit eintönigem Geräusch auf die Dächer und auf die Gräber hernieder.
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Was sollen wir denn aber thun?" fragte sie.
Das weiß nur Gott !" antwortete er.
Was wird aus uns werden, Philipp?" Sollen wir uns nie wieder anlächein? Wir können doch die Last nicht fort und fort tragen. Heufe, morgen, übermorgen, das nächste Jahr- foll es fürs ganze Leben so weiter gehen? Heißt denn das noch leben? Kann man auf keine Weise ein Ende machen?"
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" Ja, Käthe, ja; es giebt etwas, das diesen Zustand enden wird, aber nur eines."
" Es wird ihn schmerzen, aber er wird darüber hinweg kommen."
" Ja, ganz gewiß. Und Dich, Philipp Dich wird er nicht länger quälen. Keine Briefe, teine Geschenke mehr, keine Grüße für Dich."
" Ich will es thun. Ich will es gleich morgen thun," fagte er. Sie öffnete ihre Arme weit und rief: Küsse mich, Philipp, füsse mich. Wir werden wieder aufleben. Ja, wir werden eines Tages noch zusammen lachen füffe mich! füsse mich!"
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Noch nicht wenn ich wieder komme." Nun gut, wenn Du wieder kommst."
Sie fant auf einen Stuhl und weinte vor Freude; er ging hinaus, wie er hereingekommen war, verstohlen, geräuschlos wie ein Schatten.
XVII.
Es
Philipp ging von Ballure nach dem Ulmenhaus. war spät und die Nacht dunkel und still, ohne Mond oder Sterne. Rings herrschte eine feuchte, dunstige Schwüle, man spürte weder Wind noch Luftzug. Die Straße war ruhig, die Bäume regten sich nicht, nur vom Meere her tam ein fernes Gemurmel.
Und wie er so ging, war er bemüht, sich zu überreden, daß, was er thun wollte, wohlgethan sein würde. Es ist unrecht, ihn zu täuschen", dachte er; es wird nur zu seinem eignen Besten sein. Die Ungewißheit würde ihn töten. Er müßte fich innerlich verzehren. Seine Seele würde weder