Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 23.
23]
Dienstag, den 3. Februar.
( Nachdruck verboten.)
Der Müllerbannes.
Noman aus der Eifel von Clara Viebig . Sie hielt sich steif und blickte halb trozig, halb verlegen aus ihren sammetschwarzen Augen. Nun merkte er ihr Widerstreben.„ Wat is dat dann mit Dir?" sagte er plötzlich argwöhnisch, Du freuſt Dich net, wann Dein Vadder heim kommt, he?!"
Sie schwieg.
,, He Du?" schon wurde er zornig, nu, is't bald gefällig? Wat sticht Dir im Kopp, he?" Er faßte sie am Zopf und zog sie daran. Noch war es Spaß, aber es that schon weh.
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1903
mer freut
,, Ei, fuck an, wat dat Fränz e so flug is. sich net, e sodat hat Dir ein Josef gesagt- hoho,- wat es dat dann für ein Josef, he?"
„ Ei, den Laufelds Josef zu Manderscheid," sagte sie unschuldig.
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,, Wat den?!" Er schrie auf. Das war nicht mehr der Schrei eines Menschen, es war der eines wilden Tieres. Erschrocken fing die Fränz wieder an zu weinen- ei, was hatte sie denn Dummes gesagt, daß der Vater auf einmal wieder so bös war? War der Josef zu Manderscheid nicht schon so ein großer Junge, vem sie glauben mußte?!
Der Vater hielt sie gepackt und rüttelte sie hin und her, daß alles an ihr flog, ihre Zähne schlugen und schmerzhaft auf die Zunge bissen.
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,, Den Josef, den Laufelds Josef", heulte er ,,, also da her bläst den Wind? Josef Laufelds Josef-o die Kanaljebis in't Haus schleicht se ei'm. Landsluder Du", er rüttelte die Tochter stärker, woher kennst den Biwak?"")
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Sie schwieg und sah ihn stumm, trottg an; aber um ihre Lippen zuckte es verräterisch wie im verhaltenen Weinen. ,, Sie sein als immer Erbeln**) suchen gewest in dem ,, Nu, wird et bald geantwort?" Frau Tina sah mit Manderscheider Busch, de Kinder" mischte sich angstvoll die Schrecken, wie ihm das Blut zu Kopf wallte thu Dei Mutter ein, un letzten Herbst Brombeeren un Haselnüß'Maul auf red!" Jesses Maria, ich weiß et net!" Jetzt brachen der Fränz die Thränen aus, sie ließen sich " Ich sagen Dir," schrie der Vater und seine Hand fiel nicht mehr herunterschlucken, mit einem Ruck hielt sie sich die schwer auf der Fränz flaumige Wange wann der Josef Schürze vors Gesicht und dann heulte sie kindisch laut noch ehs ein Wort zu Dir sagt, ein einzig Wort untersteh heraus. Dich, spaug' ihm in't Gesicht, dem Biwak! Den Alten, den ,, Roßdonner noch ehs- da soll doch en Streizgewitter Schleicher, den Halunt', den Betrüger, den- den" Die dreinschlagen- faum fömmt man nach Haus, wird geheult. Worte fehlten ihm den is an allem schuld'. Verflucht Dat haste von Deiner Modder, die kann auch nir andres" den Tag, wo den hei in de Mühl kam, verflucht- ver- ein wütender Seitenblick streifte die Frau im Momang flucht!" In ohnmächtiger Wut lallte er nur noch:" Ver„ VerHörste auf!" Er riß dem Kind die Schürze vom Gesicht. Und flucht, verflucht!" nun brüllte er es an und stampfte dabei mit dem Fuß, nein, " Jesses, Mann Maria erbarm dich 。 Jesses, er trampelte mit beiden Füßen:" Heul wo de willst, aber Mann!" eweil net hei in der Stub' antwort, warum biste e so Er hörte nicht das Jammern der Frau; die Tochter hatte bubsterzig warum freuste Dich net he, warum net, Du er nun losgelassen, mit geschlossenen Augen stand er, beide Landsluder infamichtes!" Fäuste vor die Stirn gedrückt. Den den" immer das eine Wort: Verflucht verflucht verflucht!" " Jesses, Mann!" Frau Lina rang die Hände wußte er denn nicht: Von wo der Fluch ausgeht, geht er auch wieder hin?! Sie wagte es, nach seinen Fäusten zu fassen, sie hing sich an ihn:" Fluch' net, fluch' net, Hannes, Du fluchst Dir selber!"
„ Hannes, Mann," mischte sich die Mutter ein, laß se doch!" Was würde die Fränz sagen?! Sie zitterte vor der Antwort des Kindes und wußte doch nicht recht warum. " Jesses, Mann, laß se doch gehn!"
Halt Dein Maul", das warf er nur so zur Seite hin, als halte er sie gar keiner Beachtung wert. Sein ganzes Interesse gehörte der Tochter,
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Er stieß sie zurück. Der Stoß war heftig; sie taumelte in aufgehört, der eine Ecke, halb ohnmächtig lag sie da auf den Knien. Frenz eine jähe Röte war auftreischend aus der Stube entflohen.
Die Halbwüchsige hatte mit Weinen Schlucker stieß sie noch, aber sie zwang ihn; schlug ihr ins Gesicht und nun schrie sie's heraus in ver- So finster sant die Nacht, als sei nie ein Licht in der zweifeltem. Trotz, halb in Angst, halb in Pein- ihre dünne Mühle gewesen. Der Müller warf sich in sein Bett und Mädchenstimme gellte: stöhnte vor Hize. So hatte er noch nie geflucht, wie diese Nacht. Aber es erleichterte ihn nicht. Das große Mühlenrad, bas draußen so still hing, das ging hier um rauschend, rajend, geschwind- hier in seinem Kopf.
" Ich freue mich net. Den- den- Joseph sagt, wann den Vadder im Bulles gesess' hat, dann es hän et net wert, dat mer sich freuen thut!"
" Fränz, Fränz!" Ganz entsetzt sprang die Mutter zu und wollte der Tochter den Mund zuhalten.
Aber ihr Mann riß sie zurück. Laß et reden, laß et reden, dat Fränz! So also darum- freuen thufte Dich net so?" sagte er leidlich ruhig.
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Er stöhnte und hielt sich den glühenden Schädel. Wie sich das Rad drehte, drehte, und mit ihm die Jahre! Ein Jahr um das andre von den Radschaufeln floß das Wasser- Segen war's nicht, was von den Jahren abDie Brille riß er ab und schleuderte sie auf den Tisch; sich plötzlich im Bett auf: horch, klang nicht ein Winseln? troff. Viel Verdruß, viel Kummer- ja- der Müller setzt er mußte die Tochter nah sehen, ganz nah selbst ein Glas war zuviel zwischen ihnen. Mit einem Rud 30g er ia, nicht nur der Laufeld , nein, die ganze Welt hatte sich gegen sie zu sich heran und starrte ihr ins Gesicht mit einem ihn verschworen, sie sei verflucht! suchenden Blick: war da was von ihm? Ja, da war viel von ihm!
Was Frau Tina bestimmt erwartete, traf nicht ein er schlug die Fränz nicht. Er ließ sie los mit einem tiefen Aufatmen. Er lachte sogar.
Sollte sie dem Frieden trauen? Die Frau wußte es nicht recht, das Gesicht des Mannes schaute so seltsam drein; am liebsten hätte sie die Tochter hinausgeschickt, aber der Vater hieß sie, sich neben ihn setzen.
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Also, wann einen im Bulles gesess' hat, is hän't net wert, dat mer sich freut, wann hän kömmt o du schnippschnappig Dingen!" Er sagte es fast wohlgelaunt, die wachsende Verlegenheit des Kindes, das nun, erschrocken über das, was es gesagt, an feinen Fingern zog und zerrte, machte ihm schier Spaß. Er närrte fie:
Die Kuckucksuhr rief. Jesses, schon half hint!"**) Horch, wieder das Winseln. War's der Hund? Nero!" Ein dumpfes Knurren antwortete. Langfam kam das Tier unterm Bett vor, dehnte sich, schüttelte sich und legte die Tagen auf den Bettrand.
,, Nein, der hatte geschlafen, der war's nicht gewesen. Nero, paß auf, th, fi, Stäbchen!"
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Die glühenden Hundeaugen funkelten durch die nächtliche Finsternis aber kein Anschlagen wurde laut, was, was war denn? Der Mann tappte nach dem Feuerzeug, das phosphorhölzchen zischte auf, nun brannte die Talgferze. Der Hund war langsam in die Mitte des Zimmers gegangen, nun lag er platt auf der Diele, die Schnauze furchtsam auf
*) Strolch. **) Erdbeeren. ***) Mitternacht.