säender, schwer watschelnder Graubart, der den Gefangenen mit mürrischem Blick von oben bis unten maß. Schwanenmoos wies ihm seinen Jnstruktions-Zettel vor. „Nummer Neunundzwanzig soll ins Sturzbad," sagte er. „Kann mirs denken," brummte der Mte verdrießlich. „Mitkommen, Neunundzwanzig," sagte er zu Winther und stieß ihn beinahe in den kleinen engen Baderaum, während der zuvorkommende Schwanenmoos sich zurückzog. Der Graubart reichte Winter ein grobes Handtuch imd gab sodann seine Befehle in einem mürrischen und unlustigen Tone. „Nun kleiden wir uns dalli aus," sagte er.— Offenbar mochte er nicht gern„Sie" sagen, wagte aber andererseits nicht, zu diesem feingckleideten Herrn„Du" zu sagen.„Wir legen unsre Sachen auf den Stuhl da— ich nehme sie mit mir hinaus — haben wir Läuse?" „Ich nicht." „Na, nicht! Dann rubbeln wir uns im Uebrigen den Dreck von oben bis unten ordentlich ab. Und wenn wir fertig sind, klopfen wir da an die Thür!" „Bitte!" Der pubige Patron beinächtigte sich Winthers Kleider, ging hinaus und schloß die eiserne Thür sorgfältig hinter sich zu, eine Sicherheitsmaßregel, die Winter etwas überflüssig vor- kam. Er konnte doch kaum weit kommen— splitternackt von Kopf zu Fuß, wie er in diesem Augenblick war. Hm— vielleicht sollten seine Kleider erst jetzt ernstlich visitiert werden, fiel ihm ein, während er im Sturzbad stand und die kalten starken Strahlen über fich herabsprudeln ließ. Wie das seine heiße Stirn kühlte und erfrischte, wie das die überreizten Nerven besänftigtes Der Bademeister überantwortete Winther wieder Schwanen- moos' Obhut. Und erst jetzt ging man in das eigentliche Arrestgebäude hinauf. „Ich habe Ihnen Essen besorgt— da oben." „Das war nett von Ihnen. Sie sind ein recht braver und hilfsbereiter Mann!" „So etwas giebt es hier nicht. Man thut hier nur seine Pflicht. Aber natürlich ist es unvernünftig, einen ordentlichen Menschen gleich wie einen Räuber zu behandeln." Winther fand, daß dies klug und human gedacht und gesagt wäre und konnte nur wünschen, daß Schwanenmoos' hoher Vorgesetzter da oben beün Kriminalgericht einen Kursus in guter Lebensart bei diesem bescheidenen amen Schließer durchmachen möchte. Na, so sah das Arrestgebäudc aus, von innen gesehen! Von außen hatte es Winther selten einmal gesehen, wenn ihn sein Weg dann und wann durch die altmodische düstere Lavendelgasse geführt Hatto. Er hatte an den schweren chokoladenbraunen Mauern zu den vergitterten Fenstern im eisernen Rahmen emporgestarrt, und er hatte die Inschrift in fetten, abstehenden Buchstaben gelesen: „Zur allgemeinen Sicherheit." ,(Fortsetzung folgt. x (Nachdruck dervoUn.) OeffentUebe Sicherheit. Modernes amerikanisches Drama in drei Akten. Von Philipp Berges. l. i Zunggcsellenlvöhtmng des Herrn Meyer in New K) o r k. Beleibter Vierziger von jovialem Aussehen. Kann keiner Fliege etwas zu leide thun. Frühmorgens. Herr Meyer sitzt im Schlaf- rock und Pantoffeln am Kaffeetisch und frühstückt in aller Herzens- ruhe. Leider wird das Idyll gestört.) Die Haushälterin(stürzt mit allen Zeichen des Schreckens herein):„Herr Meyer I Herr Meyer l Es sind zwei Männer draußen, die sagen, sie sind Kriminalisten und luolTn Ihnen holen. Ach Gottl Ach Gott! Was haben Sie bloß angestelltl?"" Herr Meyer:„Bei Ihnen scheint's zu rappeln, altes Haus! Lassen Sie die Leute'mal ehitreteu.". (Zwei Policemen in Civil, ein großer und em kleiner, kreten mit finsteren Mienen ein und besetzen die Thür.) Herr Meyer:„Guten Morgen, meine Herren!" Die Policemen(antworten nicht). Herr Meyer:„Darf ich frage», womit ich dienen kann und wer Sie sind?" Der große Police man:.Ouasieln Sic nicht. Sic haben «W auf das zu amworten. was Sie gefragt werden!" Der kleine P o l i c e m a nt„Ehe Sie sich mucksen, haben Sie Handschellen an de Vorderfütze, verstehen Se mir?" Herr Meyer(sperrt Mund und Nase auf und ist stumm vor Ueberraschungi. Der große P.:„Zur Sache! Sind Sie nun Moritz Mcyev oder Nikolaus Meyer— he?" Der kleine P.:„Wenn Se Flausen machen, sitzen Se im grünen Kasten, ehe Sie Piep sagen können. Wir kennen Sie Karnalljel" Herr Meyer(entrüstet):„Vor allen Dingen bitte ich miv einen andren Ton aus. Sie sind hier in meiner Wohnung!"- Der große P.:„Schnabel gehalten, Schnabel gehalten, wenn Sie die Sache nicht verschlimmern wollen! Also: Moritz oder Nikolaus?" Der kleine P.:„Wenn Se die Zähne fletschen, werden Sei mit einer Geschwindigkeit von O.S eingelocht. Also flink geantwortet und nich gelogen: Ritolaus oder Moritz?" Herr Vi eher(resigniert, um der Sache ein Ende zu machen) Z „Also schön. Ich bin Moritz Meyer, was weiter?" DergroßeP.:„Ahal Also M. Meyer, nicht Nl Dann haben! wir Sie, dann sind Sie alle!" Der kleine P.:„Denn sind Se schonst so gut wie in'kl Kasten. Folgen Sie uns auf der Stelle zum Polizer-Amt!" Herr Meyer:„Was? Sind Sie verrückt? Mich wollen Sie verhaften? Warum denn?" DergroßeP.:„Das geht Sie nichts an. Marsch! Kommen Siel" Derkleine P.:„Wenn Se nich» tempo loskrappeln, werden Se gepackt, daß Ihnen die Rippen knacken." Herr Meyer:„Es muß ein Irrtum oder eine Verwechslung borliegen. Ich werde mich ankleiden wü» mit Ihnen zum Polizei-Amt gehen, dort wird sich alles aufklären." Der große P.:„Ankleiden? Sie sind woll nicht von hier? Für so was haben wir keine Zeit!" Der kleine P.:„Wenn Se nicht stonte pecke antreten, werden wir Se Mores lehren, daß Ihnen de Puste ausgeht. Marsch! losl" Herr Meyer:„Nein, das ist zu toll. Bin ich denn ein Ver- brccher? Ich protestiere! Wie kann ich denn im Schlafrock und Pan- toffeln über die Straße gehen? Ich weigere mich aufs entschiedenste." DergroßeP.:„Hier ist nichts zu machen, pack' an, Kollege l� DerkleineP.:„Mit Dir wcrr'n wir noch fertig, Männcken» Nu los!" (Herr Meyer wird angepackt und unter seinem eignen und dem Geschrei der Haushälterin zum Hause hinaus und auf's Polizei-Amt geschleppt.) II. (Polizei-Amt. Die beiden Policemen schleppen Herrn Meyer herein und bringen ihn als Morgcnopfer dem Herrn Polizei- Superintendenten dar.) Der große P.:„Verhaftung deS p. p. Meyer ausgeführt. Hier ist das Individuum!" Der kleine P.:„Die Karruallje hat Widerstand gegen diS Staatsgewalt ausgeübt, gehorsamst zu melden." Herr Meyer(geladen, wie eine Kanone):„Ja, zum Kreuz» millionen-Donnerwetter. hat die Komödie jetzt ein Ende? Ich will wissen, weshalb ich wie ein Mörder hierher geschleppt werde l* Der Herr Superintendent(schreiend):„HaltciB Se's Maul!"Sonst werden Se abgeführt! Für renitente Häftlinge jibt's Mittel!" Herr Meyer(ebenso brüllend):„Ich bin Staats« b ü r g e r. zahle meine Steuern, lebe in einem civilisierten Staate» verstehen Ste mich? Weswegen bin ich hier?" Der Herr Superintendent:„Ruhe! Hier befehle ich, hier bin ich Herr! Wenn Se's Maul nicht halten, bis ich Sie frage. spazieren Sie ohne weiteres in die Zelle i" Herr Meyer(außer sich):„Sie unverschämter Patron! Bin ich für Sie da oder Sie für mich? Wer bezahlt Sie? Ist es nicht der Bürger, bin ich es nicht? Und wofür bezahle ich Sie? He? Damit Sie und Ihre Truppe mir Sicherheit gewährleisten. Und was thun Sie dagegen? Sic zerren mich aus meinem Hause, ver- weigern mir Antwort, behandeln mich wie einen Verbrecher! Lebe ich in Neu-Guinea , sind wir in Rußland , es fehl» ja nur noch die! Knut eil" Der Herr Superintendent(der erstaunt zugehört hat):„Leute, der Mensch ist j e i st e s j e st ö r t. Ehe wir weiter- jehn, packen Se'n in den jrüncn August und fahren Sie ihn mit ins Stadthaus zum Arzt, der soll seinen Jeistcszustand bcjutachtcn. Aber lejen Sie dem jefährlichen Menschen Fesseln an, damit kein Unjlück geschieht. Marsch— ab!" Herr Meyer:(bricht in verzweifeltes Lachen aus):„Na. denn man los! Bin schon selbst neugierig, wie weit die Gewalt in einem modernen Rechtsstaat zu gehen wagt."(Wird mit Hand- schellen gefesselt und abgeführt.) Zwischenvorhang. (Im„grünen August". Der Wagen rollt durch die Stadt. Hinten sitzen zwei Policemen. Im Innern des Wagens, zellenweise getrennt. Dirnen und Verbrecher, unter ihnen Herr Meyer.) E i n s ch w e r e r I u n g e(zu Herrn Meyer):„Na. Burschckeu. was haste denn jemacht? Dir haben se ia Armbänder an,-zogen. Einen abgemurkst, war?"
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19 (25.11.1902) 229
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