Robben und die Wnlrosse, die an den ttfem des Meeres wohnen. Unter diesen Tieren ist der Moschusochse(ovidos maschatus) am interessantesten, weil man seinen Pelz und seine Haut verwerten tann, und außerdem auch sein Fleisch, das genügend genießbar ist, um von den Bewohnern der Polargegend gesucht zu werden, und das den Forschern in diesen ungastlichen Breiten eine kostbare Hilfs- quelle ist; sie sind immer sehr glücklich, wenn sie unterwegs Moschus- ochsen finden. Das Tier verdankt seinen Namen dem sehr wenig angenehmen Moschusgeschmack, den sein Fleisch manchmal annimmt. Der ausgewachsene Moschusochse ist kleiner als der Bison, erscheint wegen seines langen, dichten Pelzes aber größer; er mißt etwa zwei Meter in der Länge, und seine großen, fast 60 Centimeter langen Hörner geben ihm das Aussehen eines großen Widders. Man trifft ihn auf den Inseln des Eismeeres, an den nördlichen Küsten Grön- lands, im Osten wie im Westen, und auf den beiden Abdachungen deS Smithsundes. Man hat sein Vorkommen vom 60. bis zum L0. Grad nördlicher Breite festgestellt. Dieses Huftier lebt mit Vorliebe in den Bergen; es ist trotz seines schweren Aussehens flink und klettert wie eine Ziege. Die Moschusochsen leben truppweise, teils um besser den eisigen Winden zu trotzen, gegen die sie sich zum Schutze auseinanderdrängen, teils um vereint gegen ihre Feinde zu kämpfen, unter denen der Wolf obenan steht. Obgleich die Eskimos hauptsächlich von dem Fett der Fischottern und Walfische leben und die Haut des Renntieres benutzen, suchen sie auch den„Ooming- meing"(so nennen sie den Moschusochsen) nicht nur wegen seines warmen Fells, sondern auch wegen seines Fleisches zu erlegen. Manche Tiere wiegen bis zu 350 Kilogramm; durchschnittlich liefern sie 180 Kilogramm Fleisch. Die Eskimos jagen den Moschusochsen auf eine ziemlich merkwürdige Art. Zuerst errichten sie im Gebiet des Moschusochsen Schneehütten, in denen sie sich niederlassen. Dann gehen sie allein oder paarweise fort, um die Umgebung zu erforschen. Wenn sie die Spuren des Wildes bemerken, so erkennen sie auch das Alter, was für sie sehr wichtig ist. Haben sie die Spuren festgestellt, so organisieren sie die Jagd für den folgenden Tag. Dann herrscht großes Leben in den weißen Hütten. Schon am Abend vorher sind die Hunde mit Riemen aus Fischotterfell angelegt; man will so der- hindern, daß sie durch ihr Gebell die Ochsen, die sich nachts dem Lager nähern, verscheuchen. Die Hunde zur Verfolgung des Wildes werden an die Schlitten mit Riemen festgebunden, die andren werden angespannt. Bei Tagesanbruch brechen die Eskimos auf und spornen die Hunde an; aber sie vermeiden Schläge mit der Peitsche, da sie die Ruhe stören und das Wild stutzig machen würden. An dem bezeichneten Ort machen sie Halt, überlasten die Schlitten den Frauen und jungen Leuten, machen die Hunde los und befestigen die langen Riemen an ihrem Gürtel. Jeder trägt in der Linken ein Gewehr und führt mit der Rechten einen oder mehrere Hunde. Dann lassen sie sich von den Tieren pfeilgeschwind fortziehen. Sobald die Jäger die Moschusochsen bemerken, die einen Kreis zur Verteidigung bilden, lassen sie die auf diese Jagd dressierten Hunde los und schließen die Tiere ein, die bald unter den mörderischen Kugeln der geschickten Schützen fallen. Früher, als die Eskimos noch keine Flinten hatten, griffen sie trotz der großen Gefahr die Moschus- ochsen mit dem Messer an. Die Polarforscher sagen, daß das Fleisch der männlichen Tiere einen schrecklichen Moschusgeschmack hat, der bei den weiblichen und jungen Tieren fehlt; aber die Eskimos machen keinen Unterschied und regalieren sich an dem einen wie an dem andern. Das tierische Leben hört mit dem 84. Grad auf. Je mehr man sich dem Pol nähert, um so seltener trifft man einen Vierfüßer, und die große Schwierigkeit, den Nordpol zu erreichen, liegt zum Teil auch an dem AufhZven jeden animalischen Lebens.—» Theater. Deutsches Theater..D' Mali", Schauspiel in 4 Akten von Max Bern st ein.— Der Vater der Mali ist ein kleiner Schuh- machermeister in München und hat die gute Stube an einen eleganten Zimmerherrn vermietet. Man kann sich denken, wie es kommt. Der reiche junge Mann, der eine flüchtige Liebschaft sucht, das arme gute, liebe Mädchen, das, von den» Schein geblendet, dem Fremden, der die graue Monotonie ihres Arbcitslebens kreuzt, sich rückhaltlos bewundernd und liebend mit überquellender Seele hingiebt, um nach kurzem Glücke zu furchtbarer Enttäuschung zu erwachen— wie oft sind wir ihnen auf der Bühne, in der Novelle, im Roman begegnet I Das Gretchenschicksal verliert dadurch, daß die Verfiihrer keine Fauste, sondern„moderne" jämmerlich triviale Gesellen sind, denen nur die Phantasie der Verführten auf Augenblicke ein höheres Wesen andichtet, gewiß nicht seine erschütternde Tragik. Es ist ein Konflikt, den in hundert verschiedenen Kombinationen und Mischungen das Leben immer erneut, und der, so lange das Leben ihn wiederholt, auch stets die das Leben nachschaffende Kraft der Dichter reizen wird. Ein altes Thema, doch das ist kein Vorwurf, wenn es dem Künstler gelingt, das alte, durch eigne Formung neu und bedeutsam, so daß es wie ein frisches Erlebnis uns in seinen Bann zieht, zu gestalten. Das Schauipiel Bernsteins, des Münchener Rechtsanwaltes, war gewiß nicht Schablone, aber zwingend war es ebenso wenig. Eine Reihe fein beobachteter und stimmungsvoller Einzelzüge, die sich doch nicht zu einem geschlossenen in seiner Geschlossenheit überzeugendem Bilde aneinander fügen l Das Drama steht an innerer Fülle und Bewegtheit hinter Schnitzlers„Liebelei", an die es in manchen Wendungen leb- hast erinnert, und auch weit hinter Hirschfelds„Mütter" zurück. Und die scharfe Satire gegen die offizielle Heuchelmoral der Gesell- schaft, die es vor diesen beiden Stücken voran? hak, kann sich mit dem funkelnden Spott in der„Erziehung zur Ehe", dem besten noch immer'o wenig bekannten Drama HartlebenS, das den Zufalls- rühm des„Rosenmontag" in Wahrheit verdiente, keinesivegs der- gleichen. Der Landesgerichts-Direktor Wiedemann predigt seinem Sohne ganz dieselben Erbaulichkeiten wie Hartlebens Frau Günther dem ihrigen: Liebe jene Mädchen wie Du Lust hast— nur nicht ehrlich. Soweit darf es niemals kommen, daß über derlei Ber- Hältnissen ernsthaste gesellschaftliche Pflichten vernachlässigt werden Da ist die Grenze.... Der gefährliche Wendepunkt, wo sich ein junger Mann zu entscheiden hat, ob er mit der Gesellschaft oder ab- feits von ihr leben will I Aber wie viel schärfer, wie viel lebendiger ist dort die Zuspitzung I Bei dem Landesgerichts-Direktor muß man unaufhörlich an die Rolle denken, die die Absicht des Dichters ihm zuerteilt, bei Hartleben quillt das alles mit absichtslosester Natürlichkeit hervor. Darum wirkt es dort auch so ganz anders. Sehr hübsch sind Scenen der Liebenden im ersten und zweiten Akt, und die Darstellung that alles, um den Eindruck zu erhöhen. Irene Driesch war eine prächtige Mali . Wie sie mütterlich um den Alten besorgt ist, wie sie im Gespräch mit dem Znnmerherrn(Herr K.a h ß l e r) so einfach, so verständig daherredet, wie fie die Schmeicheleien schlicht zurückweist, und unerschrocken den Katechismus eitert und wie dann endlich doch die Walzerllänge sie zur Redoute locken, das alles kam frisch, reizend und lebendig heraus. Und gleich vortrefflich war sie in der großen Scene mit dem Vater, der bewegtesten und besten des Stückes. Reinhardt spielte den Alten mit dem weichen, arglosen Kinder- herzen wunderbar ergreifend. Der Schuhmachernreister ahnt nicht, was vor seinen Augen fich abspielt. Felsenfest glaubt er an seine Tochter. Allen Menschen traut er das Beste zu: Der Znmner- Herr, ein lieber, junger Mann und der Herr Vater, der Direttor, muß erst recht ganz ausgezeichnet sein, hat er doch in einer Rede öffentlich erklärt, daß alle Menschen Arbeiter und alle guten Arbeiter gleich wert sind I Da läßt Malis Bruder, der schon lange Verdacht hat, ein Wörtchen fallen. Der Alte versteht erst nicht und als er versteht, da hält er es für giftige Verleumdung. Nur daß sie den Verleumder Lügen strafe, dringt er mit Fragen in das Mädchen. Wie sie ihm auslveicht, packt ihn die Bangigkeit und dann, als er die Wahrheit erfährt, ein jäher furchtbarer Zorn. Mit Gewalt zwingt er ihn nieder. Er will helfen und retten. So darf ihm sein Kind nun und nimmer geraubt werden. Wir leben doch nicht unter Wilden, es giebt Recht und Gesetz im Lande, und Recht soll ihr werden, der wackere Mann, der Direktor, wird es gewiß nicht vorenthalten I Wenn der erfahren, lvas sein Sohn ge- than, wird er ihn selbst den Fehltritt durch die Ehe gut zu machen heißen. Der dritte Akt bringt die Auseinandersetzung der Väter. Hilflos steht der Arme vor dem korrekten, kalten Herrn, der ihm lächelnd mit Juristenweisheit Stück für Stück seine wunder- samen Gerechtigkeitsgedanken zerbrochen bor die Füße wirft. Wie mit dem Alten so wird der swebsame Carrieremensch, die in politischen und Majestätsbeleidigungs- Prozessen erprobte Säule der Gesellschaft fHerr Sauer war vorzüglich in der Rolle), auch mit dem rebellisch aufmuckenden Sohn schnell fertig. Scharf geraten die beiden aneinander. Der Sohn— die Figur ist unklar und präsentiert sich in jedem Akte anders— will von dem Mädchen nicht lassen; die heuchlerischen Sittlichkeitsphrascn empören ihn. Doch der Alte kennt sein Blut. Er stellt das Ultimatum: Unter- wcrfuug unter seinen Willen oder Bruch. Leider verpufft nach dieser Steigerung der Schlußakt wirkungslos. Die Linien verwischen sich hier. Der junge Mann ist zu den Lcchners zurückgekehrt, er erklärt dem Mädchen, daß er die Treue halten werde, aber im geheimen nagt die Furcht in ihm und der Zorn über das Opfer. Was in Wochen und Monaten hätte geschehen können, daß die Mali, um seinem Stolze die Beschämung zu ersparen, selbst zu der Trennung drängt, erscheint, wie es fich hier in wenigen Augenblicken abspielt, ganz unvernüttelt und willkürlich. Und ebenso ist auch bei ihm die Wandlung viel zu jäh, um glaubhaft zu wirken. Sein Hinausstürmen, als ihn die Worte Mali's die Brücke zur Flucht gebaut, ist unwillkürlich possenhaft. Schluchzend bricht das Mädchen zusammen. Der alte Lechner beugt fich, selbst zerschmettert, tröstend über sie. Possenhaft, und zwar vom Anfang bis zu Ende, ist der Sohn des Alten, eine gehässige und fade Karrikatur eines Socialdemokraten. Ursprünglich hat Herrn Bernstein vielleicht nur der Gedanke vorgeschwebt, durch die Kontrast- figur des Sohnes die vertrauensselige Weltzufriedenheit des Alten noch schärfer hervortreten zu lassen, aber wie die Ausführimg ge» raten ist, hat es geradezu den Anschein, als sei dabei auf die aller- dümmsten Vorurteil- eines Bourgeois-Theaterpublikunrs spekuliert. Die ersten drei Akte wurden mit starkem, der letzte mit geteiltem Beifall aufgenommen.— llt. Musik. Man glaube nicht, daß wir einen gut stilisierten Unsinn oder Unwirklichkeitssimr oder Unmöglichkeitssinn von dem Range der Kunst ausschließen und nicht auch als Basis einer musikall, chcn Aufschüttung anerkennen wollten. Zumal wenn man sich wirklich nur amüsieren will, oder gar, weim die musikansche Auffchllttung nicht aus Schutt von der Straße besteht. Viel mehr als einen solchen hat Hugo Felix, der uns bcretts von einer der allzu vielen Operetten der letzten Jahre(„Rhodope ") her bekannt ist, in seiner ,M adame Sherry" nicht geliefert; doch er hat ihn so geschickt, mit so hübschen Kniffen ausgeschüttet, daß
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19 (4.11.1902) 215
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