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denken, daß es zu Hause Morgen ist, daß die Sonne scheint, daß sich ringsum Wärme und Ruhe über alles ausbreitet und Du mit ihr in der alten Kirche stehst."
Er paffte jetzt immer stärker.
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,, Sag ihr, daß ich ihr meinen Segen zurücklasse. Sag thr doch die Art, wie ich rauche, ist schrecklich. Deine Vorhänge werden noch hundert Jahre lang nach Stnaster riechen."
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Philipps feuchte Augen folgten dem Kind auf dem Fuß
boden.
„ Und was soll aus der Kleinen werden?" fragte er mit Anstrengung.
„ Ach, die Wahrheit zu gestehen, das ist es gerade, weshalb ich zu Dir komme. Nun, wenigstens zumeist. Du siehst ein, daß ein kleines Kind für das Baradenleben dort nicht paßt. Zwar schätzt man solch' kleines Ding dort mehr als Gold und Edelsteine, besonders wenn's ein Mädchen ist. Aber doch in der Umgebung von Niggern und rohen Kerlen, die nur einen schwachen Begriff von Sitte und Anstand haben, die.
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Philipp unterbrach ihn eifrig:„ Willst Du sie bei Grannie laffen?" h
Nun, nein, das war gerade nicht, was ich dachte. Grannie wird schon etwas alt und hat ihren Puff weg. Sie bedarf jetzt in ihren alten Tagen der Ruhe. Auch wird sie früher heimgehen, als die Kleine Heranwächst das läßt sich nicht anders erwarten. Nein, ich habe mir vielmehr gedacht - was meinst Du wohl, daß ich gedacht habe?"
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Was denn?" fragte Philipp mit fliegendem Atem. Er wagte nicht aufzusehen.
" Ich dachte bei mir
mun ja, ich dachte... wahr haftig, ich habe gedacht... ob Du nicht vielleicht selbst, jekt Pete!"
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noch rauchend in die Westentasche. Genug davon," sagte et heiser. Was der Mensch nicht alles austramt, wenn er in die weite Welt hinaus will! Er lebt dann nur in Poesie oder dergleichen. Hm, hm!"( er räusperte sich wieder) ,, muß die Pfeife aufgeben. Sit nicht gut für die Stimme."
Philipp konnte nicht sprechen. Die Stärke und Größe des Mannes überwältigte ihn. Es schnitt ihm durchs Herz, daß Pete weder sehen noch hören sollte, wie er seine Schande wegwaschen würde.
Das Kind war quer durch die Shube zu einem offenen Schränkchen gekrochen, das in einer Ecke stand, hatte sich dort einer Muschel bemächtigt und war jekt eifrig bemüht, sie sich ans Ohr zu halten. ( Fortsegung folgt.)
Eine Gletscherwanderung 40 Meter überm Meer.
Ich bin nicht etwa am Nordpol gewesen und auf den Eisbergen fpazieren gegangen. Nur zur nordwestlichen Grenze des Deutschen Reiches bin ich gefahren, dort, wo als einer der Trimmerſplitter des dereinst bis Helgoland südwärts und bis England westwärts reichenden Friesland die Jusel Sylt aus dem gefräßigen Nordmeere ragt, als der Torso einer reichen versunkenen Kultur, als die verfallende Brücke zu einem nahen Tode. Während in dem Weltbad Westerland Taufende strandgemäß aufgeputzter Erholungsmenschen - Trampelbahn im auf bequemer, langgeftredter Bretterstraße Jargon der Badebörse genannt forglos promenieren, als wäre es im Rat der Ewigkeit beschloffen, daß für alle Zeiten dort ermüdete Großstadt- Leiber von der Kraft der Nordseewogen stählern maffiert werden sollen; während dort üppige Gastschlösser empor gewachsen find mit marmornen Treppenhäusern und elektrisch flammenden Glühblumen; während dort alle Delikatessen der in zahllosen Restaurants feilgeboten und selbst der Lotal- Anzeiger", die Woche" und die Morgenpost" Saisonfilialen unterhalten; während die erfrischten Seelen eifriger und feuriger dem rauschenden Gaukelspielen der Geschlechter huldigen, sehnende Augen Blickfeuer senden, rote Lippen girrend scherzen und die gebrännten Gesichter fühner, straffer und fessellofer einander jagen; während in dem feuchten Sand gewaltige, buntbeflaggte mit Devisen voll Budapester Bossentheatergeistes gekennzeichnete Burgen von Kindern im Alter von 4 bis 80 Jahren ausgebuddelt werden, in den doppelfizigen Strandkörben, windgeschüßten Restern, herrlich müßig figende Paare verloren träumen und mit hoher polizeilicher Genehmigung seit diesem Jahr sogar Mann und Weib, sofern sie durch das Standesamt mustergeschützt sind, gemeinsam im Familienbad" den Kampf mit den Wellen aufnehmen dürfen mit meinem( Bade-) Mantel in dem Sturm beschüß ich dich!-- während so eine lustige behagliche Gesellschaft dem Heute sonder Furcht und Grauen lebt und sich sicherer wähnt als in der Großen Friedrichstraße, nagt die Flut wild und tückisch, zäh und unabläjfig; denn ihr gehört das Land samt allem, was auf ihm blüht und wirkt. Gerade in der allerletzten Zeit haben die von Nordwesten und Südwesten eindringenden Hochfluten den Westerländer Vorstrand fast völlig verschlungen; wenn nicht bald andauernde östliche Winde dem Meere den Raub wieder abjagen, so ist das bunte Strandleben dem schnellen Untergang geweiht. Schon jegt treibt jede mäßige Flut die Wasser weit zwischen die Pfähle, auf denen die Wandelbahn und Strandrestaurationen ruhen.
Philipp war aufgesprungen und hatte Petes Hand er- Belt griffen, aber er brachte fein Wort mehr heraus, er fühlte sich ganz zu Boden gedrückt von Petes Großherzigkeit. Und Pete fuhr fort, als bäte er um eine große Gunst:" Sie ist ja mein Herzblut gewesen, so dacht' ich bei mir, und ich hab' niemand anders, dem ich sie anvertrauen könnte, niemand, dem ich sie überlassen möchte. Er wird sie lieben, hab' ich mir gedacht, er wird sie hoch halten; er wird sie aufziehen, als ob sie sein eigen wäre; er wird ganz wie ein Vater gegen fie fein
Philipp rang mühsam danach, seine Fassung zu wahren. noor msd anch habe auch etwas zurückgelassen für sie," sagte Nein, nein!"
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Pete.
Ja, doch; einen der ersten Landsize auf der Insel. Cäsar hatte die Urkunden, ich habe sie aber zum Bürgermeister getragen und alles in Ordnung gebracht. Wenn ich fort sein werde-"
Philipp versuchte Einspruch zu thun.
Aber kann denn der Mensch den Seinigen nicht geben,
was er will."
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Philipp schwieg. Er konnte nichts sagen. Der Schein follte noch bis zum letzten Schluß des Trauerspiels gewahrt bleiben. Und wenn ich da drüben in der Bretterhütte in Aber die Schauer der Vernichtung reifen auch an dieser menschmeiner Schlaffoje liege es giebt gute mit Matragen dort vollen Stätte ins Bewußtsein. Erst der leere öde Norden der Insel und warme Bettdecken, man hat über nichts zu klagen, lehrt die zerstörende Gewalt des Meeres. Eine flache Dampfbarkasse Phil, so werde ich sie von Jahr zu Jahr heranwachsen sehen, Ebbe weithin trocken liegt und bei der Flut zum stillen Binnenträgt uns über das Wattenmeer versunkenes Land, das bei der gerade als ob ich sie unter den Augen hätte. Segt geht sie fee wird zur nördlichen Halbinsel, dem Listerland. Der vollin Aermelschürzen, werde ich denken, jezt trägt sie lange ständig versandete Hafen bildete einst den mächtigen Königshafen, Kleider und steckt sich die Zöpfe auf; jeht ist sie so schlank wie in dem noch am Ende des 17. Jahrhunderts ein Chronist 1673 Schiffe ein Weidenzweig und so rot wie' ne Rose, und das hübscheste von 12 Nationen gezählt hat. Jetzt ist die weite Bucht ganz einsam. Mädchen auf der Insel, und der Mutter wie aus den Augen Ein paar Boote sieht man in der Ferne und in den Sommermonaten geschnitten. O, ich werde sie im Geiste noch deutlicher sehen bringt ein Dampferchen etliche Touristen hierher. In den Himmel als auf einer Photographie." zeichnen Ketten von wilden Enten( Krickenten) dunkle geheimnisvolle Runen, wie Worte einer fremden Sprache. Eine fleine Schar blondhaariger, blanäugiger mnd rotbäckiger Kinder lagern am Strande und mustern neugierig, aber stumm die wenigen Gäste, die dem unmittelbar auf den Sand auflaufenden Schiff entsteigen. Vor uns taucht das Dorf Neu- List auf, wohl ein Dutzend Häuser mit etwa 50 Bewohnern. Mit Ausnahme eines neueren Gasthauses zeigen alle Hütten den altfriesischen Stil; hier stören noch nicht die abscheulichen neueren Aubauten und modernen Gebäude, die wie architektonische Verbrechen an der schönen schlichten, in alter Tradition wurzelnden Volkskunst aussehen. Westerland ist zu einem wüsten Trödelbazar solcher gebauter Nuchlosigkeiten geworden, auch in den andren Dörfern der Insel stören vielfach die elenden Zuthaten neuerer Betriebsamkeit. Hier hat man einen plumpen Vorbau angellegt, mit unechtem Schmud, rohen Holzschnigereien, ausstaffiert. Dort hat man einen alten Giebel mit
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Bete paffte wütend aus seiner Pfeife. Und die Mutter, die werde ich auch sehen. Eine Frau durch und durch! Wo fich ein armes Mädchen in Schmach und Schande gestürzt hat, da wird sie bei ihm sein, dafür will ich mich verbürgen. Und Dicho, auch Dich werde ich sehen, bielleicht mit weißerem Haar, bei sinkender Sonne, doch immer noch stark. Und wenn ein armer Teufel vom Schicksal niedergeworfen ist und die Welt sich vor ihm verdunkelt, wird er zu Dir tommen, um sich Licht und Stärke zu holen, und Du strechst thm die Hand entgegen, weil Du an Dir selbst erfahren hast, was es heißt, zu fallen und wieder aufzustehen, und weil Du ein Mann bist und Gott sich mit Dir versöhnt hat."
Pete drückte den Daumen in seine Pfeife und steckte sie