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Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 7.
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Der
Sonntag, den 11. Januar.
( Nachdruck verboten.)
Der Müllerbannes.
1903
übrig, als selber die Zügel der Pferde um den Haken in der Mauer zu schlingen und schweren Tritts in den Flur zu stampfen. Niemand kam ihm entgegen.
Der Laufeld saß in der großen Stube zu ebener Erde am Cylinderbureau über dem die große Lithographie des Abgeordneten Windhorst hing, und hatte durchs Fenster alles draußen gesehen. Was, der kam zweispännig, der wollte sich wohl gar vermessen, er sei reicher, wie er?! Oho, wenn die Leute auch Sprachen:" Der reiche Müller der reiche Laufeld " einzig reiche in Wahrheit war doch mir er! Mochte der Hannes nur immer draußen ein wenig warten.
der
Noman aus der Eifel von Elara Viebig. Er ließ die Pferde gehen, wie sie wollten; so knapp bogen sie am Rand des Kehren um, daß oft ein Rad über'm Absturz hing. Aber es war nicht forgloser Leichtsinn mehr, der den Herrn also unachtsam machte; eine zornige Bitterfeit war in ihm aufgewallt, und das zu Kopf steigende Blut hatte sein Auge getrübt. Er nagte an der Unterlippe. Wenn er jetzt die Tina bei sich hätte, wahrhaftig, er könnte ihr einen Schlag Mit leisen Schritten ging er dann rasch durch die Stube geben, mitten hinein in das blaffe, wehleidige Gesicht, das ihm und machte die Thür zum Nebenzimmer breit auf, damit der nicht mehr gefiel. Unwirsch sah er hinter sich: aber da saß nur Besucher die roten Plüschmöbel sehen könnte, die goldgerahmten sein Hund, der Nero, breit auf dem Kutschsitz und bläkte die Deldrucke an den Wänden und das breite Tafelklavier, das Bunge heraus. Brachtstück der Einrichtung, die im Dämmerlicht der immer geschlossenen Läden wie neu erschien. Es pochte. Angtree!"
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Nun hatten die Pferde die Höhe gewonnen da war schon das Waschhaus, das, wie auf Vorposten hinausgeschoben, die Nähe des Dorfes kündet. An der Quelle, die durch die Mauer geleitet, drinnen in die steinernen Tröge plätschert, stand ein Mädchen und spülte Leinzeug. Sie war jung und drall und rief lachend:" Gut Heil!" Da machte der Müller: Brr!" Die Pferde standen.
War wo ein Strählchen Sonne hinter den Wolfen, hier oben am Waschhaus traf das; hier sangen den ganzen Sommer die Grillen im Gemäuer, und waren die im Winter gestorben, so fangen noch die jungen Mädchen von Manderscheid , und ein Summen und Surren tönte weithin von emsig sich rührenden Zungen. Heut' war die eine allein hier, aber die galt für zehn, Hannes glaubte lang nicht eine so hübsche gesehen zu haben. Es zog ihn vom Wagen. Sie sprigte ihn zwar mit Wasser und schwenkte ein naſſes Handtuch zur Abwehr vor sich heraber es war ja der Müllerhannes, dem schlug man ein Küßchen nicht ab.-
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Die Pferde scharrten schon ungeduldig, und der Hund belfte dumpf, da stieg ihr Herr wieder auf; noch ein Nicken, ein schäfernder Gruß, ein Lachen, das das Echo am Mosenkopf Herausforderte, und Müllerhannes raste dem Dorfe zu. Nun war er wieder wohlgemut. Ihn dünkte schier, die Kleine am Waschhaus hatte die Sonne hervorgehert. Richtig, da guckte die bleiche Novemberſonne auch schon aus den Nebeln! Jetzt zur Mittagzeit da hatte sie noch Straft und brannte ihm förmlich auf dem breiten Rücken. Ein Behagen sondergleichen durchrieselte ihn: ah, nun wars plaisierlich!
Aus dem ersten Häuschen des Dorfes rief ihn einer an. Es war der Bäcker Driesch; dürftig nur war sein Lädchen, dem Mann standen die Sorgen auf der Stirn. Schon lange war er schuldig fürs Mehlmahlen und für manchen Scheffel Korn, den er noch dazu beim reichen Müller entlehnt.
An die zwanzig Thaler war die Rechnung; nun konnte er Heut' endlich zahlen, wenn's dem Hannes genehm war, das Geld selber mitzunehmen. Der sprang vom Wagen und ließ sichs in blanken Thalern auf die Theke zahlen, fast reute es ihn, es einzustecken, denn dem Driesch schien das Geld an den Fingern zu kleben, und die Frau mit dem verarbeiteten Gesicht, die durch die Thürspalte zusah, folgte jedem Thalerstück mit einem langen Blick. Wie konnte man nur so an den paar Thalern hängen!
Pfeifend schwang sich Müllerhannes wieder auf seinen Wagen und hielt bald danach vor des Laufelds Haus.
Jacob Laufeld wohnte der Kirche grad' gegenüber. Sein Haus war stattlich und fein zartgrün gestrichen. Stallung und Remise gehörten dazu, und auf dem Hof breitete sich ein stattlicher Misthaufen.
Auf der Bank vor der Thür saß ein halbwüchsiger Knabe, Ser Nero sprang vom Kutschsiß und fuhr ihm an die Hosen. Aber da bekam er einen Tritt mit dem nägelbeschlagenen Absatz gegen die Schnauze, daß er sich winselnd unter dem Wagen verfroch; diesmal hatte er sich geirrt, das war kein armseliger Handwerksbursche oder ein elendes Bäuerlein, das war des Laufeld Josef.
Die Hände in den Hosentaschen stand der Josefche und Starrte den Müller an.
" Is Dein Vadder zu Haus?"
Geht selber guden!"
Der Junge rührte sich nicht. Es blieb Hannes nichts
Müllerhannes trat ein.
Boschur," sagte er unbefangen; er hatte den schlechten Empfang wohl übel vermerkt, aber er war zu stolz, um das zu zeigen. Boschur, Laufeld !"
Jacob Laufeld that sehr überrascht.
Ihr seid et Hannes
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" Ihr seid et Hannesne, ich sagen doch, eso en Ueberraschung! Ich han neist gehört. Placiert Euch! Wo stehen dann die Knecht? Michel, Kobes, Steffen" er machte die Thür zum Flur auf, und nun schrie er auch nach den Mädchen: Bäbbche, Kettche, Adelheid! Spannt dem Müller die Pferd' aus! Bringt des Bernkastler, un zwei Gläser!"
"
Laßt nur dat Ausspannen," sagte Hannes hochfahrend; er hatte sich nicht gesetzt, aber während der andre ihm den Rücken kehrte, einen Blick in die gute Stube nebenan geworfen. Hei, war die nobel, viel nobler, als seine zu Haus! Und ein Klavierchen, Kozdonner, wahrhaftig, ein Klavierchen! Schwer riß er den Blick davon los.
Aus der rechten Hosentasche zog er einen Beutel mit Geld, aus der linken auch einen. Mit einem Plumps ließ er sie auf die Platte des Cylinderbureaus fallen. Hei, zählt nur, et stimmt. Un dann, hei" aus der Brusttasche brachte er nebst einem Bündel verknullter Kassenscheine die ihm von der Bank vorgeschriebene Quittung zum Vorschein, hei, unterschreibt dat, und dann sein wir fertig!"
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Hm," machte der Laufeld ; und dann fing er an, nadjzuzählen. Zwanzig, vierzig, sechzig, achtzig, hundert," bis die fünftausend voll waren. Dabei ärgerte er sich: wahrhaftig, der Hannes machte ein Gesicht, als seien die Fünftausend ein Gassendreck. War der wirklich reicher, als man dachte? Das hätte er gern gewußt. Er schlug auf den Strauch.
„ No, Mühlerhannes, Ihr seid ja gut getheert." „ Gut getheert, noch besser geschmeert!" sprach der. Ihr habt wohl dat große Ros gezogen, dat Euch die Gold. stückelcher eso abgehn, wie andern Leut die Würm?"
Stann sein!" Der Müllerhannes lachte; nu wußte er's, der Laufeld ärgert sich, hatte wohl gar gedacht, er solle kommen und barmen und farmsen")" En Zehr-, en Ehr-, en Not-, en Wehrpfennig muß man immer im Haus han," sagte er höchst ehrenwert und klapperte mit den Thalern, die er beim Drisch eingenommen, in der Hosentasche, während der Laufeld sein Geld packte und sorgfältig ins Cylinderbureau verschloß.
Die unterschriebene Quittung steckte nun Hannes gelassen ein und griff nach seinem Hut. Eben kam ein Mädchen herein, die Flasche Bernkastler trug sie unterm Arm und ein Tablett mit zwei Gläsern vor sich her. Hinter ihr kam der Junge, der vorhin draußen auf der Bank gesessen.
Meine Josef," sagte der Laufeld , gleichsam vorstellend. Es gab Hannes einen Stich durchs Herz- was hatte der Laufeld für einen hübschen, strammen, fecken Jung', und er er hatte feinen! Alles Blut schoß ihm zu Kopf. Er starrte den Knaben an, und dieser starrte wieder mit dem dreisten Blick des verwöhnten Jüngsten. Die älteste von den Schwestern des Josefche war verheiratet die andern Nönnchen im Kloster, der Junge wußte' s wohl, ihm allein fiel einmal hier das Anwesen zu.
*) Betteln und kläglich thun.