Mnterhaltungsblatt des vorwärts Nr. 153. Freitag, den 8. August. 1302 «Nttckdruck verboten.» 73} Der ManksmÄtttt. Roman von Hall C a i n e. Autorisierte Uebersetzung. XX. Später, am selben Abend noch, trug Pete die Nachricht nach Sulby. Grannie war in der Schenkstube, und er teilte es ihr vorsichtig, zärtlich und liebevoll mit. Laute Stimmen kamen aus der Küche. Cäsar war dort in heftigem Streit mit dem schwarzen Tom begriffen. Eine offene Bibel lag auf ihren Kniecn. Tom zog sie zu sich hin, deutete mit seinem plumpen Zeigefinger auf eine Stelle und rief:Da ist der Text, und das wird Sie Wohl überführen, Gastwirt*) und Sünder." Cäsar lehnte sich in seinen Sitz zurück und sagte mit der- nichtendem Hohn:Es ist ein schlimmes Gewerbe, das will ich nicht bestreiten. Durch Leute wie Sie wird es zum Aergernis. Ist's aber nicht besser, wenn ein schlimmes Ge- werbe in guten Händen ist als in schlechten? Da ist ein großer Sektenprediger in London , der, wie man mir sagt, sehr warm dafür eintritt, das Gasthaus mit der Kirche zu verbinden und die Geistlichen zu Gastwirten zu machen. In früherer Zeit waren sie das alle auf der Insel Man , und es ist schade, daß es damit vorbei ist. Ich habe den Herrn im Gebet befragt:Soll ich mein Gasthaus aufgeben oder fest daran halten, um es nicht in schlechte Hände geraten zu lassen?" lind ich bin fest in dem Glauben, daß der Herr gesprochen hat:Es ist ein kleiner Weinberg, eine kleine Arbeit in einen: kleinen Weinberge. Halte fest daran, Cäsar." Und das will ich denn auch." Pete trat in die Küche und warf Cäsar seine Trauer- Nachricht herausfordernd ins Gesicht, als wollte er sagen: Da ist das nun genug für Sie? Sind Sie endlich zufrieden?" Mair yee shoh Gott hat es so gefügt; es ist das Werk seiner Hand," sagte Cäsar. Das wäre ein ziemlich schlechtes Werk." sagte Pete.Ich habe jedenfalls weit Besseres von Gottes Hand gesehen." Ein hoher, geistlicher Stolz bemächtigte sich Cäsars; er sah, daß der schwarze Tom ihn beobachtete und seine buschigen Augenbrauen in die Höhe zog. Da warf Cäsar den Kopf zurück und sagte, den Mund kaum öffnend mit einer Grabes- stinune:Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt." Pete schlug ein wildes Gelächter auf. >sagt Ihnen Ihr Geftihl das nicht auch?" fragte ihn Cäsar. Auch nicht von ferne," sagte Pete.Ich habe, so viel ich weiß, dem Herrn nichts zu leide gethau, er aber hat mir mein junges Weib genommen und mein armes, schuldloses Kind der Mutter beraubt." Nuerforschlich ist die Weisheit und Gerechtigkeit Gottes." sagte Cäsat. Unerforschltch?" erwiderte Pete.Das ist gewiß. Doch weiß ich nicht, ob man's Gerechtigkeit nennen kann. Ich selbst thne es nicht. Ich habe das nicht verdient. Gotteslästerung? Das überlasse ich Ihnen. Ich wäre ein Spötter? Mag sein. Der Herr hat mich geschlagen das ist mir genug ich will ihm nicht noch auf den Knieen dafür danken. Der Allnmchtige und ich wir sind quitt." Mit diesen: Wort auf den Lippen verließ er das Haus, finster, unversöhnlich, fast grimmig ein wildes Lächeln zuckte über sein aschgraues Gesicht. XXI. Grannie kam am nächsten Morgen mit zwei Enteneiern für Petes Frühstück nach dem NlmenhauS. Sie kochte sie gerade in einem Schmortiegel, als Pete herunter kam. Komm und iß," sagte sie bittend und setzte ihm die Eier vor, während das Wasser noch aus den Schalen dampfte. Aber Pete konnte nicht. Er hat in den letzten Tagen so gut wie nichts zu sich genommen," sagte Nancy. Sie hatte kurz zuvor ihre Schürze abgebunden, war auf die Straße hinausgeschlüpft und mit *) Der Doppelsinn des Wortes publican, das sowohl Zöllner als Gastlvirt bedeutet, ist in: Deutschen nicht wiederzugeben. einem kleinen in Zeitungspapier gewickelten Paket zurück- gekommen. Vielleicht wird er die Eier unterwegs essen," sagte Grannie. Ich will sie ihm zu dem Taschentuch in den Hut stecken." Um Gottes willen nicht!" rief Nancy.Er gerät leicht ins Schwitzen; dann wird er sich die Stirn wischen und nicht an die Eier denken. Aber hier wo ist Ihre Westentasche, Pete? Haben Sie irgendwo Platz für'ne Kleinigkeit? Da!... Es ist ein Viertelchen Tabak für den armen Burschen," flüsterte sie Grannie mit vorgehaltener Hand zu. So wetteiferten sie mit einander in kleinen Aufmerksam» keiten für den tiefbetrübten Mann. Inzwischen spannte der Kutscher des Postwagens, der nach Douglas fuhr, auf dem Marktplatz die Pferde an und pfiff sich dabei ein Liedchen. Er war ein lustiger, alter Sünder, Namens Krähe, mit einer Kartoffelnase und kurzem Haar, das so steif aufrecht stand wie die Stahlnadeln einer elektrischen Bürste. Nicht lange darauf bog er um die Ecke und hielt am Gartenthor. Die Frauen wurden auf einmal ruhig und hielten sich die Schürzen vor den Mund, als wenn ein Leichenwagen draußen stände; Pete aber war in geschäftiger Eile und sprach mit lauter Stimme, um seine Erregung beim Abschied zu verbergen. Gott befohlen, Grannie; ich werde dort etwas in Ihrem Namen sagen. Leben Sie wohl, Nancy , auch Sie vergesse ich dort nicht. Leb wohl, kleiner Schatz;" er ließ sich neben der Wiege auf ein Knie nieder.Ein Menschenherz hat nicht das Recht, sich für ganz verloren zuhalten, so lange es noch so ein kleines, unschuldiges Wesen hat, für das es leben kann. Lebt wohl." Am Thore drängten sich eine Menge Frauen, die über Käthe sprachen.O, eine feine Person, eine feinere hat es niemals gegeben."Auch mir wird sie recht fehlen; Hab' ich sie doch, sozusagen bis zu ihrem Tode, mit Eiern versorgt. Guten Morgen. Anne Christiane," sagte sie jedesmal, wenn ich an ihre Thür kam. Ich war dort ganz wie zu Hause."Und wie schön sie aussah, als sie mit der Kleinen im Gig wieder heimkehrte. Es ist mir, als wäre es erst gestern gewesen. Und nun o Gerechter 1" Still, still, da ist er ja selbst. Ich könnte weinen, wenn ich den Mann sehe. Das fröhliche Herz in ihm ist gebrochen."Still!" Sie sahen zu Boden, damit Pete ihren Blicken nicht zu begegnen brauchte, und machten ihm den Kutschenschlag auf, weil sie dachten, er werde sich hinetnsetzen, wie bei einem Leichenbegängnis. Aber er wünschte ihnen allen einen guten Morgen, sprang auf den Bock hinauf und setzte sich neben den Kutscher. Der Postwagen hielt am Thor des Ballure Hauses, um den Deemster aufzunehmen. Philipp sah elend und abgezehrt aus; er kam sterbensmatt, aber doch mit fieberhafter Eni- schlossenheit herbei; hinter ihm, eine Decke tragend, Tante Nan in ihrer weißen Haube mit ängstlichem Gesicht, bemüht, ihm allerlei kleine Aufmerksamkeiten zu erweisen. Setz Dich heute hinein, Philipp," bat sie. Nein, nein," antwortete er und küßte sie; dann schob er sie unter beruhigenden Versicherungen wieder ins Thor zurück und stieg an Petes Seite hinaus. Guten Morgen. Peter," sagte die alte Dame. Ich be- klage Ihr großes Unglück aufrichtig und hoffe... Aber lassen Sie den Deemster ja nicht zu lange draußen fahren wenn es... Er hat eine schlaflose Nacht gehabt und..." Fahren Sie zu, Krähe," rief Philipp mit ent- schiedenem Ton. Ich werde schon dafür sorgen, Miß Christian" rief Krähe, den Kopf zurückwendend.Seine Gnaden studiert ein bißchen zu viel das macht�s.Alles mit Maßen", sagt das Sprichwort. Sie selbst sehen dafür um so wohler aus, Miß Christian. Werden, meiner Treu, mit jedem Tag jünger. Ich muß wahrhaftig den ostindischen Kapitän noch herholen. Das will ich auch, haha I Vorwärts, Boxer l" Er knallte mit der Peitsche und die Reise ging fort. Der Tag war ruhig und schön. Der alte Barrule hatte seine gelbe Hausnmtze von blühendem Ginster aus, die Vögel sangen in den Bäumen, und mit dem Wellenschlag am Ufer mischten sich die Klänge ferner Feftglocken. Für Pete war es ein Tag zmtt Herzbrechen, er versuchte jedoch, sich tapser zu halten.