Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 1.

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Donnerstag, den 1. Januar.

Der Müllerbannes.

Noman aus der Eifel von Clara Viebig .

I.

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1903

( Nachdruck verboten.) die Lenden patschte, daß sie sich mit leisem Erschauern wandten und mit fast zärtlichen Blicken ihrer feuchten, sanften Augen und mit gedämpftem Muh" ihren jungen Herrn begrüßten. Auch die beiden Pferdchen, die, rund und glatt, vom Heu der Krippe rauften, hörten auf mit Fressen und spitten die Ohren fie fannten den raschen, festen Tritt. Sie hoben das Maul und zeigten die langen, gelben Zähne, als ob sie lachten. " Ihr Ledermäuler," lachte Hannes und ließ sich willig Taschen und Hände beschnobern. Er hatte Zuder eingesteckt, und sie rieben schmeichlerisch die blanken, braunen Köpfe an seiner Schulter.

Draußen lag der Schnee und die zu Thal rinnenden Berg­wässer tröpfelten halb vereist, aber in der Staatsstube der Maarjeldener Mühle war's warm. Da sprühte der Ofen, mit gewaltigen Buchenfloben geheizt, und die Gevatterschaft saß um den Tisch bei Wein und Schnaps und besprach die Heirat. Man war endlich übereingekommen: der Müller- Matthes ver­heiratete seinen einzigen Sohn, den Hannes, mit der einzigen Tochter von Joseph Nelles, dem Weinbauer unten an der Mosel . Fünftausend baar friegte die Christina mit und eine Aussteuer, so reich an Linnen und Gewandung, daß sie ihr ganzes Leben nicht nötig haben würde, etwas zuzukaufen.

Und doch war der Müller Matthes damit lange nicht zu­frieden. Ihn dinkte, noch höhere Ansprüche machen zu können: übergab er denn nicht seinem Hannes die große Schneide- und Mahlmühle mit allem Inventar schuldenfrei", wie er fagte, fein Ziegel auf dem Dach fehlte, das Wasserrad schaufelte, die Kreissäge freischte ohn Unterlaß, drei Knechte hatten zu schaffen. Und war vor allem nicht sein Hannes der ftattlichste Freier Eifelauf, Eifelab?!

Dem hatte schon in der Wiege das Glück gelacht. An einem Sonntage war er geboren, als Pfingstmusik das Dorf durchfiedelte und der Mei selbst das Maarfeldener Thal mit Blüten überschüttete. Und zur Seit, da andre Kinder nur erst greinen konnten, hatte er schon gejauchzt und mit den Händchen nach den Sonnenstrahlen gegriffen, die über sein Stechfissen tanzten. Den Jung', deffen rundes Gesicht so frisch und rot über'm weißen Müllerfittel lachte, den Jung' follte er so billig weggeben?

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Der Spitz draußen vor der Hundehütte erhob ein bittendes Gewinsel, duckte den Kopf auf die Vorderpfoten und scharrte mit den Hinterfüßen im Schnee. Der Hannes löste ihn von der Kette, da sprang er hoch in die Höhe mit Freuden gebell und suchte das ihm geneigte. Geficht zu lecken.

Die Knechte, die Säcke auf einen Wagen luden, zwinkerten mit den weißbestäubten Lidern und zogen mit freundlichem Grinsen die Mützen von den mehlbestreuten Haaren. Ja, alle waren sie ihm gut, das fah Tima. Und sie fühlte ihr Herz Hopfen.

Verstohlen recte sie sich-war sie doch klein und reichte dem Hannes Knapp bis zur Schulteraber sie wollte gern ein stattliches Paar mit ihm abgeben. Wenn er auf sie nieder­schaute, wurde sie rot; und wie vorhin die Stühe im Stall, so wendete sie die schwarzbraunen, fanften Augen ihm zu.

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Er sprach viel und laut und lustig; umständlich erzählte er, wie sie vergangenes Jahr die Mühle mit Schiefer gedeckt, anstatt der gewöhnlichen Ziegeln, und wie sie das Getriebe mit allerhand Neuerungen versehen ja, da konnte man fich blind fuchen, zum zweitenmal gab's folch eine Mühle micht in der Eifel , und auch im Moselthal nicht! Aber der Neuerungen waren noch lange nicht genug; wenn er erst hier allein zu kom­mandieren hatte, wurde es noch viel feiner. Die Fenster waren Der Müller- Matthes hatte gefeilscht und gefeilscht. Noch zu klein, da stieß man sich ja den Kopf, wenn man herausguden tausend Thaler zu sechstausend im ganzen dann konnte wollte. Und die Thür war zu schmal, die ließ er breiter die Sache perfekt werden. Sonst er hatte die Riesenfaust brechen. Und ein Chaischen mußte. her, zweifigig mit weichen schwer auf den Tisch gelegt sonst würde nichts daraus, bei Sissen. Und die Auffahrt vom Hof zu der höher gelegenen Gott, nicht! Straße wurde mit schönen, weißen Steinen eingefaßt, daß man sicher fuhr, auch mit übermütigen Pferden. Und dort im Garten er wies auf das schmale Streifchen Land diesseits des Baches, jenseits stiegen die Höhen gleich himmelhoch- da würde er Obstbäume anpflanzen lassen, feine Sorten aus der Baumschule zu Trier : Reinetten, Herrenbirnen und füße Reinflotten; die alten da taugten nichts mehr, die waren schon vermoost. Und leiser fügte er hinzu, mit feinem Lachen, das die tadellosen Zahnreiben zeigte, daß auch Rosen dort blühen follten und Lilien und Brennende Liebe für seine junge Frau! Da hob sich Tinas Brust in zittrigem Atemzug unter dem Der Gedanke, ihre Kinder mit einander zu verheiraten, fonntäglichen Kaschmirkleid. Sie sah hin zum schmalen hatte keinem von ihnen ferngelegen. Aber ausgesprochen Gartenstrich und hinauf zu den Bergen, die drohend über der hatten sie ihn nicht. Letzten Herbst war nun auf einmal statt Mühle hingen Schnee bedeckte alles, es war tahl, falt und des Vaters der Hannes unten erschienen, in seiner ganzen, unluftig aber oben über den steilen Hängen fah fie schon fraftvollen Größe, mit der freien und doch strammen Haltung, den Himmel blauen, unterm Schnee Rosen blühen und die die er von seiner vierjährigen Freiwilligenzeit bei den Deuter rote Dolde der Brennenden Liebe. Sie ließ dem Burschen Süraffieren noch bewahrt hatte. ibre Hand, die er gefaßt, und stapfte zuversichtlich an seiner Seite zum Haus zurück. Alles gefiel ihr wohl, fie hatte nichts auszusetzen.

Der Weinbauer, einen Kopf fleiner als der Müller, dürr und mager wie ein Reb- Steden, ließ sich aber nicht ein schüchtern. Keinen Pfennig mehr, seine Christina kriegte ja noch mal was zu erben! Das Sandein mit dem Matthes war er gewohnt; wenn der gen Alf heruntergefahren fam, die bestellten Faßdaiben zu bringen, hatten sie oft so mit ein ander geeifert, sich so erzürnt, daß der Eifelaner ftumn wütend vom Hof fuhr und der Moselaner lebhaft erregt hinter ihm dreinsuchtelte. Jedoch der neue Wein hatte sie immer wieder versöhnt.

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Des Hannes Mutter erschien jetzt unter der Hausthür, sprach von Kälte und lud zu einem warmen Staffee. Tina wunderte sich, daß die Frau fror; warm und rot ging sie mit Hannes in die Staatsstube.

Joseph Nelles hatte den Gast in den Steller geführt, wo der Heurige in den Fässern rumorte, und berauschende Düfte das niedrige Felsgewölbe erfüllten. Die beiden hatten ge­waltig probiert; aber der starke Eifelaner ließ sich nicht schmeißen, weder vom Abgelagerten noch vom Neuen, weder durch den von der Sonnenseite, noch durch den sauersten Rachenpuver. Das hatte dem Moselaner mehr imponiert, als Drin fonnte man vor Qualm gar nichts sehen. Sie der ganze schöne unge selber mit seinem Strauskopf und hatten wader Wittlicher Tabak geraucht, und getrunken hatten seinem zähneblibenden Lachenbau, fonnte der kaufen! fie auch gehörig. Auf dem Kanapec, das man extra zu diesem Auch der Tina gefiel der Hannes, und die war doch sonst Tage angeschafft, schmauchten die beiden Väter, Schulter an zipp mit Mannsleuten. Aber nun batte sie nichts dawider Schulter. In ihre Stühle zurückgelehnt, schmauchten auch gehabt, mit dem Vater beraufzufahren in die Eifel ; denn be- des Nelles alter Ohm, ein Schlaufuchs, den er sich mitgebracht, sehen mußte fie fich die Mühle erft, ehe fie a" ſagte. und des Matthes' Gefreundte aus Maarfelden. Die Tant', der Tina als chaperonne beigegeben, nickte schon ein wenig auf der Ofenbank.

Und doch dachte sie beut nicht ans Beseben. Staum quckte fie bin, wenn der Hannes thr etwas wies, der sie berumführte, während drinnen in der Staatsstube die beiderseitigen nächsten Mit lautem Hallo wurden die jungen Leute begrüßt: Anverwandten, die jeder zur Unterstübung hinter sich hatte, Man war jest einig, war vergnügt und hielt Hillig.*) Immer berbandelten. Sie hatte feine Augen für die Stattlichkeit der neue Getränke schleppte die Mutter heran, viel Branntwein Rotbunten, die im Ruhstall standen, und gab doch sonst was und wahre Berge von Kuchen: Drei Tage hatte sie gebacken, auf qute Milchfühe. Sie sah mur die wenig verarbeitete.

muskulöse Männerhand, die den Tieren freundschaftlich auf*) Berspruth.