Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 13.

13]

Dienstag, den 20. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel   von Clara Biebig. Tina hörte es und wurde totenblaß was, ihr Mann wollte flagen? Sie hatte nicht umsonst die echt bäuerliche Angst vor Prozessen und Gericht; hatten die zwei denn ganz vergessen: einmal prozessen ist schlimmer, denn zweimal ab­brennen? Sie kam und zupfte ihren Mann am Hermel: Hannes! Hannes!"

,, Wat willste?" Er sah sie mit unstät rollenden Augen wild an, da entsank ihr der Mut. Sie fand keine Worte. Och nichts, nichts," stotterte sie und schlich dann zur Thür und war froh, als sie heil hinaus war.

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1905

brüchigen Weiblein, die im Armenhäuschen hinter der Kirche hausten, die waren's doch noch bedürftiger, wie das jetzt so bedürftige Kirchendach.

Nun denn in Gottesnamen! Kräftiger schritt er aus. Da hielten ihn die Töne an, die aus der Mühle schallten. Was war denn da los? Musik? O wie lange hatte er keine gehört! Denn die Orgel im Kirchlein war verstummt, sie harrte der Reparatur, und nur des Kantors durchdringende Stimme allein leitete den Gesang der Gemeinde.

Horch! Ein Klavier! Verwundert ging der geistliche Herr näher und näheres zog ihn zum Haus hin- nun lauschte er heimlich unter'm Fenster.

So erblickte ihn die Fränz mit ihren alles sehenden Kinderaugen. Den Herr Noldes!"

Wie ein Windstos sauste Hannes vor die Thür- der Draußen luden die Knechte derweil die Fracht ab; fie tam ihm gerade gelegen packte den Herrn Pastor am Arm Hatten Hebebäume untergeschoben und gingen mit dem Klavier und nötigte ihn mit Gewalt in die Stube hinein. Das um, wie mit derbem Stammholz. Krach nun rutschte es Klavierchen sei eben gekommen, das müsse er sich ansehen. vom Wagen, krach nun stand es am Boden, frach- gegen ,, Stucktelhei, is et net ebbes ganz Extras, is et net tausend­die Pfosten der Hausthür, über den Flur geschleift, frachmal schöner, wie dem Laufeld   sein't?!" Hannes strahlte im mun in die Stube hinein. Hatten sie es so nicht fein gemacht? glücklichen Besitz. Mit Hurra empfing sie ihr Herr und die Fränz kam nach­geschossen und jubelte wie toll.

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Nun war das Klavier endlich da! Holla, heißa, hoch! Sie umstanden es alle und staunten und bewunderten. Wenn inur einer drauf spielen könnte! Hannes klappte den Deckel auf und paufte mit beiden Händen mächtig auf die Tasten. Das fummte und surrte und brummte, schwirrte und brauste und brandete ein Meer von falschen Accorden schrillte und gellte, quiekte und quäfte.

Frau Tina, die draußen im Flur stand, fuhr sich mit beiden Händen nach den Ohren und entwich in den fernsten Winkelo Jefus, das waren wohl Töne, aber Mißtöne, fie thaten weh!

Drinnen probierten sie alle eifrig weiter. Der Herr fonnte es am lautesten, aber die Knechte, die auch einmal herandurften, gaben mit ihren schwieligen Fäusten ihm nicht viel nach. Die flinken Finger der Fränz huschten über die Klaviatur, wie ein Heer tanzender Mäuse. Der Alte traute sich nicht recht, er tippte nur mal hier und da, bald mal oben, bald unten. Eine Melodie brachte aber keiner zu Wege, so sehr sie sich auch quälten. Schallendes Gelächter und Hohn­gefchrei begleiteten jeden mißglückten Verfuch. Auch Nero hatte sich hingesetzt, den Kopf erhoben und heulte das Klavierchen an.

So stand's, als Pfarrer Arnoldus Cremer bei der Mühle vorbeikam. Dem hatte Engelchen heute recht früh das Mittags­mahl gerichtet, denn er wollte hinaufwandern gen Mander­ scheid   zum Herrn Dechant. Ein schwerer Gang war's für ihn. Er ließ sich nicht gern sehen vor'm Auge des Oberen, zu einem neuen Rod hatte es eben immer noch nicht gelangt, und der Hut von Binsenstroh, den er sich selber geflochten, fand gewiß auch nicht das Wohlgefallen. Aber was half's, er mußte vorstellig werden, der Herbststurm in vergangener Nacht hatte das Kirchlein halb abgedeckt; wenn's nicht schleunigst aus gebessert wurde, ehe der Winter nahte, kam ihm die Gemeinde nicht mehr in die Predigt, und das wäre doch zu traurig, so fie nicht einmal mehr Gottes Wort zu hören kommen sollte,- gerade über dem Schiff regnete es ein. Und daß die Gemeinde Maarfelden es allein zahlte, daran war gar nicht zu denken, die war zu arm, nein, das fonnte sie wirklich nicht. Die Hälfte, ja, das wollte fie, wenn die reiche Kirche von Manderscheid   die andre Hälfte beisteuerte.

Ach, war das ein faurer Weg! Der Pfarrer seufzte, wischte sich den Schweiß und nahm unruhig den alten baum­wollenen Regenschirm vom rechten Arm unter den linken ach, viel lieber hätte er selber die halben Kosten getragen, als daß er da hinauf mußte nach Manderscheid  ! Aber woher Geld nehmen und nicht stehlen?! Und wenn er sich selbst auch seine Tass' Staffee am Sonntag und die Semmel auf Feiertag abgewöhnen würde, den Aermiten unter den Armen fennte er doch die kleine Beifteuer, auf die fie rechneten, nicht entziehen die Witwe Leis mit den fünf Kinderchen, hungrig wie die Naben, der blöde Tun, der im Sommer die Säue bütete, aber im Winter gar nichts verdiente, der uralte Beckersch Willem, so tedlig auf den Beinen, mit seinem uralten gicht­

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In der That, das war etwas ganz ertra Feines! Ein Klavierchen, ach ja- wie lange hatte der geistliche Herr keines gesehen! Liebkosend strich seine Hand über die Politur: da konnte man sich ja drin spiegeln, so blank war sie! Die Fränz versuchte es schon.

Fast fünfzig Jahre waren's her, ja, ja, so viele waren es mohl, da hatte der junge Arnoldus im Priesterseminar vor'm Spinett gesessen und fromme Weise geübt zu heiligem Gesang. Ob er die jetzt noch finden würde? Nein, das glaubte er sich selber nicht fünfzig Jahre sind lang, da kann einem vieles entschwinden! Der alte Herr nahm, ein bißchen wehmütig lächelnd, den Binsenhut ab und wischte sich über die Stirn. Der Müller lud ihn ein, beim Klavierchen Platz zu nehmen- ob er nicht spielen möchte?

Nein, nein! Arnoldus Cremer erinnerte sich plötzlich wieder seiner dringenden Mission: er hatte gar keine Zeit, feinen Moment, mußte fort, für das Kirchendach oben bitten. Hei, weiter nir? Wegen den mußt er fort? Haha, das fehlt noch! Dem Hannes lag daran, den geistlichen Herrn da zu behalten, es verlangte ihn, sein Klavierchen zu hören, jetzt gleich auf der Stell' mußte es sein; nun brannte er darauf. Und der Noldes konnte spielen, nein, den ließ er nicht fort. Nun war er ganz versessen. Mit beiden Händen drückte er den alten Mann auf den Stuhl vor'm Klavier und entriß ihm den Schirm, den der wie zum Schutz umklammerte:

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,, Her mit'm Pärpel!") Spielen, Hochwürden, spielen!" Ne, Hannes, ne, ich muß ja nach Manderscheid  !" Der Pfarrer wehrte sich, aber Hannes ließ nicht locker: ,, Spielen Se, spielen Se!"

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Ich muß doch wegen dem Kirchendach- dem Herrn Dechant sein Mittagschläfchen- bis zwei Uhr spätestens muß ich oben sein, um

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Stotzaderlott noch chs, wat macht dann eweil den ganzen Bettel? Ich zahlen die Hälft'" Hannes befann sich nun feinen Augenblick mehr ich zahlen et, punktum, streu Sand drauf. Un jetzt abgemacht, eweil spielt hr!"

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Die limstehenden murmelten Beifall: ja, spielen, der Herr Noldes sollte spielen, ein schönes Stück, ein lustiges Stüd!

oder

He, Vadder, Ihr seid ald, Heiraten muß ich bald"

Ich armer Mann, was fang' ich an Mit meinem bösen Weib!"-

Ha, cins zum Tanzen! Fränz klatschte in die Hände. Da schlug der Herr Pfarrer die ersten Töne an. War's möglich, wirklich wahr, der Müllerhannes wollte die Hälfte zahlen, er brauchte nicht hinauf, oben nach Manderscheid  ?! Staum faßte er das Glück.

Die Tasten, die er anfangs nur zag und ängstlich zu be­rühren gewagt, tippend mit einem Finger, drückte er mun fräftiger nieder. Der Hannes bezahlte die Hälfte vom Kirchen­* Parapluie  .