beim Bureau beb Deutschen Theater« an»der aus der Kunst- Desinsektionsanftalt am Alexanderplay. Mr kommen doch allmählich vorwärts in der preußischen Kultur I Die Kunftwache liegt nicht mehr in den Händen eines gewöhnlichen Schutzmannes, sondern ein kömglich-preußischer Assessor läßt sich jetzt herbei, die sanitäre Litteraturbeschau zu übernehmen. Und auch das ist ein Fortschritt: Man prüft nicht mehr bloß das plumpe gedruckte oder geschriebene Wort. Man greift vielmehr mit nerviger Faust mitten ins volle Leben der Generalproben hinein und packt alles, was interessant ist. Der Censor vervollkommnet sich zur feinsten Durchdringung der verborgensten Seclenimste. Er hebt die Sittlichkeit des deutschen Volkes auf die Höhe eines preußischen Assessors und behütet fie vor dem Anblick lasterhafter Geberden, unzüchtiger Tön« und schmutziger Walzer. In der That, läßt sich nicht das harmlose Wort„Redoute- von einem gewissenlosen Schauspieler so aussprechen, daß eine Hexenküche von Gemeinheit in ihm rumort? Jedes Wort kann durch die bloße Betonung zu einem Bergehen gegen das Straf« gesctzbuch werden, und die Bewegung eines Lackstiefels ist im stände die Moral der Nation in ihren Tiefen zu erschüttern. Indessen, mir scheint, man befindet sich immer noch auf halbem Wege. Wer bürgt dafür, daß die aus der Generalprobe glücklich gestrichenen frivolen Geberden nicht bei der öffentlichen Vorstellung wiederkehren? Es wird also notwendig sein, um Aergernis zu ver- büten, in jede Theatervorstellung einen Kontroll-Assessor zu«nt- senden. Und wenn er dann auch nur e i n unsittliches Stinie- runzeln gewahrt, so wird er sein Antlitz mit dem Taschentuch bedecken und damit das Zeichen zur Aus- lösung der Vorstellung geben. Zugleich ist damit ein Mittel gegeben, die Ueberfüllung der juristischen Laufbahn zu beseitigen, an deren Stelle zweifellos eine Leutenot an Assessoren der höhereit Sittlich- keit eintreten wird. Und noch in einer andren Beziehung ist das System des Kunst- assessorismus auszubauen. Es ist ja menschlich begreiflich, daß die Assessoren in ihren Knabenjahren, da sie die Klassiker zum letzten Mal gelesen haben, noch nicht die Reife sittlichen Empfindens besaßen, die sie später sich erwarben, Nur so ist es möglich, daß man diese alten heimtückischesten Vcrdcrber der Moral ungestraft spielen darf. Möge sich einmal Herr v. Possart auch in die Generalproben des königlichen Schauspielhauses begeben, da wird er Dinge erleben— Dinge—— So hat man z. B. dort erst neulich die„Phädra" gespielt. Gewiß, man gab sie in ftanzösischer Sprache, und Sarah Bernhardt wirfte sicherlich auch mildernd. Aber. trage ich, bleibt Blutschande nicht auch in ftanzösischer Sprache Blutschande? Was stir unsagbare Gesten inuß man m Goethes verkommene„Faust- mit ansehen I Und nun gar der „Tell". Das ist Umsturz. Propaganda der That, Anarchismus— lurz. das ist viel, viel schlimmer und sittenverderblicher als ein Walzer. Ist es erhört, daß man den erfolgreichen Meuchelmörder einer von Gott eingesetzten obrigkeitlichen Person verherrlicht, daß man diesen terrn Geßler nichtsnutzig verleumdet, und anstatt den Wilhelm ell zum Galgen zu verurteilen ihn zum Frriheitshelden macht? Muß das nicht alle sittlichen Begriffe heillos verwirren? Der Herr Aflessor lasse seine Augen auch in diesem Reiche der klassischen Sündhaftigkeit schweifen, aus daß des Volles Seele nicht Schaden leide. .Joe. kleines f cirilleton» «Jr Kaffeeklatsch. Die Kaffceschlacht war im besten Gange, die Theclöffcl und die Tassen klapperten, die Zungen standen keinen Augenblick still. Man sprach von den Dienstboten und den Wintermoden und auch sonst noch von allerlei; da, mitten in die schönste Unterhaltung hinein, fragte auf einmal eine Stimme:„Aber sagen Sie, Frau Lendhcim, wo steckt denn heut Frau Berger?" „Ja. Ivo ist denn Frau Borger?" „Du hast sie wohl gar nicht eingeladen. Suschen?" Alle Augen hingen an der Hausfrau. Sie schentte ihrer Nach- barin eben frischen Kaffee ein; nun stellte sie die Kanne auf den Tisch und nickte der alten Dame auf dem Sofa zu:„Ich habe sie doch eingeladen, Tante Marie, natürlich Hab' ich sie eingeladen, sie konnte aber nicht kommen. Sie hat keine Zeit." Ein bedauerndes„Ach" ging durch die Tafelrunde. „Schade," meinte das blonde Fräulein Wendel,„sie hätte doch wieder singen können, sie singt so hübsch." „Frau Berger mach: sich ja jetzt überhaupt so selten." sagte Tante Marie,„man sieht sie nirgends." .�Junges Eheglück," spöttelte eine andre. „Lieber Himmel, nach einem Jahr noch?' Die Damen lachten, Frau Lendheim schlug die kleine Frau auf die Schulter.„Aber. Frau Doktor, nach einem Jahr noch?" „Sic find aber wirklich sehr glücklich," erzählte Fräulein Wendel. „und seit sie auch noch den Jungen haben, ist des Glücks über- Haupt lein Ende." „Und Frau Berger hat im Ernst keine Zeit," erklärte Frau Lendheim.„Bedenken Sie doch, sie hat kein Dienstmädchen, fie macht ja alles allein." „Wirklich? Ganz allem?'» »Ra, das kann ich auch nicht begreifen.' „Aber eine Auftvarterin h<tt sie doch?" „Rein, auch nicht einmal die." „Das ist ja aber bewundernswert. Eine Frau die ihr« Wirtschaft allein macht!" Tante Marie war ganz begeistert. „Ra. es wird ihr wobl nichts andres übrig bleiben." Frau Doktor zuckte hohnvoll die Achseln.„Wovon soll sie sich denn ein Mädchen hatten, soviel Einlommen hat doch ihr Mann nicht bei seiner Buchha-eerstelle." „Ja. daß sie den überhaupt geheiratet hatl" „Sie ist doch aber glücklich mit chm." sagte Tante Marie. „Und sie kommen jawohl auch ganz gut aus" „Na ja. wenn sie sich alles allein macht." „Ich begreif« nicht, wie man das thun kann." Fräulein Wendel schüttelte den Kopf.„Mit'»er Auswartefrau, na ja, da kann man schon die Wirtschaft allein besorgen, aber ganz allein? Ich bitte Sie, es giebt doch so viel grobe Arbeit dabei." „Na eben, einheizen und Teppichklopfcn, ach na dazu wird sie dann schon jemand haben." „Nein, nein, Frau Burg." sagte die Hausfrau,„sie macht alles selbst." „Sie fährt ja sogar ihren Jungen Sonntags im Kinderwagen aus." spottete Fräulein Wendel.„Ich bin ihr neulich begegnet. Es war ja freilich ein Sportwagen, aber hören Sie. würden Sic einen Sportwagen auf der Straße schieben?" „Na ganz gewiß nicht." „Gar nicht daran zu denken." Tie Damen stießen alle mitcin- ander Entrüstungsrufe aus. „Ich begreife Trude Berger auch nicht," sagte die Frau Doktor. „All die groben Arbeiten, ich finde, die entwürdigen eine Frau aus unserm Stande." Die andern nickten Beifall. „Ich sollte auf dem Hofe Decken klopfen?" Frau Burg sah gen Himmel.„Das ist wohl Arbeit für eine Scheuerfrau, aber doch mcksi für unsercincn." „Wenn mir mein Mann das zumuten würde, würde ich ihn fragen, ob er verdreht ist." gestand eine andre. „Und Frau Berger braucht es doch eigentlich auch nicht," meinte Fräulein Wendel.„Liebe Zeit, dann nehme ich mir eine Aufwarte- ftau und loche weniger, in den Topf kann einem niemand gucken und man steht doch anständig da nach außen." „An der Küche sparen ist nur auch immer schlimm," warf Tante Marie ein,„das geht an die Gesundheit, liebes Fräulein." „Das kann man sich schon einrichten." „Na, oder man nimmt sich ein Schulkind zum helfen." Frau Burg wurde lebhast:„Solchem Mädel bezahlt man nachmittags'n Groschen und sie klopft Decken und scheuert, wie'n Dienstmädchen." „Manchmal noch besser," rief Fra» Lendhcim dazwischen „Und Ivenigstens schiebt sie den Kinderwagen." „Ja, das mit dem Kinderwagen ist ja nun das Höchste. Hat ihn Frau Bcrger wirklich allein geschoben?" Frau Doktor sah Frau- lein Wendel fragend an. „Aber thatsächlich," bestätigte Fräulein Wendel. „Ich sage es Ihnen doch, ich traf sie vorigen Sonntag im Tier- garten. Der Mann ging daneben und sie schob den Kinderwagen. Ich weiß nicht, wie sie sich so lächerlich machen kann." Tie übrigen Damen begriffen es auch nicht. Sie schüttelten ernsthaft d,e Köpfe. „Ich würde mich totschämen, wenn mich einer so sähe." gestand Frau Doktor.„Lieber bliebe ich mit meinem Kinde zu Haus." „Ja eben." nickte Frau Burg.„Eine gewisse Selbstachtung ist man seinem Stande doch schuldig." „Gewiß, so muß man sich nicht erniedrigen," stimmte ihr Frau Lendhcim zu.„Ten Kinderwagen selber schieben? Das ist ja gerade, als war man eine Schusterftau?" „Na. Du führst ja doch aber sogar Dein Hündchen selbst an der Leine aus," rief Tante Marie.. „Aber das ist doch ganz etwas andres I" Die Damen schneen es beinah einstimmig. �,, „Na das dächte ich auch." sagte die Hausftau und warf der Tante einen empörten Blick zu.„Das zu vergleichen. Tante Manel Und überhaupt ist Joujou ein Bologneser, mit dem kann die vor- nehmste Dame gehen."— (HeschichtlicheS. rc. Klassisches über Spitzele i. Wenn Schiller immer recht hat mit seiner Sentenz, daß das Jahr eine heiligende Kraft übt. daß dem Menschen göttlich erscheint, was„grau für Alter-» ist, so müsse» die jedem wohlgeordneten Gemeinwesen als Staats- stützen unentbehrlichen Gei'.tlemen von der politischen Polizei, die, soweit die deutsche Zunge klingt, unter dem zierenden Namen Spitzel männiglich bekannt sind, sich im höchsten Maße der allgemeinen.Hoch- achtung erfreuen.'Denn die Kulturerrungenschast des Spitzeltums gehört zu dem ältesten Hausrat einer Politik, die mit Herrschenden und Beherrschten zu rechnen hat. Das ehrwürdige Institut läßt sich durch mehr als zweiundeinhalb Jahrtausende bis in jene Zeiten des oricinalischcn Altertums zurückverfolgen, als gegen 700 v. Chr. Dejokes sich zum König der medischen Stämme aufwarf und Elbatana zu seiner Residenz machte. Der neugebackene Monarch legte sich als- bald ein wohlorganisiertes Spitzclheer zu: wie Herodot es ausdrückt, waren seine Horcher und Aufpasser im ganzen Lande. Zwei Jahr» hunderte später ivaren die Spitzel schon in ganz Vordcrasien Ott* breitet, soweit seit Cyrus und seinen Nachfolgern das Sccpter der
Ausgabe
19 (9.11.1902) 219
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten