-

790

fauft hatte, und lobte fich ein wenig bei diesem oder jenem Stück, das er billig und nach vielem Suchen erstanden hatte. Ihre Freude war warm und echt. Sie war so von Herzen zufrieden. Die vornehme, altväterisch- prächtige Um­gebung, aus der jie kam, hatte sie nicht verwöhnt. Sie jubelte über jedes besonders hübsche Stück und brühte in der Küche unter seinen Augen den Thee auf und bereitete den Abend­imbiß mit all den neuen Geräten.

Dann saßen sie zum erstenmal an ihrem Tisch und speisten. Das glänzende Gedeck hatte Lene aus der Truhe ge­nommen. Ein paar feine Reste von der Hochzeitstafel fanden sich auch vor. Das Salz fehlte zwar, und sie mußten mit blechernen Küchenlöffeln den Thee umrühren aber Lenen wars doch so traumhaft glücklich zu Mute, als erlebe sie ein Volfmar lehnte sich, während sie abräumte, in die Sofa­ccfe zurück und blickte in die Lampe  .

Märchen.

-

Als sie wieder eintrat, sah sie einen Schatten in seinen Augen. Den ganzen Abend, während sie die Schäße ihres jungen Reiches gemustert hatten, war's ihr gewesen, als habe er wie unter einem leisen Druck geblickt, gesprochen, fich bewegt.

Sie setzte sich zu ihm und schlang die Arme um seine Schulter. Leiſe wandte er den Kopf und nickte ihr zu. Etwas Träumerisches, Zwiespältiges Glück, das sich her­ausringen möchte aus den Nebeln einer tiefen Verstimmung, lag deutlich auf seinem Geficht.

-

wählt sind, mur als Mittel, um gewisse bedeutsame, dauernde Grud züge der menschlichen Natur in großartig gesteigerter Symbolistik dem könnten auch vor dem Drama des Belgiers stehen. Auge vorzuführen, Da und dort klingt ein Echo italienischer Renaissance in die Handlung hinein, aber nirgends wird auch nur der Anlauf zu einer breiter ausmalenden Milieuschilderung genommen. Pisa  , Florenz  , der Städtekrieg der beiden, die Zeitverhältnisse alles ist nur da, um der Handlung jene wunderbare Einfachheit und Zuspizung zu geben, die der Poet zu dem vollkommenen adäquaten Ausdruck der Idee bedurfte. Unermeßlich ist der Abgrund, den so der Dichter zwischen Monna Vanna und dem Florentiner Söldnerhäuptling sich auf­thun läßt; er mußte es sein, wenn die höchste Kraft der Liebe ge= zeigt werden sollte, die das Unmögliche ermöglicht und selbst über diese gähnenden Klüfte ihre Zauberbrücken schlägt. Je länger man dem Werte nachsinnt, um so mehr erstaunt man über die Kunst, mit der der Dichter das, was zu sagen ist, auf die einfachste und alles Wesentliche doch umschließende Formel reduciert hat.

Pisa   wird von dem Heer der Florentiner unter Principalli be­lagert. Von Tag zu Tag erwartet Guido Colonna, der Kommandant Bijas, den letzten Ansturm des Feindes, dem die durch Hunger ent Da fräftete Bevölkerung nichts mehr entgegenzufezen hat. der alte Marco, mit einer unerhörten kehrt sein Vater, Er weiß, die Botschaft Botschaft von Principalli heim. wird sein Sohn nicht annehmen. Aber Pisa   muß ge­rettet werden! Darum hat er, bevor er zum Sohne ging, Sen Rat von Pisa   und Monna Vanna die Kunde gebracht, Principalli, verdächtigt des Verrates und zerfallen mit dem Florentiner Regiment, wolle die Stadt vor dem Hungertode bewahren, er werde Hunderte von Wagen, beladen mit Lebens­mitteln, sofort Guidos Gattin, Richard!" jagte sie voll tiefer, Leidenschaftlicher Liebe. Banna, ohne Geleit, Den madten zeib mut mit lojem Mantel So hatte er jie nie gesehen. Sie füßte ihn aus freiem An- gekleidet, in sein Kriegszelt hinabkomme. Eine Nacht soll sie trieb und streichelte ihm leise und zärtlich das Haar. Richard bei ihm verweilen, am Morgen darf sie frei von hinnen ziehen. -- das ist nun unser Glück! It's Dir nicht genug? Bist keiner denkt höher von Monna Banna, als Marco, aber darum erwartet er, in dessen Brust die stürmischen Gefühle der Jugend Du nicht zufrieden?" Gr till längst erstorben sind, er, der philosophische Zweifelnde, der, allen ( Fortsetzung folgt.) adim jo thot Leiden zu Trog, von der Kostbarkeit des Lebens im tiefften Herzen raight atted 19th 192 überzeugt ist, daß fie, die keuscheste und reinste der Frauen, das Opfer auf sich nehmen werde. Als er ihr davon gesprochen,

"

Maeterlincks Monna Vanna.

200

tam tein Schredensruf über ihre Lippen. Sie erbleichte und floh.

Guido, wie er von dem Plane Principallis hört, wallt in wilder Empörung auf. Cher will er fierben, als jene Schmach in dem,

miul 20( Deutsches Theater.) bul Hoch iſt der Dich Dichter in diesem letzten Werke gewachsen. Was was ihm das Teuerste, erleiden. Der weite, duldjam abwägende wir bisher von ihm besaßen, das waren wenn man die gräu- Sinn des Vaters scheint ihm ein schmutziger Verrat an allem lich verworrenen sogenannten philosophischen" Werke mit ihrer Hohen. In den Kreis der Streitenden eilt Monna Vanna herbei. prätentiös aufgebauschten fümmerlichen Minstit, wie billig, ausscheidet Ihr Herz blutet bei den Dualen des geliebten, dankbar verehrten Gatten, furze, lose gefügte Scenen ohne Charakteristik und Entwickelung, aber eine unabivendbare Notwendigkeit hat der Gedanke, daß sie märchenhaft phantastisch, aber hier und da auch zu einer reifen gehen muß, um Bisa zu retten, sich in die stille, flare Seele hinab stimmungsvollen Phantasiemacht und einfachen, ergreifenden versenkt. Guido beschwört sie, er rast, er beschimpft sie, er will sie Symbolen sich erhebend. Was ihn im innersten Herzen bewegt, der fesseln lassen. Umsonst, sie geht.

Klang, der aus den stammelnden, geheimnisvollen Lauten dieser Der Gedanke des Notwendigen verhüllt ihr alles andre. Ein­Dichtung immer wieder heraustönt, das ist das schreckhaft Un- fach und schlicht tritt sie ins Zelf des Principalli. Wie sie, nur mit bestimmte, die Ahnung umfaßbar rätselhafter, Schicksalsmächte, die dem schwarzen Mantel bekleidet, dem Lager nahte, hat ein Streif­den Reigen des Lebens führen, und das bange zitternde Grauen. schuß ihre Schulter getroffen; sie achtet dessen nicht, so wenig wie Es giebt ein Bild von Sascha Schneider  : Das Gefühl der Abhängig- Brincipalli der Wunde achtet, die ihm, dem in Erwartung Fiebernden feit." Ein nackter Mensch, die Arme gefesselt, schaut gesenkten Hauptes ein Abgesandter des Florentiner Rates eben geschlagen. Den Bor in das finsterglimmende Auge eines Ungeheuers, das die langen, hang seines Beltes zieht er zurück und sie sieht in langen Reihen dürren Spinnenarme in engent Kreis um des Opfers Füße ver- den Zug der fruchtgefüllten Wagen nach der Festung Potas   hinauf­schränkt hat. Kein Entrinnen ist möglich. Unabwendbar muß er in bewegen. Er heißt sie niedersißen auf dem Lager, jie thut es ohne Wider­das feindliche Auge schauen. Es ist wie ein Symbol jener rede. Und num hebt jenes wunderbare Werden und fich Verwandeln an Maeterlincschen Dichtung. Der Alpdruck des Gespenstisch- Ungewissen, Der wilde Rausch, der Principallis Seele ummebelte, verfliegt, wie vor dem alles, was Menschen thun und denken, zu jammervoller Nebel in der Sonne, vor der stillen, duldenden Hoheit dieser Frau. Ohnmacht zusammenschrumpft, lastet auf seinen Gestalten, die das Die Liebe, die schwärmerisch- hingebungsvolle, die, nur leicht ent Schicksal tückisch belauert. Da ist die Schar der Blinden  , die den schlummert, immer in ihm lebte, schlägt die Augen auf. Er kniet Führer verloren, die bange entseelende Erwartung, die dem Tode am Fuße des Lagers nieder, Giovanna" ruft er. Erstaunt blickt sie voranschreitet, da sind die Schlösser mit den endlosen, finsteren ihn an. Und nun in brausenden Wirbeln ergießt sich das Geständnis Galerien, Verließen, unterirdischen Seen, alles, was Märchen- feiner Liebe. Er war im sonnigen Venedig   ihr Jugendgespiele, und phantasie ersonnen, verwandelt zu einem Symbol des Dunkels, das alle Sehnsucht seiner Jünglings- und Mannesjahre hat ihr gegoften. uns alle sputhaft umfängt. Die Binde, die die blutende Stirn bedeckt, schiebt er beiseite und nun erkennt sie ihn an dem Kinderlächeln", das ihm treu geblieben. Die fernen freundlichen Bilder erwachen im milden Scheine der Erinnerung, sorgend richtet sie an ihn die Bitte: Laß mich die Binde fester knüpfen." Und was Principalli von der Liebe, die ihn ewig ruhelos umhergetrieben, erzählt, das weckt Gedanken, die sie nie gedacht in ihrer Brust. Nicht an ihn und nicht an sich denkt sie im Augenblicke. nur, daß es etwas Großes sein muß um eine Liebe, die das ganze Leben erfüllt. Aber eine solche Liebe sollte nicht zaghaft sein, sondern fühn." Jch hätte zum Schidsal gesprochen: Mach Blazz, ich komme.. Es ist ein fernes Wetterleuchten des Kommenden. Principalli ergreift ihre Hand. Sie zieht sie zurück. Meine Liebe zu Guido ist minder seltsam als die, welche Ihr zu empfinden meint, aber sie ist Der Schauplatz, fagt uns der Dichter, sei Pisa   am Ende des gleichmäßiger, treuer, beständiger... Ich werde keine andre haben; 15. Jahrhunderts. Aber natürlich, nichts lag ihm, ebenso wie Hebbel  , und wenn sie einer bricht, ich werde es nicht sein. Wenn ich dessen Judith in den Voraussetzungen der Handlung manche ver- Worte sprach, die Ihr mißdeutet, so sprach ich sie nicht für Euch und wandte Züge aufweist, ferner, als der Gedanke, ein im engeren nicht für uns, sondern im Namen einer Liebe, die das Herz im Sinne des Wortes historisches Stück zu schaffen. Die Worte, frühesten Dämmerschein zu sehen wähnt, die aber nicht die meine und die der große Dithmarsche feinem Werte vorausschickt: es nicht die Eure, denn Ihr thatet nicht, was eine solche Liebe thäte." fei teine von den Wachslerzen, angezündet, um irgend Nur daß er alles, alles aufs Spiel sezen fonnte, daß er Florenz  einen geschichtlichen Vorgang oder Charakter zu beleuchten, feine berriet, mit seiner ganzen Bergangenheit brach, um eine Stunde mit Gräberberzierung mnd Transfiguration des Gewesenen, um feiner ihr zu verleben, verleben, dünkt ihr ein Uebergroßes, Seltsames. selbst willen, sondern ein Bild, in dem historische Hintergründe ge- Nicht ein einziges Lächeln möchte ich von Euch durch eine Lüge

Der Schicksalsglaube Maeterlincs lebt auch in seiner Wonna Vanna. Was geschieht, erscheint als die Vollziehung einer geheimnis­voll, von fernher bestimmten Notwendigkeit. Aber das Sput- und Gespensterhafte ist gewichen. Nicht von außen her vollzieht sich das Schicksal, sondern aus dem inneren Grunde wollender und handelnder Menschen wächst es organisch empor. Seine Notwendig­feit erfüllt uns nicht mit dem zagenden Bangen über die Ohnmacht menschlicher Natur, sondern zeugt von den verborgenen Wunder­fräften, die in ihr schlummern und zuweilen in strahlender Flammen schönheit hervorbrechen. Das Drama ist ein Triumphgesang auf die Macht der großen Liebe, der, seltsam rührend, in die Tiefen der Herzen greift.