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Heilige Maria, bitt' für uns, jetzt und in der Stunde stürint von all den Erscheinungen, die in unsren Tagen aufeinander unfres Todes!" folgen, sich ablösen, wertvoll und werklos werden in unaufhörlicher Jetzt endlich, Tritte auf der einsamen Straße! dolge. Gelobt seien alle Heiligen, der Herr Dottor von Manderscheid! Massenhaft werden Bücher, Bilder, Statuen auf den Markt gebracht, Jede Kunstproduktion hat sich zu ungeahnter Höhe gesteigert. Aber zu Fuß, nicht im Chaischen?! Und den Hannes führte immer neue Richtungen" und" Stile" tauchen vor unsren erstaunten, er am Arm; der taumelte zwischen ihm und einem andern erschreckten und schon ganz abgeſtumpften Augen auf. Die Fülle der im weißbestäubten Kittel. War das nicht der Müller von der Gesichte wird unerträglich. Auch der empfänglichste Geist vermag oberen Kyll - Mühle? Wo waren die Pferde, der Wagen?! nicht mehr das immer neue Interesse aufzubringen, das so gebieterisch Eine graufenvolle Neugier durchriefelte plößlich die von ihm gefordert wird. Und der Durchschnittsmensch steht völlig ver Schmitzen Marie, aber sie hatte nicht Zeit weiter über den wirrt vor diesem Reichtum, der so unendlich scheint und im tiefsten Verbleib des Fuhriverks nachzudenken, denn schon waren die Grunde doch eine Armut bedeutet, ein Suchen und nicht Finden, ein Männer im Haus, und der eilende Schritt des Doftors fam Wollen und nicht können der vielen, vielen Hunderte, die berufen sind, aber nicht auserwählt, und die schließlich mit gebrochenen die Stiege herauf. Schwingen elend in der Tiefe verkommen, in die sie der über sie hinwegjagende Zug der Mitstrebenden unbarmherzig hineinstieß.
Die Sonne stand scheitelrecht über den Höhen der Mühlen schlucht; vom Dorf, das nicht sichtbar, um die Felsenecke herum, hinter dem Maar im Kraterkessel lag, kam das Mittagsgeläut, als der Doktor wieder die Stiege herunter- bolismus bei unfren Dichtern, frasjejten Realismus und sentimentalfletterte. Die Schmitzen Marie gab ihm das Geleit.
" Js et eweil schlimm, Herr Doktor," fragte sie besorgt, es war ihr immer sehr unangenehm, wenn ihr eine starb, und hier hatte sie doch gleich nach dem Doktor geschickt!" Steht et net gut?"
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Welche Nichtungen" und„ Stile" haben wir in den letzten zehn Jahren in jeder Kunst schon erlebt! Naturalismus und Symromantischen Märchenzauber bei unsren Dramatikern und Komödienschreibern, Sezession bei unsren Malern, Jugendstil und„ Moder nismus" im Kunstgewerbe, und schließlich welche Wandlungen bei uniren Romanschreibern, bei Literaten und Belletristen. Von den minutiösesten Beschreibungen der geringfügigsten Aeußerlichkeiten, deren Erzeugnisse man dann Milicutunstiverte nennt, bis zur physioDer Arzt zuckte die Achseln; er hatte sein Möglichstes logisch- pathologischen Zergliederung und Zerfajerung der innersten gethan, was weiter kam, nun, dafür stand er nicht. Aber be- und geheimnisvollsten Seelenzustände. Nichts wurde uns erspart, vor er ging, trat er noch in die Stube des Erdgeschosses. nicht die letzte Liebesraferei der vollreifen Frau, noch die hysterischDa hatte der Müller oben von der Bachmühle ein fentimentalen Thorheiten unreifer, halb naiver, halb verdorbener besonnener Mann gleich die Läden geschlossen und Müller- Badfische, die als höchfte Offenbarungen der Weibesseele aus hannes lag im Halbdunkel auf seinem Bett ausgestreckt mit geschrieen werden. Wir haben staunend vor den ersten modernen, geschlossenen Augen und atmete tief. Schlief er? Der Arzt ergründen versucht, ob wir auf ihren violetten, schwefelgelben oder fezessionistischen Bildern gestanden und mit redlichem Bemühen zu beugte sich über ihn es schien so. giftgrünen Hintergründen eine fabelhafte Meerfrau oder ein Bauernhaus oder ein Stilleben erkennen sollten. Und wir haben uns teils mitreißen, teils mitschleppen laffen durch alle Phasen der Wiedergeburt, pardon der Renaissance des Kunstgewerbes, das sich aus den Banden gedankenloser Nachäffung und kunstwidrigen Gebrauches des Materiales durchgerungen" hat zu der heutigen Verwirklichung des höchsten Grundsatzes von der zweckmäßigen Schönheit und schönen Zweckmäßigkeit. Wir sehen staunend und zweifelnd, wie heute dieser Grundsatz verwirklicht wird, wie eine gewisse Richtung die nadie Sezessionsfrau geradezu zum einzigen Motiv ihrer Produkte macht, wie auf Aschenbechern, Tintenfässern und ähnlichen Geräten des Gebrauchs diese Frau weder zweckmäßig, noch schön sich breit macht, respektive sich breit machen würde, wenn ihre völlig unmögliche, aber stilvolle" Schlankheit ihr dies erlaubte.
Laßt ihn schlafen," sagte er zur Hebamme, der kriegt es ja immer noch früh genug zu wissen. Ich komm' morgen früh noch einmal wieder. Adjö so lang!" Er ging.
( Fortsetzung folgt.),
( Nachdend verboten.)
Der moderne Schnelligkeits
wahnsinn.
Durch alle Blätter ging vor einiger Zeit eine Nachricht, die den modernen Menschen anmutete, Ivie eine Großmuttererzählung. Der Erfinder der Petroleumlampe ist gestorben! Der Erfinder der Petroleumlampe! Der Mann, der das Dellämpchen und die Talgferze verdrängte, der die Lichtpußscheere überflüssig und den innigsten Wunsch Goethes zur Wirklichkeit machte, daß es ein Licht geben möge, das nicht alle fünf Minuten gefchneuzt zu werden brauche. Staunend, zweifelnd lasen wir die Mär, vielleicht beim tages: hellen Schein einer elektrischen Flamme, die uns gerade im Wagen der elektrischen Bahn, im Salon eines Schiffes leuchtete. Freilich, der Mann hat die Grenze menschlichen Alters erreicht, er ist achtzig Jahre alt geworden. Aber, wenn er mit dreißig auch schon die Petroleumlampe erfunden hat, jo trennen uns doch kaum fünfzig Jahre von einer Zeit der Lichtlosigkeit, die wir uns mit all ihren Stonsequenzen kaum vorzustellen vermögen.
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Ein andres Bild, das freilich auf den ersten Blid feinen auch noch so losen Zusammenhang mit diesem ersten zu haben scheint. Vor furzer Zeit thaten in der Nähe von Paris der amerikanische Milliardärschwager Fair mit seiner Gattin den Todessturz aus einem mit der Geschwindigkeit von S5 Kilometer in der Stunde dahinfaufenden Automobil.
Aber der Zusammenhang ist da. Die fünfzig Jahre, die uns Petroleum, Gas und Elettricität gebracht haben, sie haben die Vorarbeit gethan, den Boden vorbereitet für das, was die mit Eilzugsgeschwindigkeit einherrafenden Menschen im Automobil in den Tod jagte, für die schlimmste Krankheit unfrer Zeit den Schnelligkeits wahnsinn.
Schnell, nur schnell! Das ist der Heerruf unsrer Zeit. Die physische Schnelligkeit des Automobils symbolisiert den psychischen Schnelligkeitswahnsinn, der uns alle ergriffen hat, der uns beherrscht, behert, uns mit Eilzugsgeschwindigkeit durchs Leben freibt. Und wie wir mit Rad und Aut, mit Bahn und Schiff, mit jedem Vehikel, das uns fortbringt, nur rafen und jagen, wie das ganze Räderwerk des physischen Seins, Birkens und Lebens in betäubender Gile abschnurrt, so stürmen wir mit einer so rajenden Schnelligkeit durch die geistige Entwickelung unjres Daseins, daß wir jeden Maßstab verlieren, jeden Genuß beeinträchtigen und niemals zum Auskosten irgend einer für unser Leben gewonnenen Erkenntnis fommen, weil uns schon eine neue bestürmt, bedrängt, gefangen nimmt.
Ist es nicht so?
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Was haben wir modernen Menschen nicht schon entstehen sehen, aufblühen wie jene seltsame Blume, die nur eine Nacht in ihrer Entfaltung prangt, und dann wieder zusammenfinfen und spuclos verschwinden. Wie sich die Entdeckungen und Erfindungen und Gefchehnisse im äußeren Leben drängen, so wird unser Inneres be
Ein typisches Beispiel dieser flutenden, braufenden, alles über strömenden Schnellentwickelung war die Ueberbrettelei! Ein Ueberbrett! zunächt! Rach vier Wochen schon Dutzende. Die ganze Menschheit schien von der Ueberbreithfeuche befallen. Namhafte Künstler schufen für das Brettl, und die Menge drängte gaffend, beifalltlatschend, staunend hinzu. Dann bemächtigte sich der blödeste Dilettantismus der breiten Masse des Brettl und machte es un erträglich. Die Schnelligkeitsraferei, der Zeitwahnsinn ist über die vielleicht, ja sicherlich vielUeberbrettl hinweggebraust, hat einen versprechenden Keim zertreten, weil niemand, weder der Künstler, noch der Schauende Zeit hatte, haben wollte, diesen Kein naturgemäß wachsen, ausreifen zu lassen!
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Daß der nur Zuschauende durch diese unaufhörliche, betäubende, berivirrende Aufeinanderfolge von Geschehnissen völlig abgestumpft wird und mehr und mehr jede ruhige Ueberlegenheit verliert, ist sicher. Er wird entweder mitgerissen in den kreisenden Strudel, angesteckt von der Zeitkrankheit und jagt und hastet dann mit in dem Taumel, oder er zieht sich angeividert und erschreckt völlig zurück und verzichtet auf jedes nähere Eindringen in die Begriffe und Werke„ moderner" Kunst.
Es sind nicht die schlechtesten, die da abseits stehen. Sie habent sich freilich im Kampfe gegen die ihnen widerwärtigen Erscheinungen verbittert und schütten nun das Kind mit dem Bade aus, indem sie alle und jede moderne Produktion perhorreszieren. Aber man kann ihnen nicht so unrecht geben: die Spreu vom Weizen zu sondern, ist heutzutage eine so mühselige und zeitraubende Arbeit, daß nur jene sich ihr unterziehen können, die dazu viel, viel Zeit und Lust auf zuwenden haben.
Wie unendlich verheerend aber dieser Schnelligkeitswahnsinn auf die Künstler selbst wirkt, dafür braucht man wohl keine weiteren Belege beizubringen. In einer großen, unheimlich großen Zahl unsrer Künstler ist der göttliche Trieb des Schaffens zu einer frankhaften Sucht nach schnellem Ruhm geworden, der sie unablässig treibt, auf seltsam verschlungenen Jrrpfaden mit Aufwand aller Körperund Geisteskräfte dem so heiß ersehnten Gipfel zuzustreben. Blicken wir um uns, so sehen wir überall dasselbe tief betrübende Schauspiel. Planlos Jerende, Hastende, Suchende. Gewiß, die Seele aller Kunjt ist das Suchen, das Streben nach dem Höchsten. Aber es ist ein großer Unterschied, ob man der Sonne zustrebt, der allbelebenden, allerleuchtenden, die man zuerst vom Gipfel des höchsten Berges erschaut, oder ob man einem tanzenden Jrrlicht über Moor und Sümpfe nachhaftet. Stilles, unentwegtes Schaffen und Streben nach dem rechten Ziele auf dem rechten Wege gilt heutzutage als veraltet, als ein Zeichen geistiger Verdummung. Das Verstehen der Zeit" ist
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