Marienbad war es

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738 Illumination, die in jeder Nacht ihren Schein bis an den gedrängt, das Kleinbürgertum fogar so gut wie ausgeschlossen. Die Bo­Himmel warf! pularität des Burgtheaters hat natürlich darunter sehr gelitten. Der Seine Vaterstadt!... Wie hatte er sich nach ihr gesehnt, Theaterenthusiasmus der Wiener wird überhaupt heute nur mehr draußen in der Fremde! Doppelt schwer war ihm der Dienst Privattheater und die in das Privatleben der Künstler hinab­tünstlich erhalten durch die lancierten Notizen der Direktoren der geworden. Und als er dann frei gekommen- kurz bor steigenden Schnüffeleien der Schmods in den bürgerlichen Zeitungen. umarmen hätte er ihn mögen, der Die Not der Zeit, die wirtschaftlichen und politischen Kämpfe haben zum erstenmal wieder seine Sprache sprach. Und wenn er dem Volte der Phäaken einen ehedem ungekannten Ernst eingehaucht, auf dem Kapitol in Rom stand und hinabsah auf die Zeugen einen Ernst, der freilich mehr den Charakter indolenter Verdrossenheit vergangener Jahrtausende, mußte er da nicht immer des hat als den des sittlichen Verzichts auf flüchtigen Genuß. ,, Wastels" gedenken, der auf seinem Bronnen Wache hielt seit Die Erkenntnis, daß das moderne Burgtheater den Zusammens Jahrhunderten in dem schwarzen Nest droben an der bayrisch- hang mit dem Volke verloren und aufgehört hat ein Kulturfaftor in sächsischen Grenze? Wien zu sein, hat den letzten Direktor Burchard zu einem bes deutungsvollen Reformbersuch veranlaßt. Burchard, ein schlechter Theaterleiter, aber ein Mann mit kräftigen socialpolitischen Neigungen, richtete im Herbst 1892 billige Nachmittags- Vorstellungen ein. Der teuerste Parkettsig tostete 1/2 Gulden, die Galeriefige 30 und 20 Kreuzer. Die Karten wurden an die Volksbildungsvereine, an die Schulen und an die Arbeitervereine, an diese durch die Vermittlung der Gewerkschaftskommission abgegeben. Jährlich wurden mindestens 20 solcher Vorstellungen gegeben. Die interesse der Wiener Arbeiter wurde so auf gute Wege geleitet, und Einrichtung bewährte sich ausgezeichnet. Das ungemein starke Kunst­das Burgtheater erhielt wieder ein unbefangenes, nicht blasiertes Volkspublikum.

Dummheit!"

Immer mehr versant der einsame Mann ins Grübeln. Wenn er draußen frank wurde? Oder totkrant nach Hause tam?... Die Verwandtschaft würde sich schon sehen lassen!... Ja, auf eine halbe Stunde... Nein, er hatte nicht einen Menschen, der sich seiner annahm.. Der freie Herr! In ein Spital gehen?

Eiskalt lief es ihm über den Rücken. Und gleichzeitig merkte er, daß ein frischer Wind sich aufgemacht.

Wenn die Försterin..

Bom Bahnhof kam der tiefe Ton einer fächsischen Loko­motive, an dem einen Turmknauf der Nikolai- Stirche glomm ein Funke.

Ueberrascht blickte Sturm auf.

Ueber dem Massiv des Kaisergebirges stand die Sonne. Die Nebel wallten und zerquirlten, die Stadt lag vor ihm. Wie ein breiter Graben der Marktplatz. Eng wie Schluchten die Schul- und Steingasse. Truzig und wie für die Ewigkeit berankert das alte Schloß.

Da neigte der einsame Mann das Haupt auf die Hände, die den Stock umschlossen, und weinte.-( Forts. folgt.)

Zehn Jahre bestanden diese Nachmittagsvorstellungen. Aber in den letzten Jahren, seitdem Dr. Schlenther die Direktion des Burgtheaters übernommen hatte, waren sie immer schlechter ge= worden. Die Preise waren berteuert worden, doch die Vorstellungen waren oft geradezu skandalös. Herr Schlenther stellte am Sonntag Episodisten gaben Hauptrollen. Das ursprüngliche Klassische Repertoire nachmittag feine schofelste Garnitur aus. Anfänger und abgetakelte wurde immer mehr mit Halm und Birch Pfeiffer versetzt. Die Inscenierung war schauderhaft. Wenn einmal bessere Schau­spieler auftraten, durften sie ihre Unlust über den Verlust der freien Nachmittage ungehindert durch nachlässiges Spiel dokumentieren. Kurz, für das Volk war das schlechteste gerade gut genug.

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Troßdem erregte es eine allgemeine Entrüstung, als die Hof­theater- Intendanz im Juli dieses Jahres plöglich verlautbarte, die Vorstellungen am Sonntagnachmittag feien in Zukunft abgeschafft. Dafür werde man den dadurch Betroffenen an Sonnabenden und Sonntagen von 17 Wochen zu den Abendvorstellungen eine Anzahl Galerieplätze zu ermäßigten Preisen einräumen. Die Rechner der für die Arbeiter vorteilhaft. Intendanz und Herr Schlenther selbst behaupteten, die Reform sei Ernsthafte Argumente bekam der Nachmittags- Vorstellungen sei notwendig, weil auch Hofräte man nicht zu hören. Herr Schlenther sagte z. B., die Abschaffung die billigen Logen und Parkettsize in Anspruch genommen hätten und er berief sich sogar auf das socialistische Programm, das die Sonntagsarbeit der Theaterarbeiter verbiete. Die f. t. oftheater- Intendanz und Herr Paul Schlenther als Schüger des socialistischen Programms eine so bezwingende Komödie hatte das Burgtheater schon lange nicht aufgeführt.

Die Arbeiter- Vorstellungen im Wiener Burg- Theater. Die Theaternarren find in Wien eine alte und von den Macht habern jederzeit geförderte Zunft. Schon im Vormärz fand man es flug, dem Volfe statt der Freiheit und des Brots gute Spiele zu spenden und die leichtlebigen Wiener fanden sich mit diesem Trost lange genug ab. Die Theatermanie war damals überall in Europa zu Hause, aber in Wien hatte sie eine besonders günstige Stätte. Das empfängliche Naturell des Wiener Voltes, seine Freude an bunten Aeußerlichkeiten, die unbesorgte, fanguinische Art seines Ge­nießens waren die richtigen Bedingungen für die Entstehung eines inter­effierten und dankbaren Theaterpublikums und der Reichtum der Habs­burgischen Dynastie machte es leicht, die Hoftheater zu Bühnen ersten Neuerung. Die Arbeiterzeitung" wies in einem polemischen Feld­Die focialdemokratische Arbeiterschaft erhob Einspruch gegen die Ranges zu erheben. Man darf auch nicht vergessen, daß die Habsburger damals noch eine deutsche Fürstenfamilie waren und ihre Verzug die Nichtigkeit der dafür vorgebrachten Gründe nach und die pflichtungen gegen die Nation doch auf irgend eine Weise erfüllen Blenarversammlung der Wiener Gewerkschaften, die 34 000 organis mußten. In derselben Zeit, da die geistige Produktion in Oestreich sierte Arbeiter vertritt, forderte in einem Protest die Zurücknahme der Maßregel.

und die Einfuhr litterarischer Genußmittel aus dem deutschen Aus­

land" mit niederträchtiger Büttelgewalt gehindert wurde ,, bewies das herrschende Haus die stärkste Opferwilligkeit, um das Burg theater zum ersten Schauspielhaus Deutschlands zu machen.

Seither hat sich manches geändert. Die Habsburger sind heute eine Familie, die sich je nach Ort und Zeit zur magyarischen oder zur merkwürdigen östreichischen" Nation bekennt, deren einziges Kennzeichen eben die angenehme Thatsache ist, unter dem Habs­burgischen Scepter zu leben. Die Verwaltung des kaiserlichen Ver­mögens iſt ſparſamer, ja bis zur Knauferei berechnend ge­

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Befürchtung, daß die Angelegenheit im Reichsrat beim Titel: Hofstaat Der unerwartete Widerstand der Arbeiterschaft, vielleicht auch die zur Sprache gebracht werden könne, machte die Hoftheaterbehörde geneigt, ihre Berordnung zu revidieren. Sie fezte sich mit der andrer, interessierter Körperschaften ins Einvernehmen und es kam zu Gewerkschaftskommission und mit den Bevollmächtigten einer Vereinbarung, die den Arbeitern erhebliche Vorteile gewährt. war bleiben die Nachmittagsvorstellungen aufgehoben, aber an ichließlich für die organisierten Arbeiter referviert. 17 Sonntagabenden werden die verfügbaren Galeriepläge aus Die Zahl der zugewiesenen Sigpläge beträgt 360, die der Steh­Die Arbeiter erhalten ferner Garderobe und Theaterzettel umsonst. plate 200, was gegen die früheren Ziffern ein bedeutendes Mehr ergiebt.

- fo fält zum Beispiel der herrliche Prater ihrem spekulativen Geist zum Opfer und wird parzelliert das enge Haus am Michaelisplay, das alte" Burgtheater" mit seinen stolzen Er­innerungen und seiner wohlgehüteten Tradition ist seit mehr als einem Jahrzehnt niedergelegt und ein stimmungsloser Prunkbau am Franzens ring hat seine Aufgaben übernommen. Der berühmte" Einlaß daß sie vollwertige Vorstellungen zu sehen bekommen. Die Intendanz Die neue Einrichtung giebt den Arbeitern jedenfalls die Gewißheit, beim Burgtheater, das stundenlange Gedränge am Kaffeneingang lebt macht auch kein schlechtes Geschäft dabei, da die Sommermonate, in nur im Gedächtnis einer reifen Generation fort. Das neue Haus denen Begünstigung gilt, den schlechtesten Besuch aufweisen und die hat mehr Fassungsraum und weniger Anziehungskraft. Eine Reihe idealistischen Arbeiter so für die Bequemlichkeit des zahlungsfähigeren schlechter Direttoren hat den Verfall des Repertoirs und die Zer- Publikums aufkommen werden. Schon die erste Arbeiter- Borstellung störung des berühmten Schauspieler- Ensembles herbeigeführt oder doch nicht zu hindern vermocht. An der Bildung des Repertoires nenen Stils hat dies gezeigt. Es wurde Goethes" Faust" gegeben. Logen arbeiten ja verschiedene Einflüsse mit Sie berüchtigten Komtessen und Parkett waren halb leer, die Galerien ausverkauft. Hoffentlich stücke", harmlose, tugendhafte und langweilige Nichtigkeiten sind ein behält die Hoftheater- Verwaltung die kleine Lektion Socialpolitik, die unaustilgbares Element des Spielplans- die großen Schauspieler der ihr die Wiener Arbeiter eingepauft haben, im Kopfe.

alten Zeit sterben zum großen Teil und von den Ueberlebenden find viele zu Mumien vertrocknet. Die neuen Schauspieler aber finden sich in dieser ehrwürdigen Gesellschaft nicht zurecht. So geben. die meisten Vorstellungen ein Bild, auf dem störend grelle Töne auf einem verblichenen Grunde erscheinen.

Kleines Feuilleton.

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Ein Riesendrache für meteorologische Beobachtungen

Noch immer hat das Burgtheater sein Publikum. Aber es ist am Südpol . Die Kölnische Zeitung " schreibt: Der Luftdrache, erheblich vornehmer" geworden. Die wiederholte Verteuerung der dieses altbekannte Kinderspielzeug, hat seit Jahren Verwendung in Pläge hat auch das mittlere Bürgertum allmählich auf die Galerien der Meteorologie gefunden, um Aufzeichnungen mittels selbst=

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