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Mühlefsen!

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Das mußten die beiden Pappeln sein, die vor der Kirche standen. Sie waren schon zu ihrer Zeit alt und wipfeldürr... Daß sie sich so lange hielfen! Und da war ja auch der Turm, viereckig und plump wie ein Festungsturm aus der Schweden­zeit. In den Schalllöchern hatte sie gesessen und über das Land geblickt, voll Sehnsucht, das Herz geschwellt von Wünschen. War etwas in Erfüllung gegangen? Von den Kinderträumen wohl keiner. Wenn sie aber wieder an Leibitsch dachte, an den Tag, da man ihnen den in der Eger ertrunkenen Bater ins Haus gebracht hatte, wie sie die Tante abgeholt, um Mutterſtelle an ihr zu vertreten vorwärts gekommen war sie doch.

Der große Baum vor Ensenbruck mußte die alte Föhre sein, nach der sie sich richtete, als sie in der Nacht vor dem efligen Hofbauer floh. Hatte sich tot gesoffen, der Lump, und war kein Schad' um ihn!

11150 Sollte denn die lustige Schmiedmeisterin von Hartessen­reuth noch leben?... Sie mußte doch einmal den Bauer am Bühl fragen... Wie hatte sie gesagt? Wer schnell ernst wird, is bald alt! Das Lachen, Mädel, is teine Sünd'" Hatte sie, die Gute, Fröhliche, recht gehabt? War ihre Lebensauffaſſung nicht Anfang an Lebensauffassung nicht eine doch zu ernste?... Ach, ihr Leben war hart gewesen, vom Anfang an... Sie besaß ja noch das geblümte Brusttuch, das ihr die Schmiedin als Hochzeits­geschenk gegeben.

geworden.n

Aus der Hochzeit war nichts geworden. Der Stingl- Hans!

Lene mußte lächeln. Suhbäuerin" in Ragengrün? Das fonnte sie sich heute gar nicht mehr vorstellen. Und wie hatte fie damals geweint, als sie das Geld, das ihr Liebster brauchte, um das väterliche Wirtschaftl übernehmen zu können, nirgends aufzutreiben vermochte! Jahrelang hatte sie daran getragen. Und hente? Was sollte man thun, an was sollte man sich halten, wenn immer alles anders kam, man heute dafür dankbar war, das früher etwas fehlschlug, das man damals mit aller Inbrunst gewofft?!

Ganz deutlich glaubte sie Grubers Stimme zu ver nehmen:

"

Wenn Du nicht vor Dir selbst zu erröten brauchst, haft Du recht gethan!" Gut 103

1990 Lene gab sich einen Ruck, ihre Augen wanderten. 91639Da lag die kleine Höhe vor dem Walde, der herabsteigende Garten mit den Obstbäumen, das Forsthaus und dahinter die Holzhauerhäuschen: Konradsreuth ! Wo das Schwarzholz gestanden, flaffte eine Lücke, aber gegen den Tilln zu ragte noch die dunkle Mauer des Waldes; und von ihr hob sich zum Greifen deutlich die Siedelung ab. In den Fenstern lohte die untergehende Sonne. 196 in th

Lebenspilgerschaft! Lene hatte das Wort von einem Prediger gehört. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Unter ihr lagen alle Stationen, die ihr bisher geworden im Leben. Und feine war darunter, auf der sie gegen ihren Willen verweilt...

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Erlaubt?"

Eine fleine Gestalt stand vor Lene. Sie erkannte den Doktor Schmidt. Wie immer hatte er die ledernen Ueber schuhe an, trug er den alten Regenschirm halboffen unter dem einen, ein Buch unter dem andern Arm. Der Blick ſeiner Fischaugen ging gerade aus, irgend wohin. Er mußte um die Waldspite, vom Pulverturm her, heraufgekommen sein. 6ing Lene nickte.

Aber, Herr Doktor!" 190

Lene fah vor sich hin.

So würde ihr Brief zu spät kommen!

Wenn sie die Frau war, von der der Doktor gesprochen? Sie schloß die Augen.

Wie ein Rausch stieg es in ihr auf.

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Dann würden Lieses Kinder schnell eine Versorgung ge funden haben...

Und sie wäre frei und unabhängig, reich und keinem ver. pflichtet...

Mit beiden Händen faßte sie ihren Kopf und schüttelte ihn hin und her.

Was würde Gruber sagen?"

Sie begann zu zittern.

Du hast den Mann abgewiesen, weil Du ihn nicht mochtest. Jetzt willst Du sein Geld nehmen?... Er bedachte Dich, weil er glaubte, Du wärest ihm gut Falsch bist Du, wenn Du es thust!... Und glaubte er nicht an Deine Liebe, r illst Du ein Geschenk empfangen, wie ein Bettelweib?.. s Die Verwandtschaft um ihr Recht bringen?" bringen?" anis Lene suchte nach Gegengründen. Die Verwandtschaft war reich..

Manchen talentierfen Burschen gab es im Lande, dem man Wie viel Gutes fonnte sie mit dem Gelde stiften?!.. mit ein paar Gulden das Studium ermöglichen konnte... Und die schlechte Armenversorgung der Stadt!..

So kam das Geld doch wieder auf den großen Haufent und heckte und heckte..

Sie ri; die Hände von den Augen.

Würde Gruber angenommen haben?... Nein!"

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Die Sache war entschieden.

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Die Sonne war hinter Sanct Anna untergesunken.

Lene erhob sich,

Sie war gesund, und ihre Arme waren start. Sie würde weiter arbeiten...

War sie denn nicht schon heute unabhängig?

Afs Frig abgereist war, hatte sie den Jahresabschluß gemacht. Sie hatte die erhöhte Pension nicht in Rechnung gestellt, aber das Geld für Lieses Begräbnis und einige Gulden für die Kinder blieben schon noch übrig

Studenten würde sie haben, so viel sie wollte. Von den armen fonnte sie jedes Jahr einem mit durchhelfen. Und wie viel vermochte sie auch den andern zu nüßen, die mit gesunden, frischen Sirnen und voll Lerneifer aber ohne Manieren nach der Stadt famen!...

Als wären es ihre eigenen Kinder, wollte sie sich ihrer cnnehmen.

Ihr Inneres war ruhig.

Sie wußte, daß der Sturm, der sie die letzten Tage durch wühlt, der letzte gewesen.

Was auch die Zukunft bringen möchte, sie würde es nehmen, wie es fam, und sich so halten, daß Gruber, wenn er noch lebte, sagen müßte: Das hast Du recht gemacht.

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Lene Gruber trat auf das Sträßhen hinaus, das am Groll- Steller vorbei nach der Stadt führte. Aus

er borbe stieg der Rauch ferzengerade in die Luft.

Ein neuer, schöner, flarer aber fühler Tag stand in Aussicht. Der Herbſt war da!

Auch meiner ist gekommen!" dachte Lene.

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Aber mit leuchtenden Augen ging sie hinab, an die Sbeit.­

Nur einen Augenblick.. Muß gleich wieder gehen... fuhwarme Milch trinfen!... Gut... sehr gut für die and offe seid anu dir 2 Lungen!... Kann Ihnen empfehlen...

Er riß die Augen noch weiter auf.

Haben schon gehört? Wahl... dritter Wahl­förper!... Aeh... Alles durcheinander!... Nur die Haupt­hähne gewählt... Bürgermeister. Schuster Funk... der Brezelbäd. Sturm, selbstverständlich... Sonst alles Stich­wahlen. Sturm übrigens tot..."

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" Der Sturm?" b Wissen das auch nicht?... Ja!.!. In München ge­ftorben. Schwester dort gewesen... Ganze Verwandtschaft in Aufruhr!.. Soll sein Geld einer Frau vermacht haben! Sicheres weiß man noch nicht... Dummer Sterl!... Mein Geld friegt Waisenhaus!... Die jungen Burschen sollen in die Welt hinaus... was lernen. Nicht hinter dem Ofen versauern... Immer gesagt... Muß gehen... Kuhwarme Milch... ja... Empfehle mich!..."

Sonntagsplauderei.

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Unten im zweiten, aus weißen Glasursteinen schimmernden Quergebäude des neuen Vorwärts"-Haujes, Lindenstraße 69, wölbt ich weit und licht der Thronjaal der eisernen Majestät. Hier ragt Mammuthzeit der Erde ihre Riefenleiber schleppten. Es iſt ein sie geruhig, wie eines jener ungeheuren Deinosaurier, die in der Nachttier. Am Tage schläft es und verdaut. Nachts aber, wenn ein geheimnisvoller Strom unsichtbar den Leib gewaltig durchflutet, dann wacht es auf, redt seine stählernen Glieder und stürmisch freisend zaubert es eine Springflut schöpferischer Arbeit hervor, in­dem es in fein unersättliches Gedärm ganze Wälder verschlingt, die zu Druckpapier gewalzt sind.

zierlichste Tänzerin. Zwischen scharf geschliffenen Schwertern vers Siebenhundert Centner schwer, ist der Riese behend wie die tritt oder auch nur rasten muß, um Atem zu holen. Seine Lunge mag er auf leichten Spizzen zu wirbeln, ohne daß er einmal fehl ind sein Herz fennt keine Ermüdung. Und wenn er tanzt, erschüttert Er erhob sich, vorsichtig, damit dem alten Regendach i er nicht einmal das Haus, das sich über ihm erhebt. Er hat sein nichts geschähe, und balancierte die Höhe hinab.

Reich auf einer Insel, völlig geschieden von dem Fundament, den