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Draußen fing jetzt das Glöckchen der Kirche an zu läuten.| trächtig und gemein, daß ein Aufschrei des Entfezens durch die ganze Jacob Laufeld schlug rasch ein Kreuz und fah dann etwas civilifierte Belt ging. Mit roher Hand haben Sie eble Kunstverle verlegen um sich: sollte er wegen dem da die Mittagsandacht angetastet, die zarten Gebilde genialer Schöpferkraft verstümmelt, Sie versäumen, noch dazu am Tag des mildthätigen Heiligen, des Bischof Martinus?

Hannes bemerkte seine Unruhe.

Ich gehe schon," sagte er. Und dann mit gutmütigem Spott: Lauft nur, Laufeld , dat Ihr net zu spät kommt. Ich denken, dat sein net alleweil die Frömmsten, die in der Kirch' dat größte Kreuz schlagen."

Dem Laufeld wurde heiß, gern wäre er dem frechen Lästerer über's Maul gefahren; aber er bezwang sich: Groß' Maul und Uebermut thun selten gut der würde schon die Heimzahlung friegen.

Die Flasche Bernkastler blieb ungetrunken.

Auf der Gasse fing jetzt plöglich der Nero an zu rumoren, sein wütendes Gebell mischte sich ins Gebimmel des Glöckchens und ins Gejauchz' des Josef. Der Bube, der sich schnell wieder hinausgeschlichen, war auf einen hohen Stoß Klafterholz ge­stiegen und schoß von hier den fremden Hund mit Erbsen aus seinem Pustrohr.

Als Hannes jetzt aus der Thür trat, sah er's und mußte Taut lachen: Ei, was schoß der Jung' so gut, und wie dunim war der Nero,' s waren ja teine Schrote, nur Erbsen, die auf seinem dicken Fell abprallten!"

Aber jetzt, halt, das war ein Wehgeheul! Dicht am Auge war die Erbse angeprallt; wie von einem Schuß getroffen wälzte sich das große Tier winselnd im Staub. Josefche stieß ein Siegesgeschrei aus, aber Hannes sprang mit einem Fluch zu: das konnte dem Hund das Auge kosten!

" Dit Flappes, Du Biwat!" schimpfte er und drohte dem Knaben. Mach! Ich verwamsen Dir den Buckel!

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Der Junge lachte und schnitt eine Grimasse; sein hübsches Gesicht, Auge, Wangen, Mund, Nase, alles schrumpfte zu sammen, wie bei einem Kautschudmännchen, und nun streckte

haben die Wehrlosigkeit der nur durch sich selbst geschützten, ſelbſt Barbaren heiligen Werke benutzt, um ganze Stücke von ihnen ab­zuschlagen, Riffe und Furchen hinein zu hämmern, die feinsten Linien grausam zu zerstören und edlen Zierrat zu plündern. Bekennen Sie fich schuldig?

Der Angeklagte erhob stolz sein Haupt und erklärte: Nein. Nein? Schnob der Vorsigende, Sie haben doch aber im Vorverfahren gestanden, daß Sie es gethan haben?

Der Angeklagte: Gethan hab' ich's allerdings, aber schuldig bin ich nicht. Es ist vielmehr meine Pflicht...

Der Vorsitzende: Schon gut. Fangen Sie nicht wieder mit dem alten Geschwäß ant. Eine schöne Pflicht, Kunstiverte zu demolieren! Können Sie sich wenigstens auf Milderungsgründe be rufen, waren Sie finnlos betrunken?

Der Angeklagte( empört): Herr Präsident, feine Beleidi gungen. Wenn ich meinem Berufe nachgehe, bin ich stets nüchtern. Sie zeihen mich einer Pflichtvergessenheit, die ich nicht auf mir ſizen lassen kann Der Vorsitzende: Schon gut, schon gut. Wir werden nach­her in die Frage eintreten, ob sich die Hinzuziehung eines Sach­verständigen empfiehlt.

Hauptung der Hehpresse nachsprechen, daß ich fein Sachverständiger Der Angeklagte( erregt): Wollen Sie etiva damit die Be­sei, daß ich von meinem Geschäft nichts verstehe?

Der Borsigende: Ich meine natürlich medizinische Sachverständige. Auf dem Gebiete des Vandalismus find Sie aller­dings fachverständig. Das hat man gefehen.

Der Angeklagte( überreicht dem Gerichtshof seine Visitent­farte): Ich bin nicht gesonnen, mir weiterhin derlei Ehrverletzungen gefallen zu lassen. Ich bin L. d. R. Mit der Medizin hat die Frage überhaupt nichts zu thun, sondern vielmehr ausschließlich mit der öffentlichen Sittlichkeit, zu deren Hüter ich...

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Der Vorsitzende( abwehrend): Beruhigen Sie sich nur! Der Verteidiger( verlegen): Vielleicht war der Angeklagte China .

Der Angeklagte: Jch verstehe die Frage nicht. Ich war

er die Zunge heraus. Er fühlte sich auf dem Holzstoß sicher. nie in China . Aber der große Mann langte hinauf und packte ihn bei Der Verteidiger: Vielleicht hat der Angeklagte aber Bilder den Beinen. Ehe das Josefchen sich's versah, war es hinunter- gesehen, wie dort uralte Kunstwerke erbarmungslos zertrümmert gezogen, stand auf der Gasse, und die breite Hand des Müllers wurden, und da hat seine Phantafie... fiel ihm schwer auf die Kehrseite.

In diesem Augenblick trat Jacob Laufeld aus der Thür; er wurde blaß und rot bei dem, was er sah.

Vadder," schrie der Junge durchdringend.

Aber Hannes ließ sich nicht beirren. wieder und wieder fiel feine schwere Hand nieder. Ercusört," sagte er ent­schuldigend, der Jung' hat minen Hund geschossen, eweil muß hän sein Prügel daför kriegen."

" Dat ist meine Sach," rief der Laufeld gereizt.c Vadder, Vadder," freischte der Junge dazwischen und schrie viel mehr, als die Prügel wehthaten. Laßt den Jung' los!"

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( Fortsetzung folgt.)]

Sonntagsplauderei.

BDC 396

15039-91150

Der seelische Aufruhr über die ruchlose Steinschändung hatte ein wahres Fieber ästhetischer Humanität erzeugt, Selbst Offiziere, die gern sich darüber unterhielten, wo das geeignetste Schlachtfeld gegen den inneren Feind wäre, verfielen in Seelenkrämpfe, sobald sie an die Missethat dachten, daß man von Kunstwerken mit frebler Hand Stüde abgeschlagen hatte. In der Presse erörterten Juristen Gesetzes vorschläge gegen das Vandalentum. Herr Dertel verlangte in der Deutschen Tageszeitung", daß man den Wissethätern entsprechende Glieder abhadte mit der Humanitätsdujelei müßte endlich ein­mal ein Ende gemacht werden; übrigens sei das Verbrechen nur cine notwendige Folge des ungenügenden Zollschutzes der Landwirt schaft, was das Land entvölkere, die Massen in die Großstädte treibe und dort jene Verrohung erzeugen, von der man draußen Gottlob nichts tvisse.

Zu den Thätern leitete lange keine Spur. Da fandte eines Tags ein angesehener Künstler eine Denunziation au die Staatsanwalt schaft, die eine so genaue Personalbeschreibung enthielt, daß der Frevler binnen einer Stunde dingfest gemacht werden konnte. In der Untersuchungshaft benahm sich der Mensch so wunderlich, daß man fast an seiner Burechnungsfähigkeit zweifelte. Er bericf sich auf feine heilige Amtspflicht und drohte mit schwersten Strafen, wenn man sich an ihm vergreifen würde. Im übrigen war er geständig und rühmte sich seiner That.

Es tam zur Gerichtsverhandlung.

Der Vorsigende war selbst außerordentlich erregt und hatte einen feuerroten Kopf. Er herrschte den in Ketten herbeigeführten Menschen an: Angeklagter, Sie sind einer That beschuldigt, se nieder­

Der Vorsitzende( unterbrechend): Das gehört nicht hierher. Der Angeklagte( wütend zum Verteidiger): Ich entziehe Ihnen hiermit mein Mandat. Ich brauche solche Verteidiger nicht. ( Der Rechtsanwalt padt seine Alten zusammen und verläßt den Saal.)

Der Angeklagte( jobial): So, mun find wir ganz unter uns, lauter fönigstreue Hüter des Staatswohls. Jezt tönnen wir ums offen aussprechen. Und ich hoffe, daß Sie mit der verdammten Inquisition endlich aufhören werden. Wir zichen doch alle an einem Strang shared on Hot choir 1

Der Staatsanwalt: Da muß ich doch sehr bitten.

Der Angeklagte( lächelnd): Aber gewiß, lieber Kollege! Sie haum die unnüßen Glieder der menschlichen Gesellschaft ab, welche z. B. schädliche Gedanken aussprechen, und ich bearbeite in der gleichen Richtung die sichtbaren Erzeugnisse der sogenannten Künstlerphaniajie.

Der Vorsigende: Sie bilden sich doch nicht etwa ein, daß Sie ein wohlgefälliges Werk damit gethan, daß Sie völlig jinnlos Kunstwerte vertrüppelt haben. Jeder fühlende Mensch, der nicht ganz verhärtet ist, muß eine Empfindung dafür haben, wie nichts­nukig es ist, mit plumper Hand mitten in die künstlerische Eingebung hineinzugreifen und hier ein Glied abzureißen, dort eine tiefe unde zu schlagen. Das ist schlimmer, als wenn man dem Schöpfer selbst Herz und Hirn zerfleischen würde. Alle die gewaltthätig ver­wundeten Kunstwerke heben wider Sie die Hand zum Fluche. Sie haben unerfegliches Leben zerstört, die hehrsten Zeugnisse gestaltenden Menschengeistes geschändet. Fühlen Sie denn gar teine Gewissens­regung?

Der Angeklagte: Herr Präsident, Sie reden wie ein Social­demokrat, wie ein Anarchist. Kein Künstler hat das Recht, fich frei auszuleben, seine wüsten Phantasien unbehindert auf dem Markt der Deffentlichkeit auszustellen. Das wäre der Untergang der Moral, der Monarchie, des Staates, der Religion. Schon in die Kinder würde das Gift der Sünde einströmen, die Seelen der Jugend würden verpestet werden. Freiheit ist Sturz der Autorität, Untergang der Gesellschaftsordnung. Freiheit- das bedeutet die Herrschaft der Gotteslästerer, Majestätsbeleidiger und Ghebrecher. Da bin ich eben berufen, dem Unheil zu steuern und mit Hammer, Stemmeisen und Meißel die geilen Schößlinge zu beseitigen. Seit zwanzig Jahren übe ich zum Heile des Bater­landes diefe Thätigkeit. Sehen Sie hier( der Angeklagte entnimmt aus einem neben ihm stehenden Koffer ganze Berge von Splittern und Trümmern), alle diese Stücke habe ich mit eigner Hand ab­gefchlagen. Glauben Sie, daß diese Eingriffe den sogenannten Künstlern nicht weh gethan haben? D. sie haben zuerst schön gewehflagt. Ich habe sie aber allmählich daran ge­wöhnt. Und sie mucken kaum mehr, wenn ich mit meinen Instrumenten in ihr wie sie es nennen- Allerheiligstes ein

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