722

Hofe gingen, aus dem die Krone einer Kastanie heraufragte, roch es stark nach Tabak. In einer Ecke lehnte eine lange Burschenpfeife, aus deren Kopf leichter Rauch in dünnen Fäden emporstieg.

Der Professor trug einen leichten, trotz der Hize ganz zugeknöpften Jägerrod", von dem der blonde, ins Rötliche spielende Vollbart sich scharf abhob.

Mit einer Handbewegung, die für seine geringe Körpergröße etwas zu weit gezogen und wuchtig war, fagte er:

.

" Darf ich Ihnen einen Stuhl anbieten?"

Lene setzte sich. Während sie ihn einen Augenblick auf merksam ausah, dachte sie: Stinimt, es ist schon der mit den " Tieren".

Womit kann ich Ihnen dienen?"

,, Mein Name ist Gruber. Ich bin die Tante und Kost­frau des Studenten Fritz Gruber.. Er ist in der achten Klasse... und ich möchte mich erkundigen.

Ueber das sonst etwas verwaschene Antlitz des Schul­monarchen sentte sich sofort die strenge Maske der Autorität. Er framte auf dem Schreibtisch, fand ein zierliches, in rotes Leder gebundenes Notizbuch und blätterte.

Frizz Gruber... Ja... wohl, wohl!.. Er wird die Matura schon bestehen. Seine schriftlichen Arbeiten waren gut Er kann sogar ein sehr schönes Zeugnis erhalten!..." Plötzlich wandte er sich wieder herum und blickte die Frau, deren Gesicht vor Freude glänzte, streng und scharf an. Ja... aber zufrieden sind wir mit ihm nicht." " Herr Professor!..."

Er hob die Hand und machte eine Bewegung, als wollte er mitten in die Luft einen Punkt setzen.

11

-

Es ist etwas in ihm, das jeder Disciplin Hohn spricht Die Wurzel liegt in dem verdammten entschuldigen! Starrsinn der Egerländer. Der ist einer für sich. Er folgt dem Lehrer nur soweit, als er will. Was ihm nicht paßt, meist er ab. Selbst die Person des Lehrers. Das wirkt ver legend, beleidigend!... Sehen Sie, ich weiß die deutschen  Stammeseigentümlichkeiten sehr gut zu schäßen- ich bin deutschnational bis auf die Knochen aber ich bin berufen, dem Staate tüchtige Beamte heranzuziehen. Und die müssen Disciplin im Leibe haben!"

-

Lene war ganz heiß geworden. Mehr und mehr beschlich sie die Furcht, daß ihrem Verwandten im letzten Augenblic eine Gefahr drohe.

Aber, Herr Professor, der Frik will ja gar kein Beamter

werden!"

Der Professor hatte einige Schritte in das Zimmer hinein gemacht. Jetzt blieb er stehen und wandte sich.

Das geht uns nichts an! Darauf können wir uns nicht einlassen! Wir haben unsern Lehrplan und unsre Vorschriften; an diese' müssen wir uns halten. Wo täme auch die Zeit her, jeden Schüler, sagen wir einmal, nach seinen Anlagen und feinem Charakter gemäß zu behandeln. Das Gymnasium ist teine Brutanstalt für Genies!.

.., Mein verstorbener Mann war andrer Ansicht."

Er war wieder zu seinem Sessel zurückgekehrt. Sein Kopf schnellte in die Höhe. ,, Was?"

Er sagte, nicht einmal von den Bäumen im Walde sei einer so zu behandeln, wie der andre. Was dem einen nüße, sei für den andern der Untergang. Einem jungen, einzeln stehenden Laubbaum mit starfer Strone und dünnem Schafte würde jeder eine Stüße geben, während zum Beispiel bei der Fichte..."

Der Professor hatte die Frau einige Sekunden lang auf merksam betrachtet. Jetzt unterbrach er sie, seine Rede ging im reinen Plauderton:

,, Sagen Sie einmal Frau... Frau..."

Gruber..

-

" Frau Gruber entschuldigen-! Haben wir uns schon einmal gesehen?"

Wart', Lump, jetzt hab' ich Dich!" dachte Lene. beinahe gleichgültig antwortete fie:

Mein

Es ist mir auch schon so vorgekommen Mann war Förster   in Konradsreuth  . Ja, jetzt hab' ich's!... Als der Herr Graumann die Jagd hatte, haben Sie uns auch einmal beehrt, Herr Prosessor..."

Sie sah ihm voll in die Augen. Eine leichte Röte ihm ins Antlig.

Er hatte einen Bleistift ergriffen und tippte mit dem runden Beinknöpfchen einigemale auf den Tischrand. Ja... Hat der Vater des Burschen- den Friz Gruber meine ich Vermögen?"

11

-

Der Vater ist tot. Etwas Geld ist da, aber nicht viel, Frit will auf der Universität dazu verdienen

Der Professor, den es ärgerte, daß er sich beinahe hätte einschüchtern lassen, brach los:

,, Da haben wir's ja!... Jekt, Frau Gruber, kann ich Ihnen sehr genau sagen, was aus dem Herrn Frizz wird: Entweder ein Roter oder ein erzreaktionärer Schwarzgelber. Jch prophezeie: Ein Roter."

Rene schüttelte leise den Kopf, sie verstand nicht, was der Professor mit den beiden Bezeichnungen sagen wollte. Der aber fuhr fort:

Jawohl, ein Roter!... Er ist ein sehr talentierter, ein sehr fleißiger Bursche, aber er wird weder in Prag  , noch in Wien   weder ein Stipendium noch eine gut bezahlte Stunde bekommen. Und das muß ihn verbittern, und Warum?... Warum?"

dann

" Ja

"

Er bekommt von uns eine schlechte Sittenklasse."

Lene war emporgeschnellt. Ihr Gesicht war weiß wie Kalf. Der Fritz?!... Hat er was angestellt?"

"

,, Dieser Uebermut muß gedämpft werden!... Und .. Wissen Sie denn wirklich nichts?" Die Frau starrte ihn noch immer fassungslos an. ,, Aber Sie sind doch seine Kostfrau!

Und die... Frau wohnt doch in Ihrem Hause!... Der Herr Professor Botter hat sie schon auf allen möglichen Feld- und Wald­wegen zusammen gesehen... Es ist ja der reine Skandal!... Alle Welt redet darüber

das Zittern. Hier mußte sie sich ganz einsehen, wenn es noch etwas helfen sollte. Mit vor Zorn und Entrüstung rauher Stimme, aber vollständig Herrin ihrer selbst, entgegnete sie: " Ich soll nicht gesund weggehen, wenn ich davon etwas gewußt habe!... Der Fritz ist brav, aber weich... un­erfahren... er ist im Walde aufgewachsen und hat die sich abschließende Gruber- Natur... Ich kann mir's schon denken... Als eine Auszeichnung hat er es empfunden, daß diese Frau Von sich mit ihm abgegeben hat... Und sie.. die... hat mit ihm gespielt, wie mit einer Kage Aber... daß nichts Ernstes vorgekommen, dafür, Herr Professor, lege ich die Hand ins Feuer!... Und das Gerede? Wie ist damals geredet imid gelacht Geredet wird immer.. worden, als auf einer Jagd ein Stadtherr zwei Rehböcke als Tiere" ansprach

Mit einer gewaltigen Willensanstrengung( bezwang' Lene

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

Auf der Bergfrake.

Die Bergstraße ist ein alter Kulturboden, der schon zu Zeiten der Römer wegen seiner Fruchtbarkeit berühmt war. Im Mittelalter noch weiter gehegt und gepflegt, hat er sich immer mehr zu einem Dorado der Obstzucht entwickelt. Merian vergleicht ihn 1645 mit einem lustigen Garten, durchzogen von flaren, forellenreichen Bächen, belebt von allerlei Wildbret und besezt mit föftlichen Fruchtbäumen. Oft von feindlichen Scharen verwüstet, insbesondere von bayrischen, schwedischen und Tillyschen Truppen im Dreißigjährigen Kriege und von den französischen   Banden unter Turenne, hat die Natur im Verein mit dem Fleiße der Bewohner immer wieder die geschlagenen Wunden geheilt und nach wie vor ihren unerschöpflichen Segen gespendet.

Heidelberg   bildet zur Bergstraße ein würdiges Präludium. Es versetzt in die rechte Stimmung, um den Wanderstab zu ergreifen und weiter in das schöne Land zu ziehen. Die Dörfer und Städtchen, die Burgen und Schlösser, die rebenumkränzten Hügel locken mit der Gewalt einer verführerischen Zauberin.

nicht In wenigen Minuten ist man in Handschuhsheim, das halb ver steckt zwischen Kirschbäumen liegt. Und nun nehmen die Obstbäume Aber bis Eberstadt  , drei Kilometer von Darmstadt  , tein Ende mehr. Aepfel bilden den Hauptumfang dieser Kultur. Mag Württemberg   auch den Ehrenplag unter den Obstdistrikten Deutschlands   einnehmen, da die Summe feiner Apfelbäume mehr als dreiundeinhalb Millionen bes trägt, so gebührt der Bergstraße doch insofern der Vorzug, als neben den Alepfeln auch Birnen, Nüsse, Kirschen, Zwetschen, Mirabellen, Reineclauden, Mispeln, Aprikosen und Pfirsiche in stattlicher Menge geerntet werden. In manchen Gärten werden sogar Mandelbäume mit reichem Fruchtertrage gezogen, nicht zu vergessen die zahmen Kastanienbäume, die vortreffliche Maronen liefern. Am Hoch- und Halbstamm und am Spalier hängen in gesegneten Jahren die

stieg Sehen Sie!... Sehen Sie!... Ja, was ich noch fragen wollte..."