Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 16.

16]

Freitag, den 23. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel   von Clara Biebig. Nun hatte sich der Vater in Eifer geredet und war beinahe ebenso zornig, wie der Sohn. Natürlich fuhr er mit nach Wittlich  , mit dem größten Plaisir- er würde doch seinen Jung' nicht im Stich lassen?! Und geflagt wurde selbst­verständlich nu gerade en Erempel mußte statuiert werden, daß die Drei zeitlebens dran genug hatten!

1903

Sie lachten alle Drei hinterdrein: So ein reicher Mann, und mit der Schneckenpost fahren! Hannes that sehr fidel, aber innen brannte es ihm doch wie ein Schmerz: Der Laufeld  hatte ihn nicht gegrüßt!

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Und auch andre grüßten ihn nicht. Als er als erster in Wittlich   einfuhr die Post hatte er längst überholt, wie ein Sui war er noch vor Minderlittgen   an der vorbeigejauſt, ſo rasch, daß sich der Vater erschrocken mit beiden Händen am Sit festhielt, so dicht, daß die Schmutzspritzer der quirlenden Chaischenräder gegen das Fenster des gelben Rumpelkastens begegnete er dicht bei der Bank den beiden

flatschten Müllern.

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Unwillkürlich fuhr er mit der Hand nach der Müze Dem alten Matthes schwebte dunkel eine Erzählung seines das sollte doch keiner sagen, daß er Nachbarn nicht gegrüßt Vaters vor, wonach dessen Vater in seiner Jugend hatte aber der eine guckte rechts, der andre links,' s war recht ab­jemanden henken sehen. Damals war ein Richtplatz gewesen, nicht allzuweit vom Dorf, auf öder Gemarkung, wo auch die fichtlich, daß sie ihn nicht fahen. Aha, blies es aus dem Loch? Weiber verbrannt wurden, die auf einem schwarzen Bock durch Mit dem Laufeld   hatten die zwei sich hier verabredet- wer weiß, sie hatten Wind bekommen von seiner Klage, wollten den Schornstein gefahren waren zur Buhlschaft mit dem Gott- mun ihrerseits auch klagen, alle drei miteinander gegen ihn feibeiuns. Dort mußten Verbrecher aller Art am Galgen losgehen?! baumeln. Fast wollte ihn ein Bedauern beschleichen- wegen des Laufeld   daß die Zeit solchen Gerichts nun vorbei.

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Mit schnaubenden Rossen fuhren Vater und Sohn durch den Kunowald. Es war ein unwirtlicher Morgen; aus den Nüstern der Pferde stiegen Nauchsäulchen, Nebel brandeten im Grund und zwischen den Riesenstämmen hingen Wolken fetzen. Finster blickte der Mosenkopf; seine Hänge waren nicht mehr grün, das Gras, das die Heerden so gern weiden, das im Sommer, fast strozend, herb- würzig duftet, war falb und dürr geworden, und der Schnee, der noch nicht fest liegen blieb, hatte sich in langen schmutzigen Streifen darüber ergossen. Der Boden des Waldes war aufgeweicht; naffe, noch nicht gänzlich entblätterte Brombeersträuche standen am Wege und froren. Es regnete eigentlich nicht und doch waren die Pferde wie aus dem Wasser gezogen, und die Insassen des Chaischens wurden auch naß trotz des hochgeschlagenen Halbverdecks.

Sie hatten beide das Bedürfnis nach einer Erwärmung. Hannes peitschte auf die Pferde rasch, daß sie Großlittgen  erreichten, ungefähr die Hälfte des Weges, da kehrte sich's gut ein! Er kam ja so oft hier des Weges und nie fuhr er

vorüber.

Im ansehnlichen Wirtshaus stand der begrüßende Wirt schon unter der Thür; es that dem Hannes ordentlich wohl, wie der beslissen den Chaisenschlag aufriß und seinem steif beinigen Alten fürsorglich auf den Boden half. Und auch der Matthes schmunzeltenun sah er's doch einmal recht, was fein Hannes galt.

Sie sagen noch bei ihrem Schoppen Roten, dem ein paar scharfe Doppelforn voraufgegangen, als die Manderscheider Post ins Dorf einraffelte. Gerade hier am Wirtshause war die Posthilfsstelle. Dicht am Fenster rumpelte der gelbe Staften vorbei es saß niemand drin, oder doch halt Vater und Sohn wechselten einen raschen Blick: zum Donnerwetter, da saß ja der Laufeld   drin!

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Er hatte sie auch gesehen, er mußte die neugierigen Köpfe am Fenster bemerkt haben, aber er that nicht desgleichen.

Was, konnte der nicht grüßen? Hannes stieß einen Tangen Pfiff aus: den wollte er schon lehren, vor anständigen Leuten den Hut abziehen!

" Der fährt auch nach Wittlich  , haste gefeh'n?" Aufgeregt stieß der Alte seinen Sohn an.

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Hannes preßte krampfhaft den Arm seines Vaters war der auch nur schwach, es war doch ein Arm. Zum ersten­mal in seinem Leben erachtete er es gewissermaßen für eine Wohlthat, jemanden neben sich zu haben. Zärtlich legte er den Arm um die Schultern des alten Mannes und schob ihn so vor sich her in den Flur des Advokaten. sich her in den Flur des Advokaten.

Matthes war etwas zag; vor den Studierten hatte er eine angeborene Scheu, einen ungeheueren Respekt. Als ob die Stufe der Treppe ihn brenne, 30g er noch einmal den Fuß zurück.

Aber der Sohn lachte ihn aus nur Courage. Ueber's Jahr um die Zeit, nein, schon viel eher, waren die zwei oben am Bach weggezogen mit Sack und Pack, und der Laufeld   hatte ordentlich was zudiftiert gekriegt wegen Verleumdung. Wozu gab's denn Gefeße?! Und mit dröhnendem Lachen, erhobenen Hauptes wie ein Sieger, flopfte Hannes an die Thür des Advokatenbureaus.

Es war am Nachmittag, als das Chaischen des Mühlen­hannes die großen Kehren aus dem Wittlicher Thal zur Eifel­höhe langsam wieder hinaufschlich, die es am Vormittag blizz­geschwind herabgerollt war. Es froch wie ein müder Falter, der nicht mehr fliegen kann. Der Eifelwind stemmte sich ihm entgegen und verfing sich im Halbverdeck; die langen Schweife der Rosse flatterten, und ihre Mähnen wurden zerzaust. Ein böses Wetter!

Böses Wetter auch beim Hannes. Er schimpfte nicht, er fluchte auch nicht, er lärmte nicht laut, gleich dem Sturm, der in den Ebereschenbäumen der Chaussee heulte, aber seine Stirn war zwischen den Brauen ganz zusammengezogen, und die Bornader an der Schläfe dick geschwollen. Sein Kopf glühte; wie bei einem gereizten Stier war das Weiß seiner Augapfel rot unterlaufen. Die Hand, die die Zügel hielt, ballte sich zur Faust.

Oh, wie that es ihm leid, daß er nicht den Hund bei sich gehabt! Auf die Sterle hätte er den sonst gebett, als sie ihm begegnet waren, alle Drei, rechts ein Müller, links ein Müller, der Laufeld   in der Mitte. Wie sie gut Freund waren und sich amüsierten! Aus der Traube" kamen sie heraus, hatten ver­gnüglich eins getrunken, während er- er--! Oh, wie er sich ärgerte! Die Zähne biß er zusammen, daß sie fnacten, -was hatte der Advokat gesagt, der Efel, der Nichtskönner, Un in der Post, net emal in der Chais, eso lumpig!" die feile Streatur, die gewiß schon von den andren gestempelt Hannes moquierte sich weidlich, und der Wirt, der vergebens war: die andren Müller hätten genau so viel Recht wie er, auf die Einkehr des einzigen Post- Passagiers gerechnet, er fönne dech unmöglich die ganze Kleine Styll beanspruchen; spöttelte mit: Ja, der Laufeld  , das war einer, zehnmal drehte und was die Forellen anbelange, so solle er nur fein still den der einen Pfennig herum, ehe er ihn ausgab so ein Pfennig- Mund halten, die Fischerei habe er ja ebensowenig gepachtet, fuchser, so ein Geizhals! Die eigenen Pferde waren ihm zu wie die zwei. Und was den Laufeld   betreffe, so fönne man Schad',' s könnte ja auch das Chaischen mit Dreck bespritzt dem schwer an den Pelz- Selatschereien seien nicht zu fassen werden!

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Ueber den Tisch geneigt, mit vorgestrecktem Hals und auf­geblähten Nüstern sog Hannes den Duft dieser Worte ein. Draußen hatte der Postgehilfe den Postfack mit den wenigen Briefichaften des Dorfes unter den Bock geschoben, mun stieß der Postillon wieder ins Horn- träträ" äffte Hannes nach, die Faust am Mund. Im Regen, der jetzt niederstob, mit Schauern von Schnee vermischt, rumpelte langjam die Kutsche von dannen,

wenn der nichts Schlimmeres gesagt, als er gesagt haben sollte, so lasse sich beim besten Willen feine Klage formulieren. So gern er, der Advokat, sein Geschäft auch betreibe, einen Prozeß anzustrengen, wäre lächerlich. Er rate dem Hannes, nicht eigensinnig zu sein, sich gütlich mit den Konkurrenten zu einigen, daß sie das Wasser nicht oben aufstauten, wenn er es unten brauche.

Was, gütlich gütlich?! Spud drauf! Da ging er eben zu einem andren Advokaten und müßte er bis Trier