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Bum erffenmal fam ihr der Gedanke, ob sie denn auch gut gethan, daß sie nach dem Tode ihres Mannes in die Stadt gezogen. Bisher hatte sie im Drang der Arbeit nie Zeit gefunden, mit sich Zwiesprache zu halten. Samen einmal solche Anwandlungen, dann hatte sie mit Absicht noch mehr auf sich genommen, als sie eigentlich mußte; die Zeit, die alles heilt, würde ja auch ihr Linderung bringen.

Mit dem Einsetzen der Ferien hatte die Arbeit sich sehr verringert. Lene nähte und strickte, unterhielt sich mit Frig über seine Zukunft, aber es kamen doch Augenblicke, Stunden, wo sie sich sagen mußte: Zu was bist Du denn auf der Welt, wenn Du nicht einmal im stande bist, Dich nützlich zu be­schäftigen?

Besuch fam wenig. Das Annerl war während der Ferien bei ihren Eltern, Krämerleuten in Wildstein , der alten Berger mußte ihre Tochter jeden Verkehr mit oben" verboten haben. Selbst die Lise ließ sich ganze Wochen lang nicht sehen. Sie half erst da und dort bei der Ernte, dann bei dem Brauer, der sie sonst jeden Nachmittag beschäftigte, beim Hopfen­pflücken. Stieg sie einmal herauf, dann ächzte und klagte sie: Sie müsse sich doch etwas gethan haben, im Leib sei es ihr so komisch, es würde am besten sein, wenn sie sich legte. Am Vincenzitag, als die Gäste sich entfernt hatten, war sie in der Küche beinahe umgefallen. Und sie hatte doch nur einige Handreichungen gethan.

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Die denkt, weil se'n Bürschtenbinder zum Mann hat, kann fe fich wat rausnehmen.

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,, Na wissen Se, und die müßte doch ganz stille sein. Bei ihre Herkunft überhaupt!"

Die Blondine schlug die Augen gen Himmel.

" Ich denke, se is aus' ne Froßdestille?"

" Jh Jott bewahre, bloß aus'n ollen Tanzbums und ooch nur ' n anjenommnet Kind."

" Was hat se denn eijentlich jesagt?" fragte die Schlossersfrau in das allgemeine Stimmengesurr hinein. Ich bin doch man erst herjezogen."

" Jemeinheiten hat se jesagt," schrie die lange Hoffmann. De Klingner is übern Hof gegangen und oben tudt de Müllern aus't Fenster, und de Lehmann kloppt Teppiche, und dann schreit de ' n Mächen mit'n Liebsten hier und dett machten alle Ladenmächens Müllern de Lehmann zu,' s wär nich mehr reene in's Haus,' s wär so und hielten sich einen."

Nu hör doch Gener, sone Jiftzunge!"

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Die wer'n se ihr in Moabit schon kloppen." " Hat'n de Klingner' n Zeugen?"

Ihre fleene Schwester hat's jehört."

Dett hat ooch sonst noch mancher gehört," sagte die Schlossers frau mit einem Blick auf die Blondine. Die schaufelte jedoch ihr jehört haben. Und überhaupt de Klingern, na, wissen Se!" Wickelkind und sagte gleichmütig:" De Lehmann muß et doch zuerst

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Na, wissen Se? Wollen Sie wat über de Klingern wissen?" Die Hoffmann sah sie herausfordernd an.

" Ich hab' doch nischt jesagt!" Die Blonde that unschuldig, ick sag' mur, de Lehmann muß et bezeijen können."

Die Lehmann?" schrie die Schlosserfrau, die kramt doch mit de Müllern zusammen, die sagt, se heeßt Haase und weeß von nischt." Satan fommt frei." Na, passen Se auf," meinte die Hoffmann, der olle schwarze

Einige Bekannte vom Lande hatten Lene eingeladen. Sie lechzte danach, einmal aus dem Glutofen, den man Stadt nannte, herauszufommen; aber nachdem sie sich die Sache überlegt, blieb sie doch zu Hause. Die sie einluden, hatten Studenten bei ihr, oder wollten Söhne zu ihr bringen. Das hätte ja ausgesehen wie eine Abfütterung! Gruber hatte sound etwas nie gethan; und so ließ auch sie es bleiben.

Mit Mühlessen war der Zusammenhang verloren ge­gangen. Der Onkel und die Tante, die sie erzogen hatten, waren gestorben, eine Freundin hatte sie als elternlojes Kind, das wie ein Tier stets auf der Flucht war, nie gehabt. Oft schalt sich Lene selbst, daß sie sich so schwer an andere anschloß. Aber ihr Leben hatte sich so gestaltet, daß sie immer einsam war. Und wenn sie es sich recht überlegte, war sie eigentlich nie unglücklich darüber gewesen. Sie wußte, was sie sich zutrauen konnte.

Woher also mit einem Male dieses Bängliche, dieses Un­behagen? Ihr Blut rollte doch mit der alten Frische und Kraft durch die Adern! Sie war gesund und schaffens lustig!...

Vielleicht war es gerade das.

Schaffen, arbeiten, aber für wen? Jegt machte es ihr noch Freude, und ihre Arme waren start. Aber wenn das Alter fam? Der schwarze Steinhausen da drüben war auch einmal eine feste Burg und ein so schönes Gebäude gewesen, daß ein Kaiser darin Hochzeit halten konnte!...

( Fortsetzung folgt.)

Zungen.

Nachdruck verboten.

Von Dorothea Goebeler.

Nach Cins wurde es auf dem Hof mit einem Mal lebendig. Es war, als hätte sich das ganze Quergebäude verabredet, aus­gerechnet in dieser Stunde, irgend welche Hofarbeit zu verrichten. Zuerst kam die Steinfegerfrau mit ihrem Teppich. Sie hatte ihn zwar erst vor zwei Tagen gebürstet, sie war aber offenbar für Rein­lichkeit. Mit rührender Gründlichkeit bearbeitete sie Strich auf Strich. Die lange Hoffmann folgte ihr auf dem Fuß. Sie trug einen Mantel über'm Arm und in der Hand ebenfalls Klopfer und Bürste. Sie setzte sich auf den Hauklotz und wartete.

Die Schlosserfrau brachte ihren Ascheimer und wusch ihn unter dem Brunnen, und so kam noch die eine und die andere und wollte Holz hauen oder sonst etwas. Eine große schlanke Blondine setzte sich auf den Mülkasten in die Sonne und schaukelte ihr Wickelkind. Es sah wirklich aus wie ein Rendezvous. Das schien es aber doch nicht zu sein. Man sprach wenigstens von sehr allgemeinen Dingen, vom Wetter und vom teuren Fleisch, und daß man eigentlich gar keine Zeit hätte, und nur so ganz nebenbei fragte auf einmal die mit dem Kinde:" Js denn die Müllern schon zu Haus?" Drei, vier Stimmen antworteten unisono:" Ih wo, man jetzt noch nich!" Der Termin fangt erst Uhre Elfe an." Wenn das man um Fünfe zu Ende is."

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Na machen Se man nich sowat,' s is doch bloß' ne Injurie." ,, Aber wat for eene! Ob se verdonnert wird?" " Da tönnen Se Jift druf nehmen, Hoffmann, die muß fizzen oder blechen!"

Dett wär so recht, det olle Schandmaul,' n armet Mächen so zu beleidigen. Und wo die Klingnern so'n anständjet Mächen is."

,, Dett wär' ne Affenschande! Wo se allens verheizt und verklatscht det Schikanieren im Haus."

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Det hat se schon als Mädchen so gemacht," erzählte die Blonde. Na, wissen Se, ich kenn se doch noch von de Schule her und mein Mann hat auch schon jesagt, nimm Dir bloß vor die Frau in acht. Aber dicke thun mit'n Rosenhut und bei's Milchmädchen is se schon acht Mark fchuldig.

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" Ich denke, Sie sind Ihre Freundin, Harnacken?" fragte die Schlosserfrau mit einem Blick über die Achsel. Sie jehn doch immer mit se aus." Stille!" Die Hoffmann stieß sie in die Seite: Jezt kommt se." Vom Hauseingang her kam eine Frau in den Hof. Hochrot im Gesicht, die Lippen zusammengefniffen, biesterte sie auf den Seiten­flügel zu. Nur ein halber Blick streifte die Frauen, er schien aber zu genügen. Die Müller drehte den Kopf, ihre schwarzen Stech­augen bohrten sich auf die Harnad, die einen Schritt vorgetreten war. Die Müller schoß auf sie los: Du dett is gut, dett ick Dir treffe. Wat haste gesagt? Du hast ja gestern de Klingner gefagt, Du hast jehört, wat id jejagt habe, darum soll id fufzig Mari bezahlen? Dir wer' id dett besorgen."

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Wat soll ick gesagt haben?" schrie die Blonde auf: Nischt hab' id gefagt, dett is' ne Lüge, dett ick wat gesagt habe. Laß mir in Ruh!" Sie war freidebleich geworden. Sie wandte sich um und wollte nach dem Hause, aber die Schlosserfrau trat ihr in den Weg und stemnite die Arme in die Seite: Wat soll' ne Lüge sein, Frau Harnacken? Frade haben Se's zu de Klingnern jesagt. Sie haben noch ville mehr jesagt. Jck wer' Ihnen mal sagen, wat Sie jesagt haben. Alles haben Se jehört, haben Se jesagt. Die soll stille sein, haben Se jefagt,' ne Kesselflickersdochter is se man, aus de Lumpen haben Se se rausjepellt! Und reine aus Inade und Barmherzigkeit! Und de jauze Schule hat se nich anders jenannt wie Konradis verlumpte Anna."

" Und eben haben Se noch detselbe jesagt," rief eine Stimme aus dem Chor.

Die bei ihre Herkunft, na wissen Se," äffte eine zweite. , Das is ja jar nich wahr," schrie die Blonde weinerlich, wie können Se denn so was sagen? Ich wer' mir mein Recht schon fuchen." Sie zog die Schürze vors Gesicht und begann wirklich zu schluchzen.

Die Müller, die einen Augenblick sprachlos gestanden, fuhr in­dessen von neuem auf sie los:" Du, dett haste ihnen auch jesagt? Du, nu wer' ick Dir mal wat sagen: und Du willst wat sagen und bist von de Treppe jefallen, Du mit Dein Siebenmonatskind? Wenn De nich' ne reiche Schlächterdochter wärst, hättste noch nich mal' n Bater zu jekriegt."

Ein gellendes Gelächter tönte aus der Runde.

" Dett is ja nich wahr," schrie die Blonde wieder.

Jd jag's meinem Mann, id jeh auch vor's Jericht. Und de Hoffmann hat schon eben von Dir jesagt, Du bist'n Schandmaul und' ne jift'ge Kröte."

" Na so'ne Jemeinheit!" rief die Schlosserfrau, jetzt sagt se wieder, wat man so spricht."

" Und sagt's noch janz falsch," empörte sich eine andere. ' n ollen schwarzen Satan haben se Dir jenannt!" triumphirte die Blonde, die da.. die da.. die hat's jefagt." Sie zeigte auf die Hoffmann. Und Du willst mir schimpfieren!" I

" Ich zeije se an," schrie die Müller, ick zeije se alle mit'nander an, id tann ooch meinen Prozeß haben, Frete, Du mußt et mir