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benken: Wird man mich nicht erwischen und mich mit Schimpf und| schmeckte erträglich ba entstand ein Gebimmel, als wären in der Schande hinausjagen? Hölle alle Glocken los. Mit einmal rennt man davon. Ich

Moris Lehmann lachte ausgelassen. Dann hätte man ihm schon nehme flugs meinen Teller und trotte hinterdrein. Schon Längst den Zutritt verweigert, denn auch ihn kenne niemand, er wisse bin ich an der Kleinen" Ja"-Thür, die zum Saal führt, da selbst bisweilen nicht, ob er der richtige Reichstags- Abgeordnete sei. werde ich noch zur rechten Zeit gewahr, daß niemand sonst eine " Sie nehmen einfach," bemerkte er, meine Legitimationstarte und Serviette um- und seinen Teller mitgenommen hat. Halloh! Bei­einen Haufen roter, weißer und blauer Karten. Sie sehen sich hinten nahe hätte ich mich verraten. Beschämt laufe ich zurück und rechts im Saale   hin und thun, was Ihre Nebenmänner thun. Sie deponiere Teller und Serviette an meinem Plaz in der Restauration. gehen heraus, wenn sie herausgehen, Sie schreien, wenn sie Dann wieder in den Saal. Wütende Blicke treffen mich. Es ist Schreien, Sie geben, je nachdem was man neben Sie thut, einen roten, offenbar: ich bin zu spät gekommen. Schon redet der Jude mit weißen, blauen Bettel ab, und stehen auf, wenn Ihre Nachbarn sich dem schwarzen Vart wieder. Wir traben heim in die Restauration. von die Plätze erheben. Mehr brauchen Sie nicht zu können." Natürlich waren die Schweinsohren eiskalt geworden.

Aber ich bin noch niemals im Reichstag gewesen", wandte ich noch immer unschlüssig ein.

Nun, dann kommen Sie mit mich mit, ich werde Ihnen ein­führen. Glauben Sie mich, es ist nicht schwer!"

Damit wanderten wir selbander!

Der Thürhüter öffnete uns respektvoll. Moritz Lehmenn sah ihn mit einem gewissen fühnen, selbstverständlichen, gefeßgebenden Blick an, und der pompös angezogene Portier ließ uns anstandslos hinein. Oben bei den Garderobenständern schwankte der grauhaarige vor­nehme Diener, der mindestens früher Minister oder Kammerherr gewesen sein muß, eine Weile, ob er mir oder Moriz Lehmann den Mantel abnehmen sollte. Aber das M. d. R. warf wieder seinen Blid, den wahrhaft staatserhaltenden Blick einer Person, die sich hier völlig wie zu Hause fühlte, und der Diener entschloß sich, ihm die Garderobe abzunehmen.

Ich bin zwar noch ein junger Parlamentarier. Aber den Hauptschaden des gutgesinnten Parlamentarismus glaube ich doch mit Sicherheit erkannt zu haben. Dieser Schaden besteht darin, daß man nie ungestört essen tann. Ich behaupte, daß das auf die Dauer fein Parlament der Welt aushalten kann. Ich kenne fein Restaurant, das so unruhig ist, wie das des Reichtages. Jeden Augenblick wird man durch ein wildes Geflingel unterbrochen, und dann muß man über Hals und Kopf fortstürzen. Der Bureau­direktor Knaack sollte wirklich dafür sorgen, daß der infame Läute­apparat abgestellt wird. Nur dann können gesunde Zustände wieder eintreten.

Im übrigen habe ich mich schnell in die neuen Verhältnisse eingelebt und mich außerordentlich bewährt. Selbst der Adonis   der Reichspartei, deren Vater ein Herr von Stumm sein soll, selbst Herr Arendt hat mir mit den Füßen aufmunternde Komplimente gemacht. Einmal schrie ich eine Viertelstunde ununterbrochen mit 200 pro­

Alsdann begleitete mich mein Gönner auf die Zuschauertribüne. Jch ging sofort daran, mich zu vergewissern, ob die Stellvertreter- zentigem Lungenaufschlag: Runter von der Tribüne. Ein andermal schaft durchführbar sei. Ich traf es gut. Neben mir saß ein Herr, wiederholte ich ständig: Mörderbande, Mörderbande. Ein drittes der seit undenklicher Zeit täglicher Tribünenbesucher war, jeden Mal wechselte ich die Ausrufe ab: Jude, stinkiger Jude, zwei Juden, Winkel des Hauses, die Geschäftsordnung, die Geschichte des Reichs- zwei stintige Juden. Ich kann mit einer Virtuosität niesen wie tages fannte, mit allen Persönlichkeiten vollauf vertraut war und Herr Kropatscheck und meine Karten gebe ich mit verblüffender seit dem zweiten Jahre seiner Besuche entmündigt werden mußte. Firigkeit ob, ohne die Farben jemals zu verwechseln. Nächstens " Sie tennen also sämtliche Abgeordnete", fragte ich. Aber werde ich- so weit bin ich bereits- auch das Wort verlangen natürlich, erwiderte er beleidigt. und folgende Rede halten:" Herr Präsident, im Interesse der not­leidenden Landwirschaft beantrage ich Schluß der Debatte."

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,, Also bitte, wer ist der Dice da unten?" Jch wies auf Moris Lehmann, der mit einer imponierenden Würde auf seinem Sessel saß und sich anschickte, ein Schläfchen zu machen.

" Bedaure, den habe ich noch niemals hier gesehen", erwiderte der Parlamentstenner errötend!

Und der da?"- ich wies auf einen frommen glattrasierten Mann in schwarzem Rod.

Auch der ist nie hier gewesen!"

Aber jener, mit der Glaze und den gewaltigen Hauern?" Mir völlig fremd!"

So fragte ich wohl nach hundert Individuen, die unten im Saale   faßen, aber feines Namen war diesem wohlunterrichteten Stammgaste geläufig. Er entschuldigte sich wegen seiner Unwissenheit. Das feien alles Leute, die zum erstenmal sich hier blicken ließen, das feien eigentlich gar keine Abgeordneten, sondern nur parlamentarische Bassanten. Man könne fie nicht einmal an der Stimme erkennen, seitdem statt des Namensaufrufs die Papierstimmerei eingeführt ist. Endlich jedoch wußte er doch einen: Liebermann von Sonnenberg  . Der gefiel mir, und ich beschloß, den ehrenvollen Auftrag an zunehmen und mein Quartier in der Nähe des Liebermann v. Sonnen­berg zu wählen.

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um

Allerdings ist die lange Dauer der Sigungen etwas anstrengend. Ich bin nicht gewöhnt, schon furz nach Sonnenaufgang 10 Uhr morgens thätig zu sein. Indessen was thut man nicht für die gute Sache! Ich habe auch Moritz Lehmann geschrieben, daß er mir für die Nachtarbeit einen Extrazuschuß vergütet. So werde ich mein Leben als stellvertretender Reichstags­Abgeordneter beschließen und patriotisch verhindern, daß dem Lande der traurige Anblick eines beschlußunfähigen Hauses geboten wird. Bravo wie?

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Alle meine Hoffnungen find zertrümmert. Eben höre ich, daß die Juden- Sozis am nächsten Dienstag beautragen wollen, daß wegen der vielen fremden Gesichter vor Beginn jeder Sigung die Identität der Anwesenden festgestellt werde. Bande!! Joo.

Humoristisches.

Schmerzensschrei. Schriftstellerin( zu ihrem Gatten):. Wenn Du nur wenigstens ein Typus wärst, den man für einen Roman verwenden könnte..!"

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Moritz Lehmann war überglücklich, als ich meine Bereitwilligkeit Stüd müssen Sie unter anderm ein Glas Wasser trinken!" zu viel verlangt. Direktor: In dem neuen erklärte. Er händigte mir seine Legitimation, zahllose Stimm­farten sowie fechs Thaler Borschuß für sechs Sigungen Schauspieler: Nee, als Helden darsteller bin ich nicht ein und versprach mir außerdem zwei feiste Hasen als Ertrageschent. So wurde ich M. d. N., ohne jemals die Dualen eines Wahl­kampfes erduldet zu haben.

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Mit Klopfendem Herzen betrat ich am nächsten Tag den Palast. Auf meinen Blick" wollte ich mich doch nicht ganz verlassen, und so ließ ich, wie aus Bersehen, eine Stimmfarte fallen. Der Portier bückte sich und hob Sie mir wieder auf, indem er sehr höflich grüßte: Bitte, Herr Lehmann!" Beim Garderobendiener be­schränkte ich mich auf den Blick", und ich wurde anstandslos meines allerdings etwas abgetragenen Havelocks entledigt; die Not der Landwirtschaft entschuldigt viel.

In der Wandelhalle promenierte ich einige Minuten, in, wie ich glaube, vorzüglicher Haltung. Es flingelte. Ich lief mit den andren in den Saal, entdeckte Liebermann v. Sonnenberg und ließ mich auf einem Platz unweit von ihm nieder.

engagiert!"

Notizen.

( Fliegende Blätter  ".)

Der finnische Staatspreis( 5000 M.) für die besten Werke auf dem Gebiete der schönen Litteratur ist diesmal in vier Teile gegangen. Es erhielten: Dr. K. Leino ( St. Lönnbohm) für ein historisches Schauspiel 1500 m., die Romanschriftstellerin Maila Talvio  ( Frau M. Mikkola) 1300 m., der Lyriker E. Tegengren 1200 M. und der Lust­spieldichter T. Pakkala 1000 m.

Jon Lehmanns Drama Rettung" wird demnächst im Bunten Theater, zusammen mit Maherchen", einem Einafter desselben Autors, gegeben werden.

- Hammer und Ambos", ein dreiaftiger Schwank von Heinrich Lee, erzielte bei der Erstaufführung im Meininger oftheater einen starken Erfolg.

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In wenigen Minuten beherrschte ich das Handwerk eines staats­erhaltenden M. d. R. aus dem Grunde: Liebermann stand auf, ich Mar Dreyers Bühnenstüd Das Thal des auch. Man schrie: Segen!- ich saß wie angenagelt. Dann Leben 3" wird seine Premiere im hamburger Schauspiel fam ein Herr mit einem Gefäß, das das wie ein Cirkus- ha use erleben. Für Berlin   hat die Censur die Aufführung des flown auf der einen Seite rosa, auf der andren weiß Werkes bekanntlich verboten. war. Liebermann gab eine rote Karte ab, ich auch. Der

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In Breslau   übernimmt Dr. Loewe, der bereits vier Herr mit dem Gefäß lächelte mir dankbar vertraulich zu. Jetzt Theater dieser Stadt gepachtet hat, von 1904 ab auch noch das seit geschah eine Weile gar nichts. Dann nannte der Präsident ein paar Jahren von Direktor Halm geleitete Sommertheater. Bahlen, und jegt begann ein Herr mit einem schwarzen Bart zu Tschaikowskis Oper Pique Dame  " geht am reden. Liebermann rief: Wieder ein Jude!" und lief samt zwei- 9. Dezember erstmalig in der Wiener hofoper in Scene. hundert andren Mitgliedern aus dem Saal. Ich immer mit. Ich Der Rastelbinder  ", eine Operette von Behar fand mich in der Restauration wieder, einer weiten Bahnhofshalle. wird Weihnachten zum erstenmal im Wiener Carl Theater Eben hatte ich mir die Serviette umgebunden und die von mir be aufgeführt r rden. Auch das Berliner Central Theater stellte Erbsfuppe mit Schweinsohren zu essen begonnen sie hat die neue Operette zur Aufführung angenommen. Verantwortlicher Redakteur: Carl Leid   in Berlin  . Drud und Verlag: Vorwärts Bussruderei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW

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