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fchwarzer Dachpappe überzogen und ihm den feinen alten Zug der Hügel hinan. Oben befindet sich eine Hütte, in der man Bier und Linte barbarisch verstümmelt. Hier aber in der Lift lebt noch un- Schnaps schänkt, als lezte Spur menschlicher Thätigkeit. Und mm- gestört die Volkskunst, die etwa bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts narrt uns einer von den vielen friesischen Unholden?- sind wir triebfräftig bleibt und dann plöglich versiegt. mitten in den-Hochalpen. Himmeltrotzend ragen schneebedeckte Es ist ein fast gespenstisches Problem, warum die neueste Beit öde Kuppen, tiefer in den Thälern grüne Weiden, dort Mulden fast überall den Justinkt für sinnvollen, zweckmäßigen, einfachen und dunklen öden Gerölls, und breit und steil fließen weiß leuchtende natürlichen Stil verloren hat. Diese alten Friesenhäuser scheinen Gletscher am Himmel. Das Auge hat alles Maß verloren. Es wie von der Heide und dem Seesturm selbst erbaut. Ursprünglich sieht in dieser blendenden Dede, während hinter einer fahlen Wolken­bildeten fie eine gerade Linie. Dann hat man in der reicheren Zeit, wand die Sonne klein und silbern gleitet wie der Mond, Meilen da die Inselfriesen als Seefahrer Geld und Schäße in die Heimat statt Meter, jähe Abgründe statt leicht geneigter Flächen. Ist es brachten, vornehmlich im 18. Jahrhundert, einen Flügel für die nicht wirklich ein Gletscherwanderer, die schwarze Gestalt, die in Stallungen im rechten Winkel angebaut. Die beiden Flügel voll- weiter Ferne mühsam und vorsichtig die unendliche weiße Wand enden Steinwälle, in denen allerlei Gräser und Heideblüten Nahrung Schritt für Schritt emportlimmt? Die Täuschung wird vollendet, finden und auf denen wohl auch Schafe paarweise angebunden als wir an einem Abhang die Blume der Hochalpen, den stahlblauen weiden, zu einem Rechted, in dem nun, von allen Seiten gegen den Enzian entdecken. Sturm eingefriedigt, ein Gärtlein anvächst: Fliederbüsche, Rosen, Erst als wir die Dünendistel bemerken, die die Farben des Meeres, Nelken und Levkoien und ein paar zerzauste, oben tellerartig sich des Himmels und des Strandes in sich spiegelt, werden wir uns des ausbreitende Bäume, die nicht über den Giebel hinauszuwachsen ver- Truges bewußt. Diese Alpen sind aus Sand geschichtet. Sand mögen. Die Häuser selbst, die getrennt sich über die Heide zer- bildet den Firmenschnee und den Gletscher. Die hellgrünen Weiden streuen, ragen nur wenig über den Erdboden hervor. Ein paar sind das im Winde ragende Sandrohr, und das Geröll, zwischen Schritte entfernt, und man sieht nur noch noch die hohen, dem Schneefurchen aufleuchten, ist nur dunkles Moos und dürres schilfgedeckten, schön und schlicht gegliederten Giebel, und Heidekraut. Daß aber hier die alpine Flora gedeiht, erklärt man noch ein paar Schritte weiter, dann sind sie in den daraus, daß die aus Norwegen herantreibenden Eisschollen keim­linden Hebungen und Senkungen der rotknospenden baumlosen Heide fähigen Samen der dortigen Gebirge mit sich bringen. bersunken. Diese Hütten scheinen stets bereit, vor den furchtbaren In einem Thale lagere ich mich und träume in dieser spukhaften Herbst- und Winterſtürmen sich in den bergenden Schuß der mütter- Einsamkeit. Ich begreife, daß hier etuft im 17. Jahrhundert lichen Erde zu flüchten. Junerlich aber sind sie wahre Heimstätten, die ans Land gestiegenen Mannschaften der schwedisch - holländischen schützend gegen aller Wetter und Fröste Gewalt. Die Stuben sind Flotte entsetzt flohen, weil sie die Dünen ringsum mit Tausenden nicht fubische Löcher, die man willkürlich nebeneinander gereiht hat, von Männern, deren Waffen in der Sonne strahlten, besetzt sahen. sondern sie zeigen nach innen die äußere Architektur des Hauses. Ueber solches Mirakel schrieb der ehrsame Sylter Schiffer Geile Die Umfaffungsmauern sind nach außen aus roten Ziegelsteinen ge- Peters: 1644 den 25. Mai, am Tage Urbanus, hat Gott durch bildet die Biegelei ist die einzige Judustrie der Insel, außer der wunderbahre Schickunge zugelassen, daß bey hellem Sonnen­Fremdenindustrie innen aber zierlich und behaglich mit blau- scheinenden Licht, als die Schweden auf List gewesen und aldar ge­gemusterten Delfter Stacheln verkleidet. Die einzelnen Räume find schaffet, worselbst fie wahren vor den Dähnischen mit ihren Surch hölzerne Zwischenwände abgeteilt, auch die Decke ist getäfelt, Schiffen eingeflüchtet, wie gesagt, doen ist oder sind ein alles mit einem fröhlichen, sauberen Blau überstrichen. Die Schränke Gespenst von Silt von Silt ausgemarfiren tamen bei dem Standt find in die Wände eingelassen, mit Scheibenthüren verschlossen. Auch von der Seefant langs, als wollten sie nach List, gleich die Betten waren früher in solchem Wandschrank untergebracht. als ein großes Kriegsheer von etlichen Tausend Menschen Freilich der Hausrat stammt zumeist schon aus der modernen mit Gewehr und Harnisch und dergleichen und ist wie Fabrit. Gußeiserne Röhrenofen und Herde haben die alten Feuer- berichtet worden, von etlichen hundert Menschen gesehen worden. ftätten verdrängt. Nur selten sieht man noch ein Spinnrad. Die Dies hat die Schweden so verschrecket, daß sie alles verlassen, in Nähmaschine herrscht auch hier. Und schreckliche Regulatoren" hängen ihre Schiffe sich begeben und nach See gegangen." Es waren an den Wänden. Auch die Nationaltracht ist schon seit dem Anfang aber nur ein paar Sylter und Shiterinnen im gleißenden Sonntags­des 19. Jahrhunderts in wirtschaftlichem Niedergang, weil allzu fost staat, die den Eput veranlaßt.... spielig, verschwunden. Aber alle diese häßlichen Neuerungen haben die warme, sichere Traulichkeit der alten Häuser nicht zu zerstören vermocht. Mag draußen die See wüten nd der Gischt weithin ins Land an die wie mit ehernen Fäusten in die Wände gepreßten Fenster flattern, hier spottet der Mensch als Baumeister den Tücken des Elements und die hohe, blonde, schlanke Friesin, mit den seltsam feinen und ernsten, fast schwermütigen Zügen beugt sich beruhigt die tausendfältigen Todesschreie der vom Meere vernichteten Menschen über die Wiege ihres Kindes, dessen Vater weitab in fernen Meeren ein Schiff steuert...

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Schwärme vou Möven flattern zu meinen Säupten. Sie haben in den Dünen ihre Nester, einfache Löcher mit Seegras leicht ge­polstert. In zierlichem Flug, die Brust wie Marmor schimmernd, freisen sie paartveise. Aber ihr wimmerndes Schreien zerreißt jäh und unheimlich die sacht atmende Stille dieser Düneneinsamkeit. Woher so furchtbare Stimmen in so anmutigen Wesen? Ich glaube, leben in der Mövenstimme. Die Möven waren seit Jahrhunderten die einzigen überlebenden Zeugen des menschlichen Untergangs. Die Geschichtlos scheint das Dasein dieses winzigen einsamen Dorfes. Möven haben das Wimmern der mit dem wild hereinbrechenden nachgeahmt. Der Mövenschrei ist Was wissen die Kinder der Lister Halbinsel von Gestern und Morgen, Tode Ningenden gehört und tein noch so leises Echo so wähnen wir hallt vom rauschenden die erinnerude Geschichte der zahllosen Menschen, die in den Sturm­Strom der Beit in dem versprengten Menschenhäuflein wieder. fluten umtamen. Ihr Untergang prägt sich in ihm ab, wie die Ein Wahn! Denn über diese einfame Halbinsel find prähistorischen Tiere im Gestein. größere und wildere Ereignisse, Jahrhundert für Jahrhundert, Wohl eine Stunde bin ich in dem Lister Dünengebirge ge­hinweggegangen als irgendwo in den menschenvollen Landen, wandert, bis ich endlich den Weststrand des freien offenen Meeres wo gedrängte Schlote rauchen und das Leben lärmend tost. Ich erblickte.

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denke nicht daran, daß in der Lister Tiefe gegen Ende des dreißigs Die vorchristlichen Friesen dachten sich die Welt als ein großes jährigen Krieges die schwedische Flotte von den Dänen vernichtet Schiff. das in dem Himmelsmeer schwamm und das Gott Ualdh, wurde, auch nicht an die andern Seethaten, die bis hinauf zum der Alte, als Kapitän regierte. Sie nannten das Schiff de Mannig­Kriege von 1864 sich bei dieser Halbinsel ereignet haben. fualdh, die Mannigfaltigkeit.

Gewaltigeres als solche rohen Katastrophen menschlichen Frrfinns Die Mannigfaltigkeit bleibt der Welt, auch wenn nur Möven hat hier sich ereignet. Das Dorf List felbst ist nur eine jüngere über das Sandgebirge des Todes fliegen, in deren Tiefen die Dörfer dänische Kolonie. Ginst aber blühte hier weithin reiches Leben, der Menschen schlafen.

fruchtbare Felder, leuchtende Dörfer, glückliche Menschen. Da brach

im vierzehnten Jahrhundert die erste jener verheerenden Sturmfluten

jus

Joc.

aus, der seitdem mehr als 150 folgten. Den Friesen wandert die si chij is dat da Heimat aus- ins Meer, in die Dünen. Die See überfällt das Kleines Feuilleton. Land, verschlingt unerfättlich ungeheure Stücke, dann aber türmt fie in gaukelndem Hohn, scheinbar zum Schutz gegen die eigene Gewalt, riesige Dünen auf. Doch die Schützer find doch mur willige Diener und Vollender der Seethrannei. Was das Meer übrig ließ, begräbt die Dine. Die Sand maffen wälzen fich langsam landeinvärts, überschütten Aecker und Häuser, und dringen unerbittlich weiter. Der Menschens wit sucht sie zu binden und zu bannen, indem er sie durch An­pflanzung von Sandrohr und Sandhafer festigt aber vergebens. Diese Dünen werden weiter pilgern, wie eine ungeheuere, langiam rollende Lawine, fie werden das austernreiche Wattenmeer zur un fruchtbaren Einöde machen und in Schleswig- Holstein ihr Werk fort sezen, die grünen Marschen verdrängend

eg. Sterbender Wald. Das ist die schönste Zeit, wenn die Heide blüht, diese stillen linden Frühherbsttage, wo des Sommers Lust noch einmal aufflammt. Die Luft ist klar und durchsichtig wie Glas, alle Farben leuchtend, alle Formen scharf umrissen, und der Himmel tiefblan und die Sonne goldenhell. Jumia

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Seit dem vierzehnten Jahrhundert ist die Lister Halbinsel unter Dünen verschüttet, die 40 bis 50 Meter hoch sich erheben. Aber indem die Natur zerstörte, schuf sie zugleich ein Wunder unheimlicher Größe und Schönheit.

Gestern bin ich draußen gewesen im Walde. Kreuz und quer bin ich gegangen, ziellos, planlos, ohne Weg und Steg. puntos Die Heide blithte an allen Enden. Ueber Hänge und Halden fpanu fich ein lila- violetter Teppich: die Erika, das Heidekraut. Schwere Duftiogen strichen darüber hin, die Bienen fummmten mit den Hummeln um die Wette, goldbraune Schmetterlinge taumelten wie trunken durch die sonnenflimmernde Luft. Und die Föhren standen hoch und schlank, wie Palmen, und das Moos war weich und dunkelgrün, und über allem lag die Einsamkeit.

Lag da heute, denn es war Alltag... Aber morgen, morgen[ Morgen ist Sonntag! Und es wird laut in dir werden, stille Hinauf in das Gebirge des weißgelben Todes! Ueber die Heide Heide , der Städter kommt! Er kommt unter die dunkeln Föhren, und einen schmalen fruchtbaren Wiesenstreifen geht es einen sandigen er lagert sich in das weiche Moos und in das blühende Heidekraut.