" Sol.. Hm!

" Ganz bestimmt, Herr Mehnert. Wissen Sie, lassen Sie sich warnen vor holländischer Ware. Sie bleibt liegen. Sicher. Das deutsche   Volk besinnt sich auf sich selbst; es kauft nichts Ausländisches mehr." Herr Mehnert trommelte auf dem Ladentisch. Wissen Se, beim Effen un' Drinken is das den Leiten ganz schnubbe ob's von den Deitschen oder von den Dürken kommt. " Oh, oh, oh... Herr Mehnert! Es geht eine Bewegung durch das Volk Und dann überhaupt: Wir bringen jeht eine neue Marke in den Handel: Deutsche Marine. Wenn ich mir er­lauben darf Er hatte bereits den Musterkoffer geöffnet und hielt ein Paket in der Hand mit bunten Reklamebildern: auf der einen Seite ein Panzerkreuzer, auf der andern eine Blaujacke mit schwarz- weiß- rotem Banner, auf dem geschrieben stand: Deutscher  Marine- Katao. Nationale Ware." Er nahm eine wohlwollende Miene an. Herr Mehnert, ich offeriere Ihnen zuerst, weil Sie unser ältester Kunde am Orte sind. Rücksicht auf Ihre Firma, Herr Mehnert. Sie sollen das Geschäft zuerst machen und ich rate Ihnen, greifen Sie zu ehe die Konkurrenz sich mit dem Artikel versieht. He?"

"

Der Kaufmann verzog sein Gesicht zu einem gemütlichen Grinsen.," machte er, geh'n Se doch damit nach Leip'zch. Das' s ja eene große Seestadt.

wären

"

Ei, ei, Herr Mehnert. Wenn Sie ein bißchen Politiker " Ach, blei'm Se mir mit Ihre Bolidik vom Halje. Das is' nischt im Geschäft." Der Reisende zog ein Etui aus der Tasche. Cigarre gefällig?" " Danke. Der Kaufmann zog eine heraus, beguckte sie von allen Seiten, schnitt mit dem Abschneider die Spike ab und setzte fie gemächlich in Brand. Der Reisende lehnte sich mit dem linken Arm auf die Ladentafel, mit dem rechten hielt er verführerisch das Katao- Paket hin und qualmte dazu seinen Tabakstengel.

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und ebenso nur deutsche   Fabrikate kaufen, dann würden für den deutschen   Arbeiter goldene Zeiten anbrechen. Die höchsten Löhne würden sie beziehen und, wenn die Grenzen abgesperrt und die ausländische Konkurrenz ferngehalten würde, sei es dem Arbeiter möglich, bald selbst ein fleines Geschäft anzufangen, Ersparnisse zu machen, fein Geschäft zu vergrößern und schließlich auch ein deutscher   Unternehmer zu werden. Nicht nach dem Billigsten" fragen, sondern nach dem Nationalen", das sei der erste Schritt, diese herrlichen Zustände der nationalen Arbeit zu schaffen. Der Kaufmann drehte seinen Stummel zwischen Daumen und Beigefinger und pfiff dazu durch die Zähne. Die Arbeiter kauten ihre Wurst und ihren Käse und zwinkerten sich gegenseitig zu. Schließlich meinte einer:

" Ich denk' m'r bloß, bei d'r nazjenalen Arbeet wer' m'r ooch wieder de Dummen sinn.' s is' so schonn alles dheuer genug. M'r kann sich bal' keene Wurscht mehr foofen. Un' wenn m'r nu' bloß noch deutsche   Ware koofen soll, denn wer'n die Preise noch höher wer'n; de großen nazjenalen Herrn stecken den Profit in die Tasche un' d'r Arbeeder guckt in den Mond."

Ha, solche antinationale Gesinnung, folche Rückständigkeit Da sollten sie beispielsweise die Firma Deutschmann sehen. Da bekomme jeder sein Teil an nationalem Gewinn. Sie sollten ihm ansehen! Nationale Ware, sei nationale Arbeit, sei gesicherte nationale Existenz

Und während er noch sprach, kam der Piccolo von Deutschen Haus" herüber gesprungen und brachte ihm einen Brief:" Sehp eilig!" Deutschmann u. Co. Er riß ihn auf, gewichitig und sichtbar, wie's fich für solchen Brief gehörte. Und er las:" Da Sie trob mehrfacher Mahnungen nicht die uns versprochenen Aufträge bringen, Ihre wenigen Aufträge aber meistens faule Kunden be­treffen, so daß Sie uns nicht die Spesen verdienen, so bedauern wir von Ihren Diensten keinen Gebrauch mehr machen zu können und ersuchen Sie, sofort" ust. Er wurde knallrot, fezte den Cylinder auf und griff nach dem Musterkoffer. Der Kaufmann, der ihm über die Schulter spioniert hatte, machte ein vergnügtes Gesicht und sagte plöblich: Wissen Se' was Schicken Se m'r emal' ne Probe­fendung von Ihrem Marine- Katao. " Bedaure," ertviderte der Nationale, da müssen Sie auf den nächsten Vertreter warten. Ich danke für das Geschäft." mehr mit d'r nazjenalen Arbeed, he?" Da lachte der Kaufmann aus vollem Halse.' s is' wohl nischt

"

Hör'n Se' mal, Herr Mehnert. Sie wohnen in' ner fleinen Stadt. also. Ich aber komme aus der Großstadt. Da hat man' nen politischen Blick ja. Und Verbindung hat man bis zu den Spizen der Gesellschaft, seh'n Sie. Da weiß man manches; Haben Sie schon mal vom Deutschen   Flottenverein gehört?' ne Hochpolitische Sache. Er eröffnet jekt überall Zweigvereine. Herr Deutschmann ist auch Mitglied, ich natürlich auch, wie überhaupt jeder wahre Patriot. Und, sehen Sie, darauf spekulieren wir. Wenn der Flottenverein in den hiesigen Bürgerkreisen bloß hundert daß er das Gelächter nicht höre, und stolperte über das Stein­Der Nationale aber schmiß die Thüre hinter sich ins Schloß, Mitglieder kriegt, und jedes Mitglied kauft monatlich zwei Päckchen Marine- Kakao, so macht das pro Jahr' nen Umsatz von zweitausend- pflaster des Marktes seinem Gasthof zu. Ja, es wurde einem schwer vierhundert Pad. Na, ha'm Se Worte? Wollen Se' n Geschäft gemacht, im Geschäftsleben national zu sein!

machen?"

Er zog ein Buch aus der Tasche, um die Bestellung zu notieren. Aber der Kaufmann machte keine Anstalten. Er saß halb auf der Ladentafel und sog mit ironischem Lächeln an seiner Cigarre.

id dod

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Kleines feuilleton.

" Wissen Se," meinte er bedächtig. Was der Flottenverein  is', der hat schon eenen Zweigverein dahie... un' der hat dreiie. Für das Verhältnis der geistigen Begabung und der Körper­Mitglieder: den Vorsitzenden, den Schriftführer un' den Kassierer. Der Kassierer das is' der Gerichtsvollzieher, hähähä!"

"

Der Reisende machte ein verdutztes Gesicht. Was, so un­patriotisch is' man hier?"

" Nu, hier sinn se nich' so. Was unsre Bevölkerung is', die denkt, wenn wir bloß erscht' nen Schnellzug hädden, aus' n Kriegs­schiffen macht die sich nischt."

Eine Weile wußte der Vertreter von Deutschmann u. Co. nichts zu erwidern. Er paffte dichte Qualmwolken in den Laden. Dann sagte er:" So weit zurück seid Ihr aber noch."

Der Kaufmann blinzelte ihn aber mit seinen listigen Aeuglein an." Uff die Weise wer'n die Deutschmanns dahie ieberhaupt schlechte Geschäfte machen. Frieher hieß' s eefach: Deutschmanns Kakao un verdienen dhat m'r zwölf un' fünfzehn Prozent. The heeßt's:" Deutscher Katao" un" Marie- Kalao" und da d'rbei kriegt der Detaillist bloß noch fünf Prozent un'' s Zeug bleibt' n ooch noch liegen.'

" Berehrter Herr Mehnert, wir machen eben jetzt unsre Ge­schäfte im neuen Stil." Ach nee.

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Unser Motto ist: Kleiner Profit, großer Patriotismus." Aha." " Früher offerierten die Reisenden die Waren zu Schundpreisen, heute verlangen wir einen festen Preis, aber wir wenden uns an das nationale Ehrgefühl. Wir gewöhnen dem Deutschen   an, nur deutsche   Fabrikate zu kaufen. Und haben wir ihn dazu erzogen, dann sperren wir die Grenzen und lassen die ausländischen Waren überhaupt nicht mehr herein. So schaffen wir eine wahrhaft

nationale Arbeit."

Drüben von dem Neubau kamen die Maurer herüber und holten sich ihr Vesperbrot. Der eine ein wenig Wurst, der andre ein wenig Käse. Sie standen da und hörten zu, wie der neue Vertreter von Deutschmann seine nationalen Ideen entwickelte. Und als dieser sich dergestalt im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmert­famkeit fah, schwoll sein Selbstbewußtsein. Hier galt's eine nationale Mission zu erfüllen. Die Arme gekreuzt, die Beine übereinander geschlagen, stand er elegant an den Ladentisch gelehnt, ließ den Tabatqualm gegen die Decke ringeln, blickte den Ringeln nach, als sähe er in die Zukunft Deutschlands   und redete.

Wenn Sie nur den deutschen   Kakao von Deutschmann u. Co.

beschaffenheit haben sich noch immer keine Regeln aufstellen lassen. Wenn man im allgemeinen ziemlich sicher zu wissen glaubt, welches Gesicht flug und welches dumm aussieht, so ist ein solches Urteil doch wesentlich aufs Gefühl begründet und ohne wissenschaftlichen Wert. An Bemühungen hat es nicht gefehlt, eine körperliche Eigen­fchaft ausfindig zu machen, die einen zuverlässigen Maßstab für die Intelligenz der einzelnen Menschen abgeben könnte. Noch heute ist jedem die Lehre vom Gesichtswinkel bekannt, die vor fast 150 Jahren wurde. Der Campersche Gesichtswinkel ist derjenige, der zwischen bon dem holländischen Anatomen Petrus Camper   aufgestellt Linie von der Nasenwurzel nach der Ohröffnung eingeschlossen wird. der senkrechten über dem Nasenrücken verlaufenden Linie und der Je ſtumpfer dieser Gesichtswintel ist, desto höher soll das geistige Niveau des Wesens sein. Selbstverständlich bezieht sich dieser Satz auch auf alle Tiere, die eine einigermaßen menschenähnliche Gesichts­form befizen. Neuerdings haben drei Forscher an Studenten der Universität Cambridge   neue Untersuchungen über die wichtige Frage angestellt, unter ihnen ein Mitglied der Londoner   Royal Society  , Karl Pearson  , und zwei wissenschaftlich vorgebildete Damen, Dr. Lee und Marie Lewenz. Kürzlich ist ein vorläufig abschließender Bericht über die Ergebnisse dieser Forschungen an die Royal Society  " eingeliefert worden. Die Prüfung hat sich auf alle möglichen Beziehungen erstreckt. Zunächst handelte es sich um diejenigen zwischen der Intelligenz und dem absoluten Maß des Stopfes, später wurde die Beziehung zwischen der Intelligenz und dem Verhältnis der Kopflänge zur Körpergröße in Rechnung ge 30gen. Weiterhin statt der Stopflänge die Kopfbreite genommen. Die daraus erhaltenen Ergebnisse waren nicht befriedigend. Aus den Messungen der Ohrenhöhe, die bei zahlreichen Schulinaben vorgenommen wurde, konnte gar kein Schluß auf die Intelligenz gezogen werden. Vielmehr wurde angenommen, daß die anders lautenden Angaben von zwei Pariser Gelehrten auf einem mangelhaften Material oder einem fehlerhaften Verfahren beruht haben müßten. Ferner wurden Beziehungen zwischen der Intelligenz und der Zugkraft, der Druck­fraft, sowie der Weitsichtigkeit gesucht, aber auch hier war der Er­folg überall ein negativer. Zwar schien sich herauszustellen, daß geistig hervorragende Menschen eine geringere Körperkraft und Seh fraft besitzen als der Durchschnitt, aber die erhaltenen Unterschiede waren doch fleiner als die möglichen Fehler des Verfahrens. Etwas besser steht es wohl mit der Beziehung zwischen der geistigen Be­