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" Fanfulla" ist eine Art Gespenst oder Kobold. Er erscheint als der auch äußerlich beinr Programm des Kongresses in die Erscheinung hübscher, junger Mann, und es fürchtet ihn eigentlich niemand, als tritt. Die zwei allgemeinen Versammlungen für alle Teilnehmer sind die Duenna einer jungen Signora oder ein lästiger Liebhaber, dem beibehalten worden; von den dort zu haltenden Vorträgen heben wir er Bossen zu spielen pflegt; bisweilen geht es ja auch ein wenig den über den Bau des Eiweiß- Moleküls, über Elektrotechnik, wieder über die Eltern her. Es ist nur der alte Liebesgott in moderner über Neo- Lamarckismus hervor, welch letterer die Kleidung. Er ist unschädlich und bringt gern Glück und Hochzeit. brennend gewordene Frage nach den treibenden Kräften der Ich konnte aber am Tage darauf es nicht unterlassen, durch das Entwickelung und Artbildung behandeln wird. Daneben aber ist Fenster bei dem Zugtau hinauszusehen. Das Tau lief unterhalb eine Gesamtsigung aller Gruppen vorgesehen, wesentlich also noch dicht an zwei kleinen Balfons entlang, die etwa in Manneshöhe über eine dritte allgemeine Versammlung, in welcher, wie in Karlsbad einander angebracht waren, und vom Nachbarhause ging ein niedriges natürlich, die heißen Quellen von verschiedenen Seiten aus beleuchtet Dach aus, von dem man mit einiger Geschicklichkeit wohl das Tau werden sollen. erfassen konnte und auf einen der Balkons hinaufgelangen. Aber das Ganze war eine halsbrecherische Geschichte.

Seltsamerweise war der Wassereimer halb plattgedrückt. Vittoria flopfte ihn selbst zurecht, als sie es fah. und war sehr zornig auf das Dienstmädchen, daß sie ihn so nachlässig von oben herabließ.­Ich bin noch jetzt sehr bekannt in Perugia , verlebte dort mehrere Sommer und begrüßte bisweilen auch Bittoria Bertuccio, wie sie nun hieß. Sie machten ein großes Haus, und Bertuccio stand, wie es hieß, ganz unterm Pantoffel seiner Frau. Sie war eine der frömmsten Damen der Stadt und stand an der Spize aller öffent­lichen Veranstaltungen und Sammlungen für Kirchen und kirchliche Feste. Der Priester, ihr Jugendgespiele, war ihr Beichtvater, und sie schien ihren Mann aus der Gunst der Geistlichkeit verdrängt zu haben.

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Damals, als ich ihn im Wagen neben seiner stolzen Frau fißen sah, sah er mir so gedrückt, kränklich und alles andre eher, als glücklich aus. Die Bevölkerung in Perugia stand damals was später eine so furchtbare Vergeltung über die Stadt hervorrufen sollte in Rom wegen ihrer garribaldischen Sympathien in schlechtem Lichte. Der Priester Andrea Belmonte wurde plöglich nach Rom bes rufen, infolge eines neuen Verdachtes nationaler Verbindungen, und man jagte, daß der Bankier Bertuccio der Angeber gewesen sei.

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Für die Specialarbeit in den Abteilungen sind ebenfalls eine reiche Fülle von Vorträgen angemeldet. Die ernste Arbeit wird also bei aller Festesfreude keineswegs zu kurz kommen.

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th. Die Ueberfahrt. Langsam mit schweren Ruderschlägen tam das Fährboot vom andern lifer her. Es war leer, aber hier an der Waldecke stand der ganze Landungssteg voller Passagiere. Eine bunt gemischte Gesellschaft. Junge Mädchen in hellen Land­partie- Kleidern, ein Herr und ältere Damen. Dazwischen ein Mann mit einer Kiepe und ein paar Frauen mit schweren Tragkörben. Sie hatten Pilze gesammelt, ein frischer, würziger Duft von Pfefferlingen schwebte um sie her.

Die jungen Mädchen dalberten am Wasser hin, sie schrien und freischten und lachten, stießen sich an und ficherten wieder in die Taschentücher, ohne daß man eigentlich recht klug wurde warum. Eine dicke Dame mit einer lila Seidenbluse stand vorn am äußersten Ende des Steges. Sie schrie hell auf, als das Fährboot näher fam: Oswald, das sieht ja so morsch aus,-- Oswald, da steige ich nicht ein paß auf, wir gehen unter." Aber. Tante," sagte eine junge Frau hochmütig verächtlich- hier auf der Spree , wenn es noch die Ostsee wäre, dent' mal, wie wir nach Rügen fuhren."

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Aber das war doch' n Dampfer, und das sieht so morsch aus." Oswald, nee ich will Die Lilablufige that ganz unglücklich lieber laufen, wir geh'n unter." " Fett schwimmt oben" fagte Oswald" lakonisch. Es war Einige Zeit später hieß es, auch der Bantier wäre übel an­gekommen; die Geistlichen wären durch die frommen Bekenntnisse" offenbar der Gatte. Knirschend schob sich das Fährboot an die Bohlen. Der Fähr­seiner Frau bei ihrem neuen Beichtvater hinter eine Reihe Be- mann warf den Strick um den Balken. Es war ein alter Mann trügereien gekommen, die er bei den Geschäften vorgenommen, welche mit spärlichem Graubart und wettergebräuntem, verrunzeltem Gesicht; er heimlich für die Geistlichen besorgte, ohne daß sie ihn jedoch er stand auf und bot der Lilablufigen hilfreich die Hand. Sie zögerte öffentlich anklagen durften.

Man entsinnt sich aus den Zeitungen des berüchtigten, furcht­baren Blutbades in Perugia im Jahre 1859. Die Bevölkerung hatte gegen die Truppen des Papstes gekämpft, und die Schweizer mordeten hernach wie wilde Tiere in den Gassen Kinder und Er­

wachsene ohne Unterschied.

Vor mehreren Häusern waren Sicherheitswachen aufgestellt, darunter auch vor dem Bertuccios. Aber dennoch wurde er in seinem eignen Flur erschossen.

( Schluß folgt)

Kleines Feuilleton.

bt. Die deutschen Naturforscher und Aerzte, die sich im Herbst jedes Jahres aus allen Teilen Deutschlands zu ernster, wissen schaftlicher Aussprache, unterbrochen von heiteren Festen, zusammen­finden, sind heuer in Karlsbad in Böhmen zusammengetreten. Am Sonntag brachte die Eisenbahn mit jedem Zuge immer neue Gäste aus Destreich. aus Süddeutschland , ans Norddeutschland, die am Abend bei schönem Konzert im Schüßenhause empfangen wurden. Man rechnet darauf. daß etwa 3000 Personen an diesem wissenschaftlichen Kongreß teilnehmen werden; die erste Teilnehmerliste, die bereits Somitag früh gedruckt vorlag. weist schon 500 Ramen auf. Die am Abend sich drängende Menge beweist, daß diese Zahl jetzt schon ver­dreifacht ist, und es ist wohl anzunehmen, daß sie sich bis übermorgen noch einmal verdoppeln wird. llebt doch Karlsbad und die an sich schon eine große Anziehungskraft aus, Einwohner von Karlsbad überbieten sich in liebenswürdigen Veranstaltungen, es den Gästen behaglich zu machen, den vornehmsten wissenschaftlichen Kongreß Deutschlands in würdiger Weise zu be herbergen.

aber noch.

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" Ist es auch ganz gewiß nicht morsch, Sie? Wenn es nu

fintt?" Einsteigen," schrien die jungen Mädchen und drängten nach. Die Tilablufige flog mit einem Wuppdich in das Boot, daß es von rechts nach links schwankte. Sie freischte auf, aber ihr Gekreisch Die andern stürmten nach. Das Boot ging auf und nieder wie eine Wippe. Die jungen Mädchen liefen nach dem Hinterteil, fegten sich und sprangen wieder auf, schaufelten, was das Zeug hielt und quietschten um die Wette. Die Lilablufige hielt fich an" Oswald" und sprang vor Entsetzen gleichfalls hin und her.

" Hinſegen!" rief der Fährmann

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denken Se denn,' s Boot is' n Tanzplatz?" Dabei fann man doch nich rudern." Er hatte das Boot losgemacht, schwerfällig glitt es auf den Stront hinaus.

Nu wer'n Se man nich grob" meinte Oswald, was is denn das für'n Betragen?" Er zog feine Lilablufige aber doch auf die Bant: Jetzt size stille."

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" Ich fürcht' mir so es sind solche Wellen." Aber Tante," wiederholte die junge Frau, das ist doch gar nichts, als wir nach Rügen fuhren

Ihre weitere Rede versant in einem Lachen, die jungen Mädchen quietschten wieder mal. Die Himmelblaue bohrte mit ihrem Sonnen­schirm im Boden:" Hach, seht mal durch die Rizen, da ist Wasser." Ja da ist Wasser!"

" Da ist wirklich Wasser!"

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" Das fonmit wohl von unten durch huh Gott." " Das is'n Leck." schrie die Lilablufige und sprang wieder auf; Oswald, wir sinken, ich steige aus."

" Steigen Se mur", sagte der Mann mit der Kiepe, Se können ja nachschwimmen." Die Pilzfrauen lachten.

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Warten Sie doch, bis Sie gefragt werden." Die Lilablufige war wütend.

Hinsetzen", rief der Fährmann zum zweitenmal. Fräulein, Sie dahinten, nich über Bord biegen,

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denn neigt

Laß ihn doch, was der schon zu sagen hat. Es ist so

leberblickt man die Liste der festlichen Veranstaltungen, die an feinem Tage der Woche fehlen, so könnte man beinahe meinen, daß die gesamte Versammlung lediglich zu frohen Festen, nicht zu irgend einer ernsten Arbeit einberufen ist. Biveifellos trifft dies auch für einen großen Teil der Teilnehmer zu. Namentlich sich der Kahn." die Aerzte haben in der letzten Zeit so viele Special: Du, das gilt Dir, Lina", sagte die Himmelblaue zu ihrer rosen­tongresse abgehalten, daß vielen dieser allgemeine Kongreß roten Nachbarin, die das Wasser durch die Finger spülen ließ. als eine Notwendigkeit in wissenschaftlichem Interesse nicht erscheinf. Wir haben eine Versammlung der Chirurgen, der Anthropologen, romantisch." Die Rosenrote neigte sich noch tiefer über den Kahn. der Ophthalmologen und wie die ärztlichen Disciplinen alle heißen, Er hing ganz nach links. Aber datt is doch..." murrte eine von Versammlungen, auf denen recht fleißig gearbeitet wird, und nach den Pilzfrauen. all dieser Arbeit kommt nun der allgemeine Kongreß mit feinen Ver­gnügungen. Glücklicherweise denkt nur eine Minderzahl so; die Mehrzahl hält an diesem Kongreß fest und besucht ihn, um den Zu- lich fammenhang der Medizin mit der allgemeinen Naturwissenschaft heut ins Wasser,' s is' ne Leiche angetrieben, die zieht Ihnen nach."

nicht fallen zu lassen, und gerade in den letzten Jahren hat sich gegen­über der weitgehenden Specialisierung in Fachwissenschaften ein sehr energischer Zug nach Zusammenfassung wieder geltend gemacht,

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Dem ollen Mann de Arbeet so schwer zu machen!"

Der Fährmann sprach nicht, aber er keuchte, dann zog er plötz­die Ruder ein und sagte ernst: Fräulein, faffen Se lieber nich

" Huch, was ist?" Lina faß auf einmal terzengerade. ' ne Leiche is angetrieben,' n Ertruntener."

Hach und ich versteh', Sie sagen' ne Lerche." Die Rosenrote