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Er machte einen gewaltsamen Versuch, aufzustehen.| zu zaudern. Als der Doktor einen Augenblick später eintrat, Helfen Sie mir. Ich muß fort! Warum haben Sie mich hatte Pete schluchzend das Gesicht in die Betttücher vergraben auch hierher gebracht?" und Philipps Hand ruhte auf seinem Haupt.

,, Es ging nicht anders; ich habe es versucht, es zu hindern.

" Ich kann ihn nicht ansehen. Ich fürchte mich. Helfen Sie, stehen Sie mir bei."

Sie sind zu schwach, Herr. Liegen Sie ruhig. Nie­mand soll Ihnen etwas anhaben. Der Arzt wird gleich

tommen."

Philipp sank zurück; Furcht sprach aus seinen Mienen. Wasser!" rief er matt.

" Hier," sagte Jem- y- Lord, und hob vom Waschtisch den Krug, aus dem er vorher den Schwamm befeuchtet hatte.

XI.

Früh am nächsten Morgen besuchte Pete Räthe im Ge­fängnis. Er hatte ihr etwas zu sagen, ihr eine Frage vor zulegen, und war entschlossen, dabei seine eignen Gefühle zu beherrschen, sich) tapfer zu zeigen und dem armen Ding wieder Mut zu machen. Innerhalb der Gefängnismauern sah alles falt und grau aus, und als er dem Schließer in die Zelle folgte, konnte er nicht umhin, sich Käthe vorzustellen, wie er sie einst gekannt, so heiter und froh, so voll von Lust und Leben. Er fand sie jetzt zusammengekrümmt auf einem Siz neben dem neu angefachten Feuer in des Gefängniswärters eigner Stube ſizen. Bei seinem Eintritt erhob sie den Kopf mit angsterfüllter Miene; sie sah seine eingefallenen Wangen, die tiefliegenden Augen und den verwilderten Bart.

Halt!" schrie Pete und schob den Krug fort, so daß die Hälfte des Wassers überfloß. Ein Mensch. der im Bett liegt, muß Brandy haben, Sie Dummrian. Warte, mein Junge, ich hab' etwas vom echten Stoff draußen im Speise­schrank. Nur' ne halbe Minute, Kamerad. Ein guter" Ich bin nicht gekommen, um Dich zu quälen," sagte er. Tropfen wird Dir nicht schaden," und fort war er, holter- di- Ich habe ihm verziehen, und auch Dir will ich vergeben." polter die Treppe hinunter, wobei er Nanch fast unirannte, die in Strümpfen heraufgeschlichen fam, weil sie Stimmen gehört hatte.

Das Kind war in der Wiege erwacht. hatte eins feiner fleinen, dicken Beinchen über der Steppdecke zum Vorschein gebracht und unterhielt sich vergnügt mit seinen Zehen.

es an.

Holla, kleiner Schreihals, bist Du auch da?" lachte Pete

Im nächsten Augenblick aber sprang er schon wieder die Treppe hinauf, drei Stufen auf einmal nehmend, die Flasche mit Brandy in der Faust.

Inzwischen hatte sich Jem- y- Lord dem Deemster genähert und diesem mit furchtsamer und geheimnisvoller Miene zu­geflüstert: Trinken Sie's nicht, Herr!"

" Was?" fragte Philipp tonlos. " Den Brandy," sagte Jeni. Wieso?"

" Er wird..." fing Jem an, doch schon polterte Pete die Treppe herauf, und der Diener bewegte nur noch die Lippen und hauchte kaum vernehmbar die Worte: bergiftet sein." Philipp verstand nicht, was er meinte, und eben fam Pete hereingestürzt. Nun geben Sie Ihr Wasser her, Sie alter Schnüffler!"

Während Pete den Brandy in ein Glas goß und dann mit Wasser mischte, griff Jem rasch nach einem Stück Zeitungspapier, das er liegen sah, schrieb mit Bleistift ein paar Worte auf den Rand, riß den Fezen ab und steckte ihn heimlich dem Deemster zu.

,, Vor Pete soll ich mich fürchten," dachte Philipp. Das ist gräßlich, widernatürlich!"

In diesem Augenblick erklang der Huftritt eines Pferdes auf der Straße.

Der Doftor," rief Jem- y- Lord. Endlich der Doktor! Warten Sie, Herr, warten Sie," und er lief die Treppe hinab. Da, nimm es!" rief Pete. das Glas in der Hand, ans Bett tretend. Trint es aus, mein Junge. Es wird Dich neu beleben.' ist erster Güte."

Bete lachte und weinte; er empfand ein ganz neues Glück, das Glück, wieder ein guter Mensch zu sein.

Philipp hielt sich Jem- y- Lords Papier vor die Augen und versuchte zu lesen.

"

,, Was hat mir denn Jemmy da gegeben?" sagte er. Lies Du es, Pete, Mir schwimmt's vor den Augen."

Sete   nahm das Papier mit der linken Hand; in der rechten hielt er noch immer das Glas. Um das Geschriebene besser zu sehen, fniete er am Kopfende des Bettes nieder und beugte sich nach dem Feuer hin. Dann las er, wie ein Schultnabe, der seine Aufgabe hersagt, mit leiernder Stimme die Worte, die Jem- y- Lord aufgeschrieben hatte:" Trinken Sie nicht von dem Brandy. Pete versucht Sie umzubringen."

"

Bete schlug eine gellende Lache auf. Das ist ja ein töstlicher Spaß," fing er an, konnte aber nicht enden. Sein Lachen verstummte, er riß die Augen weit auf, seine Zunge hing wie gelähmt in dem geöffneten Munde, er wandte den Stopf und starrte mit angstvollem Zweifel in Philipps Gesicht. Philipp arbeitete sich in eine sigende Stellung. Gieb mir den Brandy, Pete."

"

Er nahm das Glas aus Petes Hand, hob es an die Lippen, lächelte voll Vertrauen und Zuversicht und trant, ohne

"

wollen

Wie gut Du bist," sagte sie furchtsam.

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Gut?" Er lachte bitter. Ich habe ihn umbringen das beweist, wie gut ich bin. Und es war gerade, als ob alle Teufel der Hölle mich die ganze Nacht durch auf­hezten, es doch noch zu thun. Vielleicht hatt' ich nicht viel zu vergeben. Ich bin wie eine Fledermaus im Hellen, ich weiß nicht genau, wo ich bin. Wenn's die Leute erfahren, werden Sie mich wohl auslachen. Vielleicht, daß sie mich für' nen feigen Köter halten. Meinethalben. Der Hund, der zu Kreuze friecht, wird nie sehr bedauert."

flang.

Seine Stimme schwankte, so hart und rauh sie auch

"

Doch bin ich nicht gekommen, Dir das zu sagen. Du wirst diesen Ort bald verlassen, und ich wollte Dich fragen- ich möchte wissen-"

Sie hatte sich das Gesicht mit den Händen bedeckt. Thu' mit mir, was Du willst, Pete," sagte sie, Du bist mein Mann, und ich muß Dir gehorchen."

Er sah einen Augenblick auf sie nieder. Doch fannst Du mich nicht lieben?"

" Ich habe Dich hintergangen, und was Du mir auferlegft, will ich thun."

,, Aber Du kannst mich nicht lieben?"

" Ich will Dir in Zukunft ein rechtschaffenes Beib sein, Pete. Das will ich, wahrhaftig, das will ich." Aber lieben kannst Du mich nicht?"

Sie fing an zu weinen.

Das reicht hin," sagte er. Ich will Dich nicht zwingen." ,, Wie gut Du bist!" sagte sie wieder.

"

Er lachte noch bitterer als zuvor. Glaubst Du, es set mir etwas an Deinem Leibe gelegen, wenn ein andrer Dein Herz besitzt? Das Spiel hab' ich nun, wie mir däucht, lange genug aufgeführt. Gut? Nein. das bin ich wahr­haftig nicht!"

Er hatte bisher ins Feuer gestarrt, jegt wendete er den Blick seiner Frau zu, seine Lippen zitterten, jein ganzes Wesen veränderte sich.

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" Ich bin hart und will mich kurz fassen. Die Sache ist, daß ich entschlossen bin, etwas zu thun, nur habe ich erst eine Frage an Dich zu richten. Du hast schwer gelitten. Käthe, seit Du von mir gingst. Er hat Dich cin gutes liebst Du ihn Teil' runter gebracht. Doch jage mir noch?"

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Sie erbebte und drückte sich dichter an die Wand. " Fürchte Dich nicht. Es ist Frauenart, den Mann zu lieben, der ihnen Uebles gethan hat. Gut gegen sie zu sein, ihnen Dienste zu leisten und Freundlichkeit zu erweisen, gilt nichts. Möglich, daß es Leute giebt, die sie darum tadein, ich thu' es nicht. Sich hinzugeben mit Leib und Seele, ohne daran zu denken, ob sie dafür irgend etwas erhält das ist der höchste Ruhm einer Frau, wenn sie jemand liebt. trog Darum frei heraus, Stäthe liebst Du ihn noch alledem?"

Die Antwort fam in leisem Flüsterton: Ja." Mehr braucht's nicht," sagte Bete.

"

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Er drückte die Hand auf die Stelle, wo seine alte Wunde war. Ich hätte es wissen können, daß Du mich niemals lieben würdest. Ich hätte es wissen können," sagte er mit Anstrengung. Doch glaube nicht, daß ich, wie man zu sagen pflegt, mein Bündel nicht tragen kann. Ich kenne jetzt meinen Weg- ich weiß nun, was ich zu thun habe."