Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 14.

14]

Mittwoch, den 21. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig .

IX.

Müllerhannes saß in seiner Stube, beide Ellenbogen auf­gestützt und den Kopf zwischen die Fäuste gestemmt. Vor ihm Tag der Hund, schob ihm ab und zu die Schnauze aufs Knie und leckte ihm die Hose; aber sein Herr war heut' zu keinem Scherz aufgelegt. Ueber dem Kanapee saß der junge Hannes in der schmucken Uniform auf dem sich bäumenden Schecken, aber auch dahin warf der Herr heut' feinen Blick. Er mußte

denken denken.

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Nun war Martini ins Land geritten draußen wirbelte der Schnee- er hatte die fälligen Hypothekenzinsen nicht Kreuzdonnerivetterparaplei!" Einen Fluch stieß er aus und biß die Zähne aufeinander.

zahlen können.

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Daß ihn auch sein Freund, der Schmitz von Wittlich , im Stich gelassen! Wer hätte das je gedacht! Also man ver­spricht etwas hoch und heilig und dann denkt man gar nicht daran, es zu halten?! Hannes drückte sich die Fäuste Hannes drückte sich die Fäuste gegen die Stirnwar's möglich? Das wollte ihm nicht in den Sinn. Sie hatten doch mit einander getrunken, wie zwei Brüder, ein Herz und eine Seele und der hatte gesagt: Ich legen en gut Wort ein- ich" und hatte sich dabei auf die Brust geschlagen brauchst die Zinsen nicht zu zahlen, Müllerhannes!"

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Jawohl mit den Achseln hatte der jetzt nur gezudt und war verlegen gewesen und hatte von gar nichts mehr zu wissen vorgegeben.

Und heute, heute in aller Frühe Hannes sprang auf und ging unruhig, mit schweren Schritten in der Stube auf und nieder war ihm ein amtliches Schreiben ins Haus gekommen leichenblaß war die Tina geworden, als sie's Siegel gesehen die Bank verlangte Sicherheit für die fehlenden Zinsen, sonst

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Er wagte es nicht auszudenken. Mit einem Sab war er am Fenster, legte die heiße Stirn an die Scheiben und starrte hinaus auf den Hof. Da stand sein Holz, Bretter, hochauf­gestapelt- ein rechter, hoher Haufen haushoch, das war immer ſein Stolz gewefen verkauft waren sie noch nicht, nicht einmal bestellt, auch die Bestellungen fingen ihm ja die Hallunken oben am Bach ab, so gut wie das Wasser, und daneben, noch in den Ketten, wie die Gäule sie auf den Hof geschleppt, lagerten die Stämme, die er auf der letzten Holz­auftion im Kunowald gesteigert. Sie ruhten unterm Schnee, wie tote Riesen. Dazumal war's ein herrlicher Sommertag, -die beiden oben vom Bach waren auch dabei gewesen da hatte er sich verleiten lassen, eigentlich mehr zu steigern, als er gebrauchte. Was hatten die beiden für Gefichter ge schnitten, als er sie mit seinem Steigern in die Höhe trieb und dann doch noch ihr Angebot überbot. Noch jezt mußte er darüber lachen.

Haha!"

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Schönes Holz, teures Holz aber mochte es denn hin­gehen als Sicherheit für die nicht bezahlten Zinsen! Mit dem Verkauf anderswohin schien's ja doch nicht zu glücken wie berhert war's mit dem Wein! An der Mosel hatten sie schon feit Jahren feinen tüchtigen Fässerbedarf da war's denn egal, wer die Hand auf das Holz da legte: mochte die Bank es immer nehmen, die Beiden oben am Bach waren ja doch drum gepritscht! Das freute ihn.

Und hierüber fing er an zu vergessen, was ihn drückte. Am Mittag war Hannes ganz guter Laune; er närrte sich mit dem Hund und auch mit der Fränz, die gurrte wie eine Lachtaube. Weiß Gott, von ihrer Mutter hatte sie's Lachen nicht gelernt! Die saß da, wie die reine Trübsal, stocherte im Essen und brachte keinen Bissen über die Lippen. Das boste den Mann. Warum war das Weib nur immer so andre Weibsbilder waren doch wohlgemut?! Immer diese Miene, wie: Gott erbarm dich! und heut' wieder rotgeweinte Augen warum denn?

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Wann' t Wasser wieder knapp wird in der Mühl, fann's

1903

Du ja aushelfen," sagte er, es flang noch wie gutmütiger Spott, aber schon grollte ein kommender Zorn darin.

Fränz pruſtete laut heraus. Tina erwiderte nichts, aber sie stand vom Tisch auf, ganz grünlich- blaẞ; und als die Magd nachher in die Küche kam, stand die Frau am Schuttstein und stöhnte.

Tina, Tina," schrie der Herr innen. Sie schüttelte ab­wehrend den Kopf. Da mußte die Magd hineingehen und melden, daß der Frau die Galle übergelaufen sei. Et is ihr übel geworden," sagte sie.

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Hannes ließ anspannen was sollte er zu Haus? Es litt ihn nicht. Er hieß das gute Silbergeschirr nehmen- nun gerade, allen zum Troß und als der Knecht Einwendungen machte: Tas saubere Chaischen bei dem unfauberen Wege? fuhr er dem grob über's Maul. Das waren seine Chaise und feine Pferde und gingen keinen andren Menschen was an. umwegen durch die Schluchten, sondern stracks das Thal ent­Er fuhr im Galopp gen Manderscheid . Heut' nicht auf lang, an den beiden Mühlen vorüber, die breite, weithin sicht­bare Serpentine hinauf. Wen brauchte er zu scheuen? Niemand.

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auffällig mit der Peitsche; es zeigten sich denn auch einige Als er dicht bei den Mühlen vorbeifam, Klatschte er recht Gefichter hinter den Fenstern und das beruhigte ihn. Ja, gafft nur, gafft das schönste Holz hab' ich doch! Er vergaß darüber, auf das sich flugs drehende Mühlrad zu schauen, und überhörte das Rauschen und Brausen des Wehrs. Müllerhannes fuhr schnell hinauf gen Manderscheid . Jetzt war die Zeit gekommen, heut gerad' der rechte Tag dazu, mit allem reinen Tisch zu machen. Das Gesicht, mit dem er auch finster mit seiner schwarzen Lavakuppe, über der ein nach dem Mosenkopf blickte, war tropig. Der schaute heut düsterer Wolfenball hing. Schwer drückte der Berg das Thal und hing dräuend über den weißen Mühlen im Grund. Ja, wartet mur, wartet Ihr da, Euch wird der Bürger­meister schon mores lehren. Der alte Dallmer war ein braver Mann und liebte die Eifel , und die darin geboren, der würde ihm schon guten Rat geben und ihm zu seinem Recht verhelfen, des war der Hannes gewiß.

So fuhr er rasselnd vor, schaute hocherhobenen Kopfes die Gasse zum Hause des Laufeld hinüber und schritt dann hallen­den Schrittes in die Bürgermeisterei von Manderscheid .

Der Bürgermeister war ihm immer wohlgesinnt gewesen war der doch selber ein Eifelsohn, einer aus altem Bauern­blut, groß wie ein Bauer, dazu breitschultrig, mit einem Stier­naden heut', als er ihm am Pult gegenüber saß, dünkte dem Hannes seine Miene nicht so freundlich. Aber der Herr mochte mißgestimmt sein was hat auch so ein Bürgermeister nicht alles für Scherereien! Rasch entschlossen und ohne viel Umschweife brachte er sein Anliegen vor. Die zwei Müller, ober ihm, an der Kleinen Kyll, der Herr Bürgermeister wußte schon, die zwei neuen, die mußten fort, die nahmen ihm das Wasser, die fingen ihm die Forellen, die kurz und gut, das ging nicht an, weg mußten fie!

Er hatte sich in Eifer geredet und seine Augen sprühten. als er geendet, sah er erwartungsvoll drein. Der Dallmer mußte doch gleich ihm jetzt entrüstet aufspringen und mit der Hand aufs Pult schlagen: fort müssen die! Der war doch ein Gerechter!

Aber nichts von dem. Ein gewisses Mitleid war in dent Blick, den der Bürgermeister auf den Müller richtete.

,, Gemach, gemach," sagte er, immer langsam! Erzähl' mir noch ehs die Geschicht'!"

Und der Hannes erzählte noch einmal. Er verhehlte es nicht: die andren mahlten alles Storn und schnitten alle Bretter, er hatte das Nachsehen. Und doch gehörte das Wasser ihm, ihm ganz allein! Un dat Wasser wie is et damit habt Ihr dat

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gepacht?" Hannes lachte. Ne." Bezahlt?"

Ne." Hannes war ganz verblüfft. Wie komisch der Herr Bürgermeister fragte? So war es doch schon seit Leb­zeiten gewesen, feit fünfzig Jahr, seit hundert, vielleicht seit tausend. Das Wasser gehört der Maarfeldener Mühl wie dem Bauer die Eifel , um darauf zu leben, wie der Mücke die Luft, um darin zu tanzen.