Hinterhallungsblatt des Borivärts Nr. 242._ Freitag, den 12. Dezember. 1902 (Nachdruck verboten.) 51 Im Kreife» Erzählung von W a c l a w Sie'roczewski. Deutsch von Rosa Schapire . Alexander senkte die Augenlider, seine Lippen zitterten. Du hast im Leben wenigstens etwas gehabt. Jetzt bleibt Dir das Kind. Ich habe nichts gehabt." Laß's gut sein!" Was wirst Du nun anfangen? Willst Du einreichen, daß sie Dich näher an der Stadt ansiedeln?" Kaum, daran habe ich nicht gedacht. Meine Pläne sind die gleichen: Ackerbau.. Was könnte man hier andres thun?" Jakob zog die Schultern hoch. Ich glaube nicht, daß sie Land hergeben werden." Wenn Du nicht einmal glaubst, daß sie hier etwas geben, dann erst recht nicht in der Nähe der Stadt.." In der Nähe der Stadt giebt's mehr Menschen: man kann eher bekommen, was man braucht, und Du wirst jetzt viel mehr brauchen." _Versteht sich, besser wär's schon. Aber wozu Luft- schlösser bauen? Ehe Antwort aufs Gesuch kommt, vergehen Monate. Sie können's abschlagen, und sie thun's sicker, und ich Hab' unterdessen Difkder ein Jahr verloren. Der Frühling steht vor der Thür und ich kann wieder nicht säen. Außerdem ist so ein Umzug immer nnt Kosten und Verlusten verbunden. Man kann all diese Kleinigkeiten nicht mit- nehmen, die scheinbar nichts bedeuten und aus denen schließlich die ganze Wirtschaft besteht. Ucbrigens, ofsen gesagt, ich bleib' lieber hier. Hier bekomme ich mehr Land, wenn sie endlich dazu bereit sind. Ich werde eine Mühle bauen, viel säen und einen Mehlhandel ansangen. Konkurrenz giebt's keine, hier mahlen sie alle ihr Getreide mit Handmühlen und säen wenig. Die Mehlpreise sind hoch, man könnte etwas für später zurücklegen." Du glaubst, daß Du so lange hier bleiben wirst?" fragte Jakob mit einem gewissen inneren Schrecken. Wer weiß.." Und vielleicht rentiert sich die Geschichte nicht. Du wirst Arbeiter halten müssen, billig einkaufen, teuer verkaufen und schlechte Löhne zahlen. Fürchtest Du nicht, daß Du unter solchen Bedingungen das letzte verlierst.. die Seele." Was soll sie mir?.. Verlierst Du Deine etwa nicht?" Jakob wollte antworten, aber Alexander unterbrach ihn. Mein Lieber, wir haben gegeben, was wir hatten, der Rest ist unser, und es ist nur ein trauriger Rest. Wenn wir Almosen von den Jakuten annehmen, sind wir dann nicht in einer falschen Lage?.. Verlieren wir dann nicht eben diese Seele, um die Du Dich sorgst?" Jakob war andrer Meinung, aber er schwieg. Wieder- holte er doch jedem, der ihn nur anhören wollte: leben wie ein Hund und er selbst gab dies Beispiel nichts ver­langen, keine besonderen Gesetze und Ausnahmebestimmungen für sich erwarten und aushalten, nur aushalten! Er sah ein, daß dies über die Kraft der meisten ging, die schon so müde geworden waren. Diese paar Rubel Zuschuß von der Regierung reichten ja nicht für die allerbescheidcnsten Be- dürfnisse. Das Fehlende mußte man eben mit Hunger zu- flicken, und darauf konnte sich ja Alexander unter den jetzigen Verhältnissen durchaus nicht einlassen. Also wozu streiten und ihm Unangenehmes sagen? Glaubst Tu, daß mir das nicht schon zuwider ist?" fuhr Alexander fort.So oft der Aufseher Butter bringt, Milch und Mehl, die krünichen- und tropfenweise zusammen- gespart sind bei armen Teufeln, die vielleicht noch weniger haben als ich, ist mir's, als wenn ich einen Schlag ins Gesicht bekäme. Nie hatte ich den Mut, mich zu überzeugen, ob Gavickt und Qualität den Zusagen der Gemeinde entsprechen. Schließlich bestehlen der Kniaz*) und der Aufseher mich und die Gemeinde, geben mir weniger als sie bekommen und ver- tauschen bessere Sachen gegen schlechtere. Nie hat's gereicht! ) Der Rang eines Kniaz entspricht ungefähr dem eine» Torf- schulzen. Und jedes Vierteljahr dieser Kampf ums Almosen, dieser er- niedrigende Handel! Daß die Jakuten danach streben, ihre Abgaben zu verringern, ist ja selbstverständlich. Solche wie mich haben sie zu Hunderten auf dem Halse, und eines schönen Tages muß das ein Ende nehmen, denn sie füttern die An- siedler nicht aus Menschenliebe, sondern aus Furcht und Gewohnheit. Im Augenblicke, wo sie sich überzeugt haben, daß ihnen von uns aus nichts droht, werden sie sich weigern. Hatten wir etwa keine Beispiele? Haben sie Dir nicht das Haus verweigert? lind wenn's einmal zu Ende sein soll, dann je früher, je besser. Heute habe ich noch Mittel, noch Kraft. Und um aus einem verwunschenen Kreise zu treten, muß man beinahe immer Gewalt anwenden. Und es ist notwendig, da gilt kein Ueberlegen mehr und keine Er- wägungen. Ich will wieder ins Leben zurück und darum muß ich Land haben. Wenn sie wütend sind, einerlei, sie werden schon wieder gut werden. Ich lwbe ein Recht darauf und lass' nicht locker, l!"igens ist mein Kind ebenso gut wie das andrer Leute," f..e er mit Nachdruck hinzu. Jakob saß niit gesenktem Llopfe. Er fühlte, daß eine Mauer sich zwischen ihnen aufrichtete, die durch Erwägungen, durch Gründe nicht niederzureißen war. Er schwieg, aber es war ihm traurig zu Mute. Der häusliche Herd!,. Immer das gleiche," sagte er sich in Gedanken. Sie setzten ihr Gespräch nicht länger fort, schüttelten einander die Hand und gingen schlafen. Alexander stand wie immer zuerst auf. Er brauchte nicht viel Schlaf. Er sah nach dem Pwrd, gab ihm Heu, hackte Holz, machte Feuer an, setzte Theewasser auf, machte das Brot zurecht und Jakob und Zosia schliefen immer noch: so setzte er sich neben den Herd und achtete auf das Brot, das er röstete. Ajax lag ihm zu Füßen, blinzelte mit den Augen und hatte seinen großen Kopf vom Feuer weggewandt. Plötzlich spitzte er die Ohren, öffnete die Augen und knurrte. Die Thür ging leise auf. Halte den Hund fest. Fremder!" Still, Du weckst das Kiich.. Ajax pst!'' Bescheiden und unterwürfig trat ein in Lumpen gehüllter Jakute, mit großem!kopf und auffallend vorstehenden Augen, ins Zimmer. Wie geht's Dir? Was giebt's Neues? Erzähle, setz' Dich!" begrüßte ihn Alexander, der ihm die Hand ge- geben hatte. Was soll's geben? Nichts Neues!" ?lch, etwa? giebt's immer. Setz' Dich! Ist der Zasiedatiel schon da?" Ja," antwortete der Jakute nachlässig.Dumme Menschen, sehr dumme Menschen!" Unmerklich hielt er mit seinen großen Augen, die ihm den SpitznamenFroschauge" eingetragen hatten, Umschau im Zimmer. Hast Dein Mädel mitgebracht?" fragte er flüsternd. Ja!" "Und wirst Land verlangen?" 'Alexander bückte sich, ohne zu antworten, über sein Brot, das er in der Pfanne zurechtschob. Du glaubst wohl, ich mißgönn' Dir's," sagte der Jakute. Nimm, was Du kannst, das wird ein gutes Stück Brot geben. Die Erde hier ist fruchtbar, sehr fruchtbar! Wir armen Hungerleider werden auch unser Brot bei Dir finden. Es wird Arbeit geben und Geld." Höre.Froschauge", weißt Du nicht, wer mir hier einen Trog machen könnte? Groß genug, um das Kind zu baden und Wäsche zu waschen." Solch'nen Trog konnte auch ich machen." Und einen Kahn?" lind einen Kahn?" Was willst Du damit? Das wird viel Geld kosten. Einen wirklichen Kahn kann niemand machen als Tusa." Hast Du mir den Pflug gemacht?" Ja, er trocknet schon. Tu kannst ihn haben." Bring' ihn mir. Jetzt kann ich nicht viel aus dem Haus geben." Schön! Werd' ilm bringen. Hör', Liksandra, meme Frau schickt ein Gastgeschenk für Dein Mäderl. Dem.Kinde