Alexander zuckte mit den Schultern und machte sich ruhig wieder an seine Arbeit. Die Jakuten aber traten ihm in den Weg. „tlntersteh' Dich nicht! Brauchst Du Gewalt, so brauchen tvir sie auch!" „Bist Du verrückt geworden. Alter? Stör ' mich nicht länger und niach' hier Plah. Ich Hab' Dir ja schon gesagt, daß Du mich verklagen kannst." „Das ist eine Sache für sich, den Boden aber sollst Du nicht kriegen!" Er streckte die Hand nach dem.Eimerchen aus Birkenrinde aus, in dem Alexander das Korn trug. „Hej, Bahylej!" rief er dem Knecht zu,„nimm den Sack." Bahylej gab Kapitons kleinem Töhnchcn die Zügel. Alexander wurde blaß und nahm seine Waffe. „Hör', Alter, verlier' den Verstand nicht und mach' keine Dummheiten. Ich werde säen, und wenn Dt» Gott weiß waö angiebst. Tu sagst, daß die Gemeinde Dir nicht aufgetragen hat, mir Ackerland zu geben. Schön, so werde ich Dir Pacht bezahlen und mir das Geld von der Gemeinde zurückzahlen lassen. Ich werde zahlen, wieviel der Zasiedatiel bestimmt. lind jetzt fort niit Dir. Denn ich werde säen, auch wenn Du Dich auf den Kopf stellst." „Warum sollte ich denn auf dem Kopf stehen? Auch wir bezahlen Steuern und find Menschen. Geld nehmen wir nicht von Dir, wohl aber Du von uns.. fremdes Mistvieh! Ich werde Deinen Samen ausschütten lind damit basta!" .Er holte mit dem Fuße in der Richtung des Sackes aus, aber Alexander stieß ihn im selben Augenblick mit einem kräftigen Fußtritt zurück. Der Jakute taumelte. „Seht mal, seht! Der wagt zu schlagen! Du bist wohl tatarischer Abstammung?" „Fort nlit Euch! Auf der Stelle! Das Land uni mein Haus ist mein!" schrie Alexander uild stieß mit dem Flinten- kolben auf die Erde. Seine schwarzen Augen schössen Blitze, die Stirnadern schwollen. „Marsch, fort!" Tie Jakuten traten einen Schritt zurück, bliebe»»eben den Pferden stehen, aber sie dachten nicht daran, fortzugehen. Tie Lage wurde schwierig. Er wollte nicht dastehen und sie bewachen, arbeiten aber konnte er nicht, denn sie hätten ihm im selben Augenblicke den i-:ack fortgenommen. Sie errieten sein Schwanken. „Wir werden hier auf dem Feld übernachten, aber Dir überlassen wir's nicht! Verfluchter Räuber! Ter steht da, wie festgewachsen!" „Ajax , Ajax ! Her da!" Zosia kroch aus dem Gestrüpp heraus und betrachtete die Fremden neugierig. Ter Hund schoß wie ein Pfeil auf Alexander los. „Ajax , aufgepaßt!.. Laß das nicht anrühren!" Er ließ den Hund als Wächter neben dem Sacke und begann ruhig weiter zu säen. Tie Jakute» betrachteten da? große, zottige Tier, das sich ihnen zornig zuwandte, mit nicht geringem Schrecken. Die gelben Augen des Untiers folgten all ihren Bewegungen, seine lang herunterhängende Lippe hob sich krampfhaft, er fletschte die Zähne. Alexander entfernte sich immer mehr. Da bestiegen sie ihre Pferde und folgten ihm. „Du willst den Hund auf uns hetzen?.. Sä' nur, Liksaudra, aber ernten wirst Du nicht! Das wirst Du nicht er- leben!" schrie Kapitou ihm nach und schlug den Weg wieder ein, den sie gekommen waren. Alexander ließ sie nicht aus den Augen, so lange sie um de» See kreisten, sie aber sahen sich häufig um, hielten sogar einmal die Pferde an. sprachen untereinander und wiesen mit der Hand nach seiner Jurte. Vor Froschauges Jurte machten sie Halt, saßen ab und gingen in die Stube. „Feige Memmen! Die thun mir nichts! Haben ja's Herz nicht dazu," murmelte Alexander.„Geh' nach Hause, Kleine! Sei brav und geh' nach Hause! Wrony wird Angst haben. Geh' und nimm Ajax mit," redete er auf Zosia ein. „Sind die Jakuten gekonimen? Gute oder böse Jakuten? Wollen sie Dir das Feld nicht geben?" fragte die Kleine altklug und sah in das vergrämte Gesicht des Vaters. „Geh' nach Hause. Kind! Ajax , nach Hause!" Beide gingen ungern. Alexander spannte das Pferd vor und begann es ruhig zu unterweisen, indem er es an der Trense führte. Er ging einmal ums Feld, dann machte er eine Pause. Es war schon MittagSzeit und die Sonne brannte. Selbst die Vögel schwiegen und verbargen sich im Laub. Durst quälte ihn. Zosia rief vom Hause aus, daß sie Hunger habe, so ging er denn, um das Essen zurecht zu machen. Stachmittags ging er wieder aufs Feld und arbeitete bis zum Abend. Die Sonne ging unter. Das Pferd war müde und bewegte sich nur ttäge, man mußte es mit lautein Rufen und Peitschenknallen anfeuern. Auch Alexander war furchtbar abgespannt von dem einförmigen Auf und Nieder ans dem kleinen Flecken. Kühlung wehte vom Fluß: die eisernen Zähne der Egge schlugen gegen die Eisschicht des Bodens, die beim Untergang der Sonne sich schnell wieder zusammenzog. Die feuchte Erde verhärtete sich. Es war Zeit, auszuruhen, das Nachtessen zu kochen, der Kleinen zu essen zu geben und sie zu Bett zu bringen. Alexander spannte das Pferd aus und führte es nach Hanse . Er wollte die Egge aus dem Felde stehen lassen, da er leine Lust hatte, das schwere Gerät auf dem Rücken nach Hanfe zu schleppen, aber der Anblick des gesattelten Pferdes vor Froschangcs Jurte mahnte ihn, daß er auf seiner Hut sein müsse. Als er sich endlich mit dem Kinde zum Essen gesetzt hatte, der Hund zu seinen Füßen lag, fühlte er wie Ruhe und Frieden ihn überkamen. Eo war der erste Tag wirklicher Arbeit. Zum erstenmal in seinem Lebe» hatte er selbst den Schoß der Mutter Erde, der großen Ernährerin, berührt, c» stand keine Mittelsperson zwischen ihm und ihr. „Iß , Töchterchen," sagte er, indem er das warme, ge- röstete Brot zerschnitt und Thec einschenkte.„Bald werden wir unser eignes Brot estcn." „Mit Butter?" „Vielleicht auch niit Butter." Die Flamme knisterte lustig im Kamin und vergoldete die kahlen Wände mit ihrem rötlichen Lichte: Ajax , der auf- recht neben seinem Herrn saß, schien sein Essen, das auf dem Herde stand und noch nicht serlig war, zn bewachen. Alexander überkam ein ungeheures Bedürfnis nach Rube. Die Augen fielen ihm zu, die Arme sanken schlaff herab. Aber er hatte noch viel zu thun: er mußte Zosia aufziehen— die arme Kleine, die den Kopf aufgestützt hatte, war in den Kleidern eingeschlafen—, Ajax und das Pferd füttern und Geschirr auswaschen. „Papa! Papa! Meine Blumen ins Bettchen! Die sollen mit mir schlafen wie'ne Puppe," flüsterte die Kleine mit geschlossenen Augen. Ev suchte den mit einem Halni zu- sammengebnudeueit Blumenstrauß und legte ihn aus ihr Kissen. Das Pferd war noch warm, und er mußte warten, bis es sich abgekühlt hatte, ehe er ihm zu fressen geben konnte. Das arme Tier, das müde und hungrig war, wieherte leise, gleichsam klagend, als er Heu in die Krippe thut. Die Arbeit im Freien machte ihn wieder frisch. Ter Abend war ruhig und feucht. Purpurne Abendröte bedeckte den Himmel und überflutete die ganze Gegend mit tiefen Tinten. Die graue Ferne, der. dunkle Wald, der Nebel jenseits der Wiesen, die Wolken, die unbeweglich über dem Alban hingen, alles strablte in ihrem Lichte. Eine Schar Enten flog über das Thal und verschwand im nahen Gebüsch. Alexanders scharfes Ohr fing die von dorther komme» den Stimmen auf, auch das Geschrei der Gänse und die Sttmmen andrer Vögel unterschied er. Dort bildete der schmelzende Schnee alljährlich einen kleinen, dicht mit Weiden umstellten See. und diesen Platz wählten sich die Wandervögel mit Vor- liebe zum Nachtquartter. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck vervotcu.) jVlutterpflickten. Von L s o u X a n r o f. Autorisierte Uebcrsetzung. (Die junge Mutter— oder vielmehr angehende Mutter— liegt auf einer Chaise-lcmgue, auf Bergen von spitzenbesetzten Kissen, um- geben von Kinderwäsche: so allerliebsten, so koketten Jäckchen, Häubchen, Hemdchen, daß man sie eher für Puppensachcn, als für Gebrauchsgegenstände halten möchte. Eine Freundin tritt ein. Leb- hafte Freudenrufe der jungen— angehenden— Mutter, die sich er- heben ivill, aber durch eine Handbewegung der andren zurückgehalten wird. Zärtliche Umarmungen.) Die Freundin:„Wie hübsch Du aussiehst. Liebste I Gar nicht angegriffen!"_ Die Mutter(geschmeichelt, daulbar):„Wirklich? Sehe ich nicht garstig auS?"
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19 (21.12.1902) 248
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