-
- 1692
-
machen müssen, indem er stets diejenige Pfeife an den Mund brachte, die dem verlangten Ton entsprach. Er saß dabei auf einem Stuhl, schlug mit den Füßen abwechselnd den Takt zur Musik, schlenkerte darauf mit den Beinen und geberdete sich wie ein wirklicher Junge. Hielt man ihm ein Licht vor den Mund, so blies er es aus, denn neben dem Flötenwerk war im Junern des Spaniers ein Blafebalg angebracht. Die Töne wurden ebenfalls durch Blasebälge erzeugt, die in Verbindung mit einem sinnreichen Uhriverk auch die Bewegungen der Beine und des Kopfes der Figur bewirkte. Der Mechanismus war so genau gearbeitet, daß er nie versagte noch einen unreinen Ton zuließ.
Intimes Theater. In dem Aufschwung des deutschen Theaterwesens während des letzten halben Menschenalters spielt das Bestreben nach Intimem" eine beträchtliche, doch weniger erfolg reiche Rolle als andre Bestrebungen. Man wird schon nicht recht klar, was mit diesem Schlagwort gemeint sein soll. Am Klarsten ist noch der Gegensatz kleinerer und wohlig ausgestatteter Räume gegen über den üblichen zu großen und prunkhaft ausgestatteten Räumen. Sodann gilt es, in Zusammenhang damit, einen innigen Rapport zivischen Bühne und Publikum. Im wesentlichen aber sollte man hier das Intime doch wohl verstehen als eine Dichter und Schau spielerkunst, die nicht in äußerlichen und groben und stilisierend vereinfachenden Zügen arbeitet, sondern durch innerlich vertiefende, Von großartiger Wirkung war auch eine Damenfigur, die mit feine, mannigfach eindringente Striche, und die im Beschauer beiden Händen mittels Hämmerchen auf einem aus 20 Glasstäben einen Aufbau von Stimmungen hervorbringt. Unter den bestehenden Klavier spielte und dabei sehr natürliche Bewegungen Dichtern mag Strindberg, unter den Schauspielertruppen die ausführte. Ferner fertigte Enslen einen singenden und hüpfenden des Deutschen Theaters zu Berlin diesem Ideal am nächsten Kanarienvogel mit innerem Flötenwerk, Walzen und Federn. Er gekommen sein. In der dramatischen Musik dürfte schwerlich etwas beschäftigte sich auch mit einem Problem, das seit neuester Zeit zu derartiges zu verzeichnen sein; Bayreuth befizt einiges davon, geht wissenschaftlichen Zwecken wieder aufgenommen ist, nämlich mit der aber in der Hauptsache just andre Wege, Wege der Wirkungen auf Herstellung kleiner Luftballons in verschiedenen Gestalten. Man das Festlich- Gewaltige, in großen Linien Ueberwältigende hin. erkannte schon damals die Bedeutung solcher Ballons zur ErEin Intimes Theater" war 1895 zu München entstanden, ein forschung der höheren Luftschichten und eröffnete in den Berliner Versuch, mit Liebhaberspielern mitten in alltäglicher Umgebung Tagesblättern eine Substription für ausgedehnte Versuche mit dieser Wirklichkeit zu spielen. Ein Strindberg, ein Fleischlen und Erfindung, die jedoch nicht genügende Beteiligung fand. Immerhin ein Georg Büchner waren die aufgeführten Autoren, ein wurden etwa 30 solcher kleinen Ballons in Wien und andern Verfließen in Künstlerfestult war das Ende. Vor etwa einem Jahr europäischen Hauptstädten zu den Wolken emporgelaffen. Die größte tröstete man sich über den Untergang des Ueberbrettls mit dem Anerkennung aber fand ein von Enslen konstruierter Seiltänzer in Gedanken an das Erstehen einer kleinen, feinen Bühnenkunst aus Lebensgröße, der seine Kunst mit einer bewunderungswürdigen seinem Schutt. Die Lebenden Lieder" retteten sich in den alten Vollendung jeder Bewegung ausführte und ein geradezu geniales Offenbach hinein, und Schall und Rauch" brachte es zu einer An- Kunstwert der Mechanik darstellte. Die Figur verneigte sich vor dem erkennung der neuen Gattung eines lyrischen Dramas." Das alles Publikum, schwang sich dann mit Eleganz und Leichtigkeit auf das ist im Berhältnis zu dem Anspruch eines großen Schlagwortes Seil, ließ sich herab, hob sich wieder empor und stand schließlich auf gering; am geringsten aber ist wohl das, was wir vorgestern als dem Kopf. Diese Bewegungen wurden nicht etwa ruckweise, sondern ein neues Intimes Theater" kennen gelernt. mit der Ruhe und Grazie eines lebenden Künstlers ausgeführt. Der Die Grenze zwischen Bühne und Brettl, zwischen Kunst und It, Automat verlor auch von seinem Fuß eine Bandschleife und reichte zwischen Aufflammen und Verlöschen in der Berliner Schauspielwelt dann den Fuß hin, damit sie wieder befestigt würde. Für den Beifall läuft über den Alexanderplatz und zwar mitten durch jene Theater- der Zuschauer dankte der Seiltänzer mit Kopfnicken. Die Beschreibung bude durch, in der das leberbrettl an sein Dämmerlicht trat. Längst dieses merkwürdigen Apparats ist noch erhalten. Euslen war auch ist es weiter über diese Grenzen hinausgezogen und hat in der Berliner Gelehrtenwelt hoch geachtet und wurde von der nur seine Schatten zurückgelassen. Aus dem Bunten" foll Berliner „ Gesellschaft naturforschender Freunde" zu jeder Sigung jetzt ein" Jutimes Theater" unter Dr. Arthur Pser- geladen. hofers Direktion werden. Am Mittwoch wurde es er öffnet, aber noch nicht geschlossen. Vielleicht wird es bald
Humoristisches. -Fahnenweihe. Festordner:" Jazzt san ma schö umbenannt: Parodistisches Theater" könnte es mit mehr Recht in der Tint'n! D' Festjungfrau will nimma mitthon, wenn heißen. Parodien auf sociale Zustände und noch mehr auf herrschende ihr der Schriftführer net de rüdständig'n Aliment'n zahlt!" Nichtungen der dramatischen Litteratur waren die eigentlichen Gaben in der Intimität" die Be- Eine wahre Geschichte. Aus der Brühlschen Terrasse Referendare, an einem Tisch, als sich ihnen ein polnischer Jude im jüdisch- polnischen Kostüm( langer Kaftan, lange Stiefel und mit den unvermeidlichen Beies geziert) mit der Frage, ob es erlaubt sei, Platz zu nehmen, nähert und, ohne Antwort abzuwarten, sich niedersetzt. Ueber die Vergrößerung der Tischrunde wenig erfreut, wendet sich der eine der Herren an den Juden mit den Worten: Wissen Sie nicht, daß Sie hier unter Antisemiten sizen?" Worauf ihm die verblüffende Antwort wird:" Entschuldigen Se, meine Herren, so lang Se sich hier anständig betragen, können Se ruhig figen bleiben."
des Eröffnungsabends. Darin und nicht ist eine Wendung zum in Dresden sigen zwei schneidige Vollblut- Germanen, anscheinend
deutung des neuen Unternehmens zu Guten, die der Unternehmer hoffentlich als solche acceptiert. Es gab ein paar gelungene Einafter, die mit einer aber auch gar nicht intimen, sondern derb äußerlichen, einfärbigen Zeichnungsweise zu wirken suchen! Georges Courtelines Verspottungen der französischen Justiz find bekannt; Ein Stammgast" fegte diese Bekanntschaft fort. Hennequin, Bracco und Strind berg wurden bont Pierhofer zur Herstellung dreier parodistischer Che- Bruchstücke"(!) benügt, die die Ehe und die Ehelitteratur lächerlich machen; das letztere geschieht in dem dritten der Stücke( Der Papa") wohl am besten.
H
n
Notizen.
(„ Jugend".)
Zum Schluß eine große romantische" Operette:„ Elisa, die Taucherbraut" von Claude Terrasse . Zum Glück haben wir unsren Musikreferenten zu Hause gelassen; der arme Kollege würde Blut und eine Geschichte der musikalischen Parodie geichwißt haben. Das Stück scheint nämlich in der That eine solche Parodie Der, Simplicissimus" hat für das Jahr 1903 einen sein zu wollen; wenigftens merkt man es an einem Angelruten- Kalender herausgegeben. Außer der Umschlagszeichnung und Terzett und einem Ring- Quintett. Oder ist es nur Mitleid des den Monatsbildern enthält der Kalender nichts als aufgewärmte Kritikers, daß wir daran durch eine solche Auffassung etwas zu retten Sachen aus früheren Nummern des" Simplicissimus " und recht viel versuchen? Annoncen. Geschäft! Geschäft!- ich weiß nicht, h. s.
Gespielt wurde zumeist gut; gesungen wurde soll ich auch da sagen: parodistisch?-
Technisches.
-
-
aus Mar Reinhardt tritt am 1. Januar 1903 dem Verbande des Deutschen Theaters . Er wird sich ganz feinem eignen Unternehmen, dem Kleinen Theater"( Schall und Rauch") widmen. lebt am 20. September im Lessing Theater seine Erst. Josef Lauffs neues Drama Der Heerohme" er aufführung. D
"
-
ie. Ein Hegenmeister aus Alt- Berlin. Vor hundert Jahren starb in Berlin ein Mann Namens Enslen, der sich seinem Beruf gemäß als Optiker und Mechaniker bezeichnete. Er war aber feinen Genoffen im Handwerk so weit überlegen, daß nicht nur sein Ruhm bis auf den heutigen Tag erhalten zu bleiben verdient, sondern auch seine Leistungen in gewisser Beziehung noch jetzt als Gottfried Keller wird ein Grabdential auf dent vorbildlich zu schätzen sind. In dem neuesten Heft der" Central- 3üricher Centralfriedhof erhalten: einen Granitsockel, auf zeitung für Optik und Mechanik" widmet William Bendt dem dem eine Cyste und ein Obelisk aus rosafarbigem Marmor ruhen. alten Meister eine Gedenkschrift, die das Können Enslens Die Cyste hat die Form einer antiken Aschenkiste; sie enthält die in in ein helles Licht rückt. Enslen konnte als Herenmeister tupferner Stapfel verschlossene Asche des Dichters. Der Obelist ist mit in der Schaffung von Automaten bezeichnet werden. Er vermochte einem aus dem Stein herausgearbeiteten Reliefbildnis Kellers ges felbstthätig arbeitende Spielzeuge aller Art mit einer geradezu schmückt. Der Entwurf rührt vom Professor Bluntschli, das Porträt staunenswerten Technik und Vollendung auszuführen. Da war zu vom Bildhauer Rich. Kißling. nächst ein junger Spanier mit der Panpfeife". Bevor das Ein ausgewachsener Seehund, 1,80 Meter lang Orchester zu spielen begann, gab der Knabe die Tonart an. Sollte und 2,20 Centner schwer, ist in der Havel ( in der Nähe von Barey) die Musik einsetzen, so nichte er dreimal mit dem Kopf. Dann erlegt worden. Es ist der erste Seehund, den man bisher in der präludierte der Automat, spielte eine Andante, und Havelgegend beobachtet hat.- sette der junge Spanier" selbst mit der Arie des Papageno " Der Vogelfänger bin ich ja" ein. Die Figur blies Die nächste Nummer des Unterhaltungsblattes erscheint am auf der Paupfeife genau 10, wvie es ein Lebender hätte Sonntag, den 7. September. Berantwortlicher Redacteur: Carl Leid in Berlin . Drud und Berlag von Max Bading in Berin
1