-

967

Die Sterblichkeit erreichte eine nie gekannte Höhe. In Berlin  begann erst mit dem Anfange des 19. Jahrhunderts die Geburten­zahl die Todesfälle zu überwiegen und wie andre Städte so erhielt fich auch Berlin   bloß durch seinen Zuzug vom Lande.

" 1

"

total berpesteten Luft, deren Abströmen die winllige Bau-| austheilen". Auch den Marktschreiern" ging die Borordnung zu Leibe: art der Städte und die hohen Stadtmauern verhinderten, llebrigens soll denen auf den Jahrmärkten herumziehenden Bruch­Hausten die Menschen und wurden natürlich bon schreck schneidern und Zahn- Aerzten, auch Wurzel- Krähmern garnicht erlaubet lichen und unaufhörlichen Krankheitszuständen heimgesucht, die fehn, oeffentlich auszustehen und feil zu haben, wenn sie nicht besonders fich zu verheerenden Seuchen steigerten. privilegiert find". Untersagt wurde ferner, allen Studiosis Medicinae, allen Predigern sowohl in Städten, als auf dem Lande, allen Chymisten, Laboranten, Branntweinbrennern, Stöhrern von allerlei Profeffionen, Schäfern, alten Weibern und Segensprechern" das Ver­faufen von zauberischen und abergläubischen Mitteln", den Scharf­richtern und deren Anhang alles innere und äußere Kurieren", denen auf dem Lande herumziehenden Wasser- und Dlitaeten- Krähmern, Siebmachern" das Handeln mit Medicamenten", wobei noch die Verschärfung eintrat, daß die Behörden sie ihnen einfach weg­nehmen sollten. Man sieht aber daraus, wie viele Wohlthäter der Menschheit damals umherwanderten, von denen jeder Einzelne sein untrügliches Mittel gegen alle Krankheitszustände besaß. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erkannte der Staat immer mehr die Notwendigkeit an, die Fürsorge für die öffentlicheu Ministerium des Innern eine besondere Abteilung für Medizinal wesen ins Leben gerufen. Nach der Begründung des Deutschen Reiches wurden dann die Maßregeln der Medizinal- und Veterinär polizei der Beaufsichtigung seitens des Reiches und einer Gesetzgebung überwiesen, wodurch gesegliche Lestimmungen dieser Art für alle deutschen   Staaten rechtsgültig gemacht wurden. An der Spitze dieses ganzen Systems steht heute das Reichs- Gesundheitsamt. Aber daneben haben auch die Städte ihr Bestreben, die besten öffentlichen Gesundheitszustände zu schaffen, fortgesezt, und wer das Berlin   von heute mit dem in alten Abbildungen, Chroniken, Werken aller Art geschilderte Berlin   von ehedem vergleicht, fieht den Berlin   selbst bemühte sich, wie andre Städte, frühzeitig, die rascheren Fortschritt, den wir gemacht haben und noch machen. Einer öffentliche Gesundheit zu heben. Hierhin gehören auch die durchgreifenden öffentlichen Gesundheitspflege steht freilich das zahlreichen Vorschriften für die Gewerke über die Be fapitalistische Privateigentum und das Elend des Proletariate schaffenheit der zum Verkauf zu bringenden Waren. Es hemmend gegenüber. Erst wenn die Gesellschaft beides beseitigt hat, gehören ferner hierhin die zahlreichen Vorschriften des wird die gesundheitliche Fürsorge der Gesellschaft für den Einzelnen Berliner   Handelsrechts, das Lagern von Waren, das Verkaufsrecht. und für die Gesamtheit beffere Zustände schaffen. Berlin   nahm für sich das Recht in Anspruch, von den auf der Spree  oder auf den durch die Stadt laufenden Straßen durchgeführten Waren, gleichviel wohin sie bestimmt waren, das vortveg zu kaufen, was man bedurfte. Die Stadt sicherte so den Bewohnern gute und frische Ware, ein wesentlicher Bestandteil des Wohlbefindens der Bevölkerung. Auch die Zünfte versuchten durch gewisse Borschriften für bessere Nahrungsmittel zu sorgen. Dagegen dauerte es wie anderwärts so auch in Berlin   lange, bis mit dem Schlendrian des Einzelnen in der Viehhaltung gebrochen und das legte Rüffeltier aus den Straßen vertrieben war, wo es sonst die üblen Abwässer vor den Häusern zu Schlamm getreten und gewühlt und fich dann so lange grunzend darin gewälzt hatte, bis die Sonne den Schlamm trodnete.

Diese Seuchen aber erzwangen allmählich eine systematische öffentliche Gesundheitspflege. In Deutschland   mußte 1426 Saifer Sigismund eine Verordnung erlassen, welche die Reichsstädte zwang, gegen die Bestnot befoldete Stadtärzte anzustellen. In Nürnberg  wurden seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts die öffentlichen Brauhäuser unter Aufsicht gestellt, über die Beschaffenheit von Brot, Bier, Bein, über die Reinhaltung von Häusern und Straßen, Kleidern und Bettzeug von Kranken wurden Verordnungen erlassen. Unter den deutschen   Staaten ging zuerst Breußen vor. Die Best, die von Ungarn   her drohte, machte zu Anfang des 18. Jahre gesundheitlichen Zustände zu übernehmen. 1808 wurde beim hunderts die Stiftung des Collegium Sanitatis" notwendig. 1675 wurde überdies ein Collegium medicum" begründet und zu gleicher Zeit begannen die Magistrate der Städte, darunter auch Berlin  , Kreisphysiker zu wählen. Dieses Recht wurde erst 1810 den Städten wieder genommen und ging dann auf den Staat über.

Seit 1762 hatte jede Provinz ihr Sanitätskollegium; in Berlin  faß das Ober- Sanitätskollegium, dem eine ausführliche Instruktion bon 1786 die Aufsicht über alle nötigen Anstalten bei epidemischen Krankheiten und über alles, was die Erhaltung der Gesundheit und Abwendung allgemeiner Krankheitsursachen unter Menschen und Vieh betrifft", übertrug.

-

Kleines feuilleton.

R.

k. ,, Die Geschichte Benezuelas ist, seitdem das schöne Land entdeckt worden ist, eine fortgesetzte Reihe von Grausamfeiten, Mezeleien, Kriegen und Revolutionen mit furzen Bausen des Friedens und Ge­deihens. Es ist die aufrührerischte aller leiteinisch amerikanischen Republiken, und obgleich es der Schauplah der ersten Civilisation auf dem amerikanischen Festlande war und fich als erstes Land für die bürgerliche Freiheit erflärte, hat seine Bevölkerung sehr wenig von Beidem genießen dürfen." In diesem Urteil, schreiben die" Daily Netos", faßt W. E. Curtis die Geschichte des Landes zusammen. Das Im 16. Jahrhundert erschienen zu Berlin   bereits einige Ver- schöne Land ist etwas über eine Million Quadratkilometer groß und ordnungen der furfürstlichen Regierung, betreffend die Ueberwachung wird von1047 Flüssen, darunter dem mächtigen Orinoko  , bewässert. der Heilanstalten, Apotheken und Arzneipreise. Das im 17. Jahr Es hat 32 natürliche Häfen und 50 Buchten, deren größte, der hundert begründete Berliner   Collegium medicum leitete die zwed- Maracaibofee, über 2000 Quadratmeilen groß ist. Im Innern zeigt und fachgemäße Ausbildung der Studierenden aller Zweige es ein Naturtunder, einen faſt 1700 Meter über dem der Heilkunde, es prüfte das gesamte Heilpersonal ein- Meeresspiegel gelegenen Gee. Etwa ein Drittel des Gebietes ist schließlich der Bader, Bruchärzte, Scharfrichter und sonstiger Specia- Ader-, fast die Hälfte Weideland und das übrige hat Waldbestand. listen jener Zeit; beaufsichtigte überdies auch deren Thätigkeit. Es Große Rinderherden durchziehen das Land. Es lassen sich deutlich revidierte die Apotheken, überwachte den ungefeßlichen Verkehr mit drei flimatische Zonen unterscheiden, und man hat die Wahl des ewigen Arzneimitteln und die Kurpfuscherei. 1694 arbeitete ein Collegium Sommers oder ewigen Winters. Unter anderm wachsen Bananen, medicum den Entwurf einer Medizinalordnung aus über die Ananas, Buderrohr, Palmen, Kokosnüsse und Orchideen in Venezuela  . Pflichten und Rechte der Aerzte, Apotheker, Hebammen und Barbiere," Eine Reise den Orinoko   hinauf auf einem der guten Dampfer, die die noch heute durch ihre verständnisvolle Behandlung der Sache den Yankees gehören, ist so bezaubernd wie eine Nilreise und kann Bewunderung erregt. Diefer Entwurf wurde 1725 zur Grundlage von New York   in etwa sechs Wochen für 1200 bis 1600 M. gemacht eines Medizinal- Ediktes der preußischen Regierung. werden," sagt Curtis.

"

In einem Edikte wird darüber Klage geführt, daß in der Der Kongreß, der die Legislative   darstellt, hat ztvei Abteilungen, Medizin, Chirurgie und Pharmacie allerhand schwierige Verordnungen den Senat und das Abgeordnetenhaus; die Senatoren werden von und höchst gefährliche Mißbräuche annoch beibleiben", auch daß sich den Abgeordneten gewählt. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses Leute von allerhand Stand, Profeffionen und Handwerker finden, werden vom Volk gewählt, und zwar einer auf 35 000. Senatoren welche sich zum größten Verderb und Nachteil des innerlichen und und Voltsvertreter versammeln sich vereint und ballottieren für äußerlichen Kurierens anmaßen, ja gar Medikamente selbstens sechszehn aus ihrer Zahl, die als Bundesrat thätig sind, der wieder präparieren und solche an die Patienten austeilen und verlauffen, den Präsidenten wählt. Der Präsident wohnt im Gelben Hause". und dadurch viele Menschen um ihre Gesundheit und Leben bringen". der Casa Amarilla". Venezuela   ist berühmt durch seine Revolutionen, Deshalb fände man es höchst nötig, daß ein solches in der Medizin deren Art der amerikanische Konsul in La Guaira   sehr farkastisch eingeschlichenes Unwesen und Mißbrauch ein vor allemahl gänz- schilderte." Wir haben hier oft welche," sagte er. Das Leben in lich abgeschaffet werde". Die Folge war war die Gründung diesem Lande ist so grausam langweilig, daß sie fast die einzige Ere das Ober- Collegium medicum in Berlin  , der Provinzial- Collegia regung während des Jahres find. Das wird folgendermaßen ge­medica. Durch dieses Resfript wurde weiter die Zahl der Apotheken macht: Wenn ein Mann findet, daß eine genügende Zahl Freunde in Berlin   auf neun Teutsche und dreh Französische" reduciert, der zu ihm halten, besticht er einiges Kriegsvoll zu 10 Cents pro Stopf geftalt, daß in Berlin   die drey älteste Teutsche privilegierte, in und steht dann an der Spike eines Heeres. Damit marschiert er in Cölln   zwey, auf dem Friedrichs- Werder eine, auf der Friedrichs- ein großes Thal in der Nähe der Stadt und erwartet die Ankunft der Stadt eine, auf der Dorotheen- Stadt eine, und auf der Königs- Regierungstruppen. Wenn diese nun kommen, ziehen fie mit allen Stadt eine Apotheke hinkünfftig seyn, und darneben die drei Franzö- Generalen auf die andre Seite des Thales. Sie sind ganz sicher, da fische Apotheken und mehr nicht, wo sie schon wohnen, bleiben." beide Seiten des Thales nicht in Schußweite von einander liegen. Dann verbot die Verordnung, abgesehen von diesen privilegierten Am frühen Vormittag, ehe die Sonne zu heiß brennt, geben beide Apotheken, den Handel mit Medikamenten, nachdem sich auch Seiten eine Salve auf einander ab, wenden sich dann um und stürzen allerlei Leute, denen das Medicinalwesen gar nichts an in die Stadt. Die Seite, die zuerst hereinkommt, ergreift alle Druck­gehet, als Buchdrucker, Buchhändler, Zuckerbäder, Kaufleute, preffen und veröffentlicht den Bericht von einem glänzenden Sieg. Krähmer und dergleichen sich unterstanden, mit Arzenehen zu handeln, Gewinnen die Empörer, so werden die Freunde des Führers mit auch viele Manns- und Frauenspersonen, denen das Argeneh- und Stellen im öffentlichen Dienst belohnt, an Stelle ihrer besiegten Vor­Apothekerwesen im geringsten nichts angehet, allerlei Medicamente gänger, und der Staatsschah wird geleert. Die Empörer, die von felbft praeparieren und solche unter dem Schein der Gutthätigkeit der entfernteren Seite des Thales kommen, haben es nicht so leicht,